„Geheimtreffen“ in Potsdam: Raus aus der Remigrationsfalle!

Das angebliche Geheimtreffen in Potsdam, an dem verschiedene Vertreter der Opposition teilgenommen haben sollen, beschäftigt die Republik noch immer. Unter anderem elektrisiert der so genannte Remigrationsgedanke die politische Landschaft. Der AfD-Politiker Hans-Thomas Tillschneider plädiert in seinem Kommentar für einen anderen Ansatz und weist auf die geopolitischen Voraussetzungen, aber auch auf die Potenziale der Integration hin.

14.1.2024
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7 Minuten Lesezeit
„Geheimtreffen“ in Potsdam: Raus aus der Remigrationsfalle!

Dr. Hans-Thomas Tillschneider

© IMAGO / CHROMORANGE

Das Treffen von AfD-Politikern, CDU-Mitgliedern, Martin Sellner und Unternehmern in einem Hotel bei Potsdam, das von einem dubiosen Spitzeldienst namens „Correctiv“ ausgeforscht und veröffentlicht wurde, entzieht sich der schnellen Einordnung. Björn Höcke hat es für das Beste gehalten, seine Irritation darüber, selbst nicht eingeladen worden zu sein, ironisch zu überspielen und kommentierte auf X „Ohne mich – Das wird schon nichts Ernstzunehmendes gewesen sein.“ In der Tat ist Sellner hier nicht mit seinen üblichen Verdächtigen aufgetreten, sondern mit – bislang – ausgesprochen skandalarmen AfD-Politikern wie der Bundestagsabgeordneten Gerrit Huy, die als eher liberal gilt, oder dem Vorsitzenden der AfD-Fraktion Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, der als integrative Figur über den Strömungen steht. Roland Hartwig arbeitet für Alice Weidel, die in der Bundespartei und Bundestagsfraktion eine ähnliche Rolle einnimmt.

Schwerreiche Unternehmer sorgten für den Geruch des großen Geldes. Ulrich Vosgerau, ein mit CDU-Parteibuch kokettierender AfD-Anwalt, rundete das Ganze atmosphärisch ab. Ein Vertreter des etwas CDU-lastigen, brav konservativen Vereins „Deutsche Sprache“ durfte nicht fehlen. Und mittendrin Martin Sellner, der als Rechtsextremist gilt, wie immer natürlich ungerechtfertigt, aber darauf kommt es bei solchem „Gelten-Als“ bekanntlich nicht an. Und am Ende hat dann sogar Ulrich van Suntum das Treffen in Schutz genommen, ein alter Lucke-Anhänger, der dessen liberal-konservative Parteitotgeburten mitgemacht hatte.

Ein Treffen in Potsdam

Wie Kubitschek analysiert hat, dürfte der ästhetische Reiz einer rein formalen Heimlichtuerei ein starker Antrieb gewesen sein, denn zu verheimlichen gab es nichts. Aber doch wenigstens einmal konspirativ mit dem bösen Buben Sellner zusammensitzen und sich über den Kontrast zwischen dem netten jungen Mann und dem identitären Gottseibeiuns gruseln! Das kann einem Millionär schon mal 5.000 Euro wert sein! Damit freilich sind die entscheidenden Fragen, die dieses kuriose Ensemble, diese gutbürgerlich-identitäre Liaison aufwirft, noch lange nicht beantwortet!

Eine Theorie besagt, interessierte Kreise hätten die Enthüllung inszeniert, weil sie dringend etwas bräuchten, um von den Bauernprotesten abzulenken – eine nur wenig plausible Annahme, angesichts des Umstandes, dass die Proteste hinter den Erwartungen zurückbleiben, schon im Abflauen begriffen sind und von Anfang an daran krankten, dass einflussreiche CDU-Bauern daraus eine billige Propagandanummer für die CDU machen wollten und mit ihren Distanzierungserklärungen den Protest bewusst bremsten. Diese Verschwörungstheorie ist falsch, aber trotzdem interessant, denn sie muss von Kräften in die Welt gesetzt worden sein, die das jämmerliche Gezänk der CDU mit der Ampelregierung gerne zum Schicksalskampf der Nation hochstilisiert sehen würden und nicht davor zurückschrecken, zu diesem Zweck Unsinn zu verbreiten.

