Helferich (AfD): „Vincentz war einer der lautstärksten Unterstützer von Meuthen“
In der nordrhein-westfälischen AfD stehen sich derzeit zwei große Lager gegenüber, von denen eines von Martin Vincentz angeführt wird. Doch sowohl innerhalb der Partei als auch in einigen patriotischen Medien steht Vincentz in der Kritik, wie Matthias Helferich im Gespräch mit FREILICH erklärt.
FREILICH: Herr Helferich, der nordrhein-westfälische AfD-Landeschef Martin Vincentz hat in einem Interview Ihre Suspendierung thematisiert und behauptet, es gebe einige Bedenken gegen Ihr Verhalten (FREILICH berichtete). Was sagen Sie dazu? Gibt es Ihrer Meinung nach einen anderen Grund für den Konflikt? Ihre Postings auf X haben das in der Vergangenheit angedeutet.
Im Gastbeitrag von Martin Vincentz in Ihrem Magazin wird dem Leser erklärt, dass in der AfD unterschiedliche Strömungen willkommen seien, man produktiv zusammenarbeite, lediglich problematische Störenfriede isoliert werden müssten, und die FPÖ hierfür das Vorbild sei. Ich halte das für eine Erzählung, die einer Wirklichkeitsüberprüfung nicht standhält. Tatsächlich stehen sich in Nordrhein-Westfalen zwei große Lager gegenüber, die in etwa 40 bis 45 Prozent beziehungsweise 50 bis 55 Prozent der Landesdelegierten hinter sich vereinen.
Vincentz weiß gegenwärtig zwar eine Mehrheit hinter sich, steht jedoch zugleich innerparteilich und in Vorfeldmedien in der Kritik. Zusehends führt sein Landesvorstand den Kampf um Macht und Mehrheiten mit Parteiausschlussverfahren oder gar Amtsenthebungen ganzer Gliederungen, die regelmäßig politische Konkurrenten ereilen. Auch Beschlüsse zur Absetzung des langjährigen Beauftragten für Russlanddeutsche, Eugen Schmidt MdB, oder eingefrorene Zuwendungen an die eigene Parteijugend sind Teil dieser Strategie der Eskalation.
Können Sie den Instagram-Beitrag, der Ihre Suspendierung ausgelöst hat, näher erläutern? Welche Absicht verfolgten Sie mit diesem Beitrag? Hat der AfD-Landesvorstand den Instagram-Beitrag missinterpretiert?
Mir werden im Kern drei „Taten“ zur Last gelegt. Erstens wirft man mir vor, dass ich den Begriff der millionenfachen Remigration verwende, und setzte dies in Correctiv-Manier mit willkürlicher Deportation gleich. Zweitens unterstellt der Landesvorstand, ich beleidigte mit einem Instagram-Beitrag, der einen frei verkäuflichen Karin-Ritter-Duftbaum zeigt, pauschal Migranten. Drittens empört man sich über einen X-Beitrag, in dem ich die Erweiterung der „Unvereinbarkeitsliste“ um die Revolte Rheinland und das beinahe zeitgleiche Vorgehen gegen junge Parteimitglieder wegen getätigter Aussagen in einer Debatte um die Abschiebung von Jesiden kritisiere. Mit einer amateur-juristischen Argumentation versucht man, mir sämtliche auf X getätigte und mir bis dato unbekannte Aussagen Dritter zuzuschreiben, da ich in einem harmlosen Tweet grundsätzliche Entwicklungen moniert habe.
Am 26. Juni legte man dann nochmal nach und warf mir einen weiteren „erneuten schweren Ordnungsverstoß“ vor, da ich kurz zuvor als Bundestagsabgeordneter an einem Sommerfest des Netzwerkes der Russlanddeutschen in NRW teilgenommen habe. Das Netzwerk ist keine Parteigliederung, und mit meiner Teilnahme habe ich auch nicht gegen die Eilmaßnahme des Entzugs meiner Mitgliedsrechte verstoßen. Um zu belegen, dass es sich um eine Parteiveranstaltung handelte, führte Kay Gottschalk ein Bild einer von einer russlanddeutschen Dame gebackenen Torte an, die mit einer AfD-Logo-Glasur verziert worden ist. Es nimmt allmählich groteske Züge an.
