Freibrief: „Herr Nehammer, respektieren Sie den Wählerwillen“
Die ÖVP hat bei den Nationalratswahlen Ende September schwere Verluste erlitten. Heimo Lepuschitz fordert in seinem Kommentar für FREILICH Bundeskanzler Karl Nehammer deshalb zum Rücktritt auf. Er habe in zentralen politischen Bereichen versagt.
Lieber Karl Schmähhammer!
Nach den großartigen Siegen der ÖVP bei der EU-Wahl, bei der Nationalratswahl nun auch noch ein halber Erfolg in Vorarlberg unter Ihrer segensreichen ÖVP-Obmannschaft. Halber Erfolg in Vorarlberg? Nun ja, schließlich hat Landeshauptmann Wallner Platz 1 im Ländle verteidigt und mit nur fünf Prozent Minus nicht die bei Parteifeiern bejubelten großartigen Verluste von nehammerüblichen zehn Prozent und mehr eingefahren, nicht den von seiner strategischen Speerspitze Stocker erkämpften zweiten Platz erobert.
Echte Sieger sehen anders aus. Nämlich so wie Sie. Ein Kanzler wie ein Felsen, unerschütterlich. Zumindest, wenn es um den eigenen Posten geht. Wenn es um Positionen geht, dann eher flexibel wie ein Gartenschlauch, schließlich können Sie inhaltlich problemlos mit den Grünen, der SPÖ und den NEOS koalieren und trotzdem einen FPÖ-affinen Wahlkampf führen. Den lächerlichen Kritikern, es passe nicht zusammen, FPÖ-Themen zu kopieren und dann mit der Hochsteuer- und Pro-Migrationslinken zu koalieren, werfen Sie Ihr berühmtes natürliches Siegerlächeln entgegen und schmettern die einzig richtige Antwort: „Hauptsache, ich bin Kanzler“.
Rezession, Bildungschaos und Massenmigration
Nun, einige wenige Ungläubige könnten einwerfen, dass das natürlich nur zufällig nach der Wahl völlig aus dem Ruder gelaufene Haushaltsdefizit, die ebenso rein zufällig nach der Wahl aufgetauchte Rezession, das Bildungschaos, die Massenmigration, das Sicherheitsdesaster und das Koma im Gesundheitssystem gegen eine Fortsetzung Ihrer segensreichen Kanzlerschaft sprechen würden. Auch der Einwand armseliger Radikalisierter, denn nichts anderes können Realitätskritiker ja sein, das eigene Amt über das Schicksal des Landes und den Wählerwillen zu stellen, sei nicht kanzlerisch.
Papperlapapp. Schließlich wird jeder Arbeitnehmer, der, egal ob er seinen Chef mag oder nicht, in der Früh aufsteht und zur Arbeit fährt, verstehen, dass Sie Herbert Kickl einfach persönlich nicht mögen und deshalb lieber mit den Parteien koalieren, die Ihnen politisch am weitesten entfernt sind und die Sie als marxistisch bezeichnet haben.
Ein Land in Geiselhaft
Sandkastenniveau, Kindergarten? Eine ganze Partei, ein Land in Geiselhaft einer Kanzlerpartei? Nein, die Weitsicht eines einzelnen Erwählten, dass die eigene Kanzlerschaft jedes Opfer an Werten, jeden Wahlverlust wert ist. Die kleinen Parteifunktionäre der ÖVP, die vor Landtagswahlen stehen, die vor Gemeinderatswahlen stehen, die rund 1.000 ÖVP-Funktionäre, die allein in den nächsten Monaten ihr Mandat verlieren werden, was sind sie gegen das Licht des Einen, des Kanzlers?
Sie, der strahlende Sieger des von Ihnen ausgerufenen Duells gegen Herbert Kickl, warum sollten Sie dem Wählerwillen weichen? Schließlich haben Sie das Duell trotz Rekordverlusten und Platz 2 in der Partei überlebt, und wenn das kein Sieg ist, was dann? Skeptiker, die darauf hinweisen, dass der Verlierer eines selbst ausgerufenen Duells allenfalls zweiter Sieger sei und dies selten feiern könne, weil er den nächsten High Noon eher auf dem politischen Friedhof erlebe, sind ahnungslose Feinde der Demokratie. Eher geht ein Elefant durch ein Nadelöhr als ein Karl Nehammer aus dem Kanzleramt.
Schwarz sind nur noch die Zukunftsaussichten
Lieber Karl Schmähhammer, wie Sie im Volksmund liebevoll genannt werden. Jetzt einmal im Ernst. Sie haben in den letzten Jahren mit Ihrer Regierung auf allen Ebenen versagt. Österreich steckt in der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Sie haben in der Coronazeit totalitär geherrscht, Sie haben eine Impfpflicht mitverantwortet, Sie wollten Menschen einsperren. Das Defizit ist außer Kontrolle, bei gestiegener Steuerlast. Die Menschen zahlen immer mehr für immer weniger Leistung.
In Österreich kann man sich mittlerweile aussuchen, ob man arbeitet oder nicht. Immer weniger Mehrleister zahlen immer mehr für immer mehr arbeitslose Mehrkassierer. Unsere Kinder werden zu Fremdkörpern in den eigenen Schulen. Alte Menschen warten monatelang auf lebenswichtige Operationen, hunderte Medikamente fehlen einfach. Unternehmen wandern ab, lagern aus, der Arbeitsmarkt bricht zusammen. Unser Land ist abgesandelt, schwarz sind nur noch die Zukunftsaussichten.
Karl Nehammer, seien Sie einmal der Bundeskanzler der Größe. Ich habe Sie persönlich sehr geschätzt, Sie sind ein anständiger Mensch, jetzt haben Sie sich verrannt, sicher im Glauben, das Richtige zu tun. Aber Sie irren. Treten Sie zurück. Respektieren Sie den Wählerwillen. Keine Spielchen mehr. Machen Sie den Weg frei für Neues. Sie hatten Ihre Chance, Sie haben sie nicht genutzt. Niemand steht über Land und seinen Menschen. Herr Nehammer, es ist vorbei!