Verschiedene Theorien zum „Geheimtreffen“

Plausibler ist die Theorie, Befürworter eines AfD-Verbots hätten von dem Treffen Kenntnis erlangt und den Skandal inszeniert, um durch die Umstände der spektakulären Spionageaktion rein suggestiv und gegen die Faktenlage das Narrativ zu verankern, die AfD verfolge geheime Pläne hinter ihren öffentlichen und angeblich nur zum Schein verfassungskonformen Verlautbarungen, was wiederum wesentliche Voraussetzung eines erfolgreichen AfD-Verbotsantrags wäre. Die Wannsee-Assoziationen der Linken und Grünen, mit denen sie die Grenze zur Wahnvorstellung weit hinter sich gelassen haben, künden jedenfalls von einem unbedingten Willen, die tatsächlichen Inhalte des Treffens bis zum Anschlag zu überzeichnen. Denn fest steht auch, dass, wie schon hinlänglich oft herausgestellt wurde, hier nichts Geheimzuhaltendes verhandelt wurde, sondern nur tausendfach abgedrucktes erneut zur Diskussion ausgebreitet wurde.

Dass die Initiatoren des Treffens selbst schon in den Skandalisierungsplan eingeweiht gewesen sein sollen, kann nicht leichthin angenommen werden. Es handelte sich bei dem Treffen zunächst um eine Veranstaltung innerhalb einer Serie regelmäßig veranstalteter Gesprächskreise zu wechselnden Themen. Das Treffen selbst und seine Entdeckung bilden keinen Zusammenhang. Es gibt in allen Regionen unseres Landes zahlreiche solche Gesprächskreise und Netzwerke. Am ehesten ist damit zu rechnen, dass ein Correctiv-Spitzel zufällig von diesem Treffen Kenntnis erlangt hatte. Auch eine gezielte Indiskretion eines einzelnen Teilnehmers würde daran nichts ändern, allerdings Aufschluss darüber geben, welche Kreise in jenem gesprächslustigen Unternehmerkreis einen Fuß in der Tür haben.

Die Masseneinwanderung hat einen Hintergrund

Angesichts des Getöses über die investigative Entdeckung und angesichts der vorgefassten Deutungen sind die wahren Inhalte des Treffens in den Hintergrund getreten. Vor allem aber ist ein Detail überspielt worden, das den Schlüssel zum Verständnis des ganzen Vorgangs enthält. Und zwar wurde zu Beginn des Treffens erklärt, das Thema Remigration sei wichtiger als alle anderen Themen wie etwa der Ukraine-Konflikt oder der Gaza-Konflikt. So steht der Verdacht im Raum, dass die Remigrationsfrage genutzt werden soll, um die Frage nach der geopolitischen Orientierung in den Hintergrund zu drängen. Wer nun allerdings über Migration spricht, aber von den Konflikten in Osteuropa und Nahost schweigt, der überzeugt – vorsichtig gesagt - nicht gerade durch einen weiten politischen Horizont; schlimmstenfalls will er bewusst vernebeln und anderen die Orientierung nehmen.

Die Probleme der Masseneinwanderung sind nicht einmal ansatzweise zu begreifen ohne die Kriege der USA in Libyen, Afghanistan und Syrien, nicht zu vergessen in der Ukraine. Freilich ist unser Problem, dass wir dem Migrationsdruck nicht gewachsen sind und uns im Angesicht des Ansturms aufgrund eigener Mentalitätsschäden nicht zu helfen wissen. Aber die Einwanderungswellen wurden von anderen aufgebaut. Es ist schon eine Binse, doch deshalb nicht weniger wahr: Die Kriege im Nahen Osten, die von den USA nachweislich geführt oder gefördert wurden, haben doch erst die gewaltigen Flüchtlingsströme geschaffen, die Deutschland seit Jahren wirtschaftlich, kulturell und sozial an seine Belastungsgrenze treiben.

Geopolitische Voraussetzungen nicht vergessen

Ziel ist selbstverständlich eine Schwächung Deutschlands und Europas, wobei eine einseitige Remigrationsstrategie keinen Ausweg weist, sondern im Gegenteil potenziell in den Bürgerkrieg führt. Eine offensive und einseitige Remigrationsstrategie wäre falsch, weil sie die geopolitischen Voraussetzungen von Migration konsequent ausblendet, sich so auf bloße Symptombekämpfung beschränkt, die Spannungen in unserem Land erhöht, einen tiefen Graben zwischen patriotischer Opposition und Einwanderern zieht und damit dem Kalkül einer Balkanisierung Deutschlands entgegenkommt.

Das käme den USA so recht zupass, daß wir mit einer kopflosen Konfrontations- und Eskalationsdiskussion, die keinen Gedanken an die Umsetzbarkeit der Konzepte verschwendet und sich in rhetorischen Maximalforderungen nach der Ausweisung von so und so viel Millionen Ausländern überbietet, Millionen von Ausländern gegen uns aufbringen und den Altparteien in die Arme treiben. Genau genommen handelt es sich zumeist auch um keine Remigrationsstrategie, sondern eine Remigrationsphantasie, weil auf die Machbarkeit kaum ein Gedanke verschwendet wird. Was ist denn mit jenen Millionen, die bleiben wollen, partout keinen Anlass für ihre Abschiebung liefern und trotzdem nicht gut integriert sind? Hier helfen keine Remigrationsträume, hier hilft nur ein neuer Integrationsansatz.

Integration muss neu gedacht werden

Wir sollten uns angewöhnen, von Remigration nur noch im Zusammenhang mit Integration zu sprechen oder besser umgekehrt: Zuerst steht der Integrationsversuch, aber wenn er scheitert, dann greift die Remigration. Ganz anders also als bei diesem Treffen gefordert: Sprechen wir zuerst von Integration, und dann erst im Nebensatz von Remigration! Und betten wir das Thema in die geopolitischen Fragestellungen ein. Die Remigrationsfrage darf nicht isoliert, sie muss kontextualisiert werden!

Und zwar so: Wenn eine politische Kraft in Deutschland tatsächlich in der Lage wäre, einen hohen Anteil der Ausländer und Fremdstämmigen wirklich zu integrieren, dann wir, die AfD. Die meisten Ausländer wenden sich den Altparteien nur zu, weil sie sich dort Vorteile versprechen und weil wir sie manchmal ohne Not vor den Kopf stoßen.  In Wahrheit aber respektieren sie die von Selbstverachtung und Nationalmasochismus gezeichneten Vertreter der Altparteien nicht. Viele Einwanderer verfügen noch über ein gesundes Wertegerüst, in dem Familie und Männlichkeit, Stolz und Ehre, Überlieferung und Tradition noch etwas gelten. Auch wenn sie meinen, in uns ihre Feinde erkennen zu müssen, so haben wir sogar noch in dieser Feindschaft eher ihren Respekt als ihre falschen Freunde von den Altparteien. Es ist nun auch an uns, es hier zu gar keiner Feindschaft kommen zu lassen. Anstatt großspurig mit Remigrationskonzepten zu hantieren, sollten wir einmal in diesem Sinn ein echtes, auf unseren ehrenwerten Patriotismus gebautes Integrationskonzept ausarbeiten.

Nur die AfD kann Ausländer integrieren

„Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“, wurde auf den ersten Pegida-Demonstrationen gerufen, was im Umkehrschluss bedeutet, dass wer Deutschland liebt, bleiben darf. Reden wir nicht darüber, wie viele Millionen wir außer Landes schaffen wollen. Reden wir darüber, was wir tun müssen, damit Millionen bleiben können, ohne unserem Land zu schaden.

Wer von einer Lösung des Ausländerproblems durch millionenfache Abschiebung träumt, übersieht das Inländerproblem, nämlich unsere Mentalitätskrankheit, die erst dazu geführt hat, dass wir völlig wahllos Millionen aus aller Welt erlaubt haben, unsere Sozialsysteme zu plündern, wobei wir uns ihnen außerdem noch im eigenen Land kulturell unterwerfen. Wer nur über Abschiebungen nachdenken, vertut die Chance, sein eigenes Problem zu lösen, was überhaupt erst die Voraussetzung wäre, dass es mit der Einwanderung nicht so weiter geht und diejenigen abgeschoben werden, die es verdienen. Die patriotische Opposition muss als die einzige politische Kraft, die noch eine halbwegs gesunde nationale Einstellung hat, aus dieser Einstellung heraus den gutwilligen Einwanderern ein Angebot der Anerkennung machen.

Wir lösen auf diese Weise nicht nur das Ausländerproblem; nur so werden wir auch so stark, wie wir sein müssen, um die anderen Probleme zu lösen, die an Gewicht keinesfalls hinter dem Ausländerproblem zurückstehen. Vergessen wir nicht: In vielen entscheidenden Fragen wie ehemals der Coronapolitik und aktuell der Klimapolitik oder der Russlandpolitik ist die AfD auch für viele Ausländer und neu Eingebürgerte die einzige Alternative. Von der Regenbogenpolitik und der Gender-Agenda ganz zu schweigen. Indem wir so die Remigration gerade nicht zum Hauptthema erklären, sondern immer zusammen mit Integration als ein Themenkomplex neben anderen betrachten, gewinnen wir patriotische Einwanderer als Mitstreiter, wirken befriedend auf das Land, schaffen den Rahmen für angemessene und akzeptierte Ausweisungen und lassen dem Verfassungsschutz in dieser Frage nicht einmal mehr einen scheinbaren Ansatzpunkt. Angesichts zunehmender Drohungen mit einem Verbotsverfahren kein ganz zu vernachlässigender Aspekt!

Deutschland hat ein Mentalitätsproblem

Auch wenn es auf dem Treffen bei Potsdam nicht so hoch herging, wie es Correctiv gerne gehabt hätte, auch wenn der Altparteienjournaille nicht so sehr in die Hände gespielt wurde, wie sie es erhofft haben, weshalb mit Übertreibungen nachgeholfen werden musste: Im Ansatz ist auch schon die sattsam bekannte Agenda, wie sie dort propagiert wurde, das, was sich Correctiv für die AfD wünscht. Die einseitige Konzentration auf Remigration spielt den Feinden Deutschlands in die Hände.

Und es ist sehr aufschlussreich zu wissen, wer sich das wünscht: Correctiv wurde in den letzten Jahren mit ungefähr einer halben Million Euro, 2022 sogar mit über 600.000 Euro, durch die Luminate Foundation des französisch-US-amerikanischen Oligarchen Pierre Omidyar finanziert, der u.a. auch Hauptsponsor des ukrainischen Internet-TV-Senders „hromadske.tv“ ist. In vergangenen Jahren zählte auch noch die berüchtigte Open Society Foundation des Währungsspekulanten und Erfinders der zivilgesellschaftlich inszenierten Farbrevolutionen, Georges Soros, zu den Großgeldgebern von Correctiv.

Wir sollten nicht mit Gewalt dem Zerrbild entsprechen, das diese Kreise von uns zeichnen, weil sie es brauchen - ein Zerrbild, das uns ohne Not angreifbar macht, unsere Entfaltungspotentiale hemmt und kein einziges Problem in diesem Land löst. Ein kluger Neuansatz in der Ausländerpolitik, der Remigrationsansätze in einem Atemzug mit Integrationsangeboten nennt, wäre der strategische und sachliche, in jeder Hinsicht richtige Ansatz. Auch wenn das Treffen nicht ausgeforscht worden wäre, wäre die dort besprochene Strategie doch eine Falle. Und diese Remigrationsfalle halte ich für weit gefährlicher als die Falle der Veröffentlichung.

Eine Warnung aus Italien

Zum Schluss erlaube ich mir noch einen Verweis auf Italien: Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die sich längst als Selenskyj-Unterstützerin, Nato-Kriegstreiberin und EU-Bürokratin und damit als trojanisches Pferd der Transatlantiker entpuppt hat, hat während ihres Wahlkampfs vor allem auf Remigrationsrhetorik gesetzt – Rhetorik wohlgemerkt, aus der weder eine sinnvolle Integrations- noch eine sinnvolle Remigrationspolitik hervorgegangen ist. 

Die AfD muss einen anderen Weg gehen. Wenn einzelne Figuren in unserer Partei, wie schon auf dem letzten Parteitag in Magdeburg zu sehen war, fordern, sich auf die Remigrationsagenda zu beschränken und dieses Thema, „unser Gründungsthema“, trotz CO₂-Wahnsinn und selbstzerstörerischen Russlandsanktionen zum Hauptthema zu erklären, hinter dem alles andere zurückzustehen habe, dann ist das mehr als verdächtig. Wir begegnen hier einer versteckten Agenda, die sich nicht durchsetzen sollte. Achtung! Wer in diesen Tagen von Remigration als Hauptthema spricht, will betrügen.


Zur Person:

Dr. Hans-Thomas Tillschneider ist Islamwissenschaftler und sitzt seit 2016 für die AfD im Landtag Sachsen-Anhalt. Dort ist er der kulturpolitische Sprecher der AfD-Fraktion.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
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