Wie stehen Sie zu dem Vorwurf, der angesprochene Instagram-Beitrag habe Migranten beleidigt?
Der Landesvorstand hat in seiner Antragsschrift versäumt, jenen Karin-Ritter-Duftbaum als ein in die analoge Welt übertragenes Internet-Meme zu erkennen. Er verkennt damit die komplexe linguistisch-semiotische Struktur von Memes als Phänomen der Jugendkultur und dass diese als Zusammenstellung von Text und Bild eine gänzlich neue, ironische und schwarzhumorige Bedeutung erhalten. Ich habe mit diesem unbedeutenden Beitrag lediglich mit dem Phänomen der Ritter-Memes und Stereotypen der politischen Kultur der Bundesrepublik gespielt.
Ich habe demgegenüber in unzähligen Wortbeiträgen im Deutschen Bundestag, in Online-Beiträgen oder TV-Interviews deutlich gemacht, dass Remigration in unserem Sinne rechtsstaatlich zu verlaufen habe, deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund selbstverständlich keine Willkürmaßnahmen zu befürchten haben, und wir auch Migranten zu geschätzten Parteifreunden zählen.
Wie war Ihre erste Reaktion auf die Entscheidung des Landesvorstandes, Sie aus der Partei auszuschließen? Halten Sie diesen Schritt für gerechtfertigt?
Ich war lediglich von der Dreistigkeit der Begründung, nicht aber von dem Parteiausschlussverfahren selbst überrascht. Die Vincentz-Mehrheit hat schon früh mehr oder minder subtil anklingen lassen, dass man zeitnah gegen mich vorgehen werde.
Beobachter sprechen von einem Machtkampf zwischen Ihnen und den nach eigener Darstellung gemäßigten Akteuren um Martin Vincentz. Wie sehen Sie die aktuelle innerparteiliche Situation in NRW?
Exakt. Es handelt sich um einen ordinären Machtkampf. Ich gestehe Martin Vincentz nun durchaus zu, dass er sich tatsächlich als Vertreter eines „liberal-bürgerlichen“ Lagers begreift. Schließlich war er einer der lautesten Unterstützer von Jörg Meuthen und dessen Kurs. Ihm haben sich auch weitere Protagonisten angeschlossen, die früher als Unterstützer von Marcus Pretzell oder Markus Scheer, einem der Initiatoren von Bündnis Deutschland, in Erscheinung getreten sind.
Ich vermisse bei unseren „Liberalen“ oftmals jedoch ideengeschichtliche und weltanschauliche Inhalte hinter den großen Schlagworten. Politische Theorie wird hier zugunsten eines leidenschaftlichen Kampfes gegen rechts vernachlässigt. Vincentz nennt das wortwörtlich die letzten „Brandmauern“ in der Partei. Das Besondere an dem Bündnis von Martin Vincentz ist nun aber, dass sich hier auch Personen einreihen, die nach eben jenen Maßstäben von Vincentz eigentlich nicht zur Partei gehören dürften.
Vincentz erwähnte Verbindungen Ihrerseits zu „rechten“ Ideologien und Akteuren. Wie reagieren Sie auf diese Vorwürfe und wie würden Sie Ihre politischen Überzeugungen beschreiben?
Darin erkenne ich keinen Vorwurf, den ich entkräften müsste. Ich bin rechts, mache rechte Oppositionspolitik und kämpfe für eine breite Bewegung, deren wertvoller Teil Vorfeldakteure, wie das ehemalige IfS, der Jungeuropa Verlag, FREILICH oder der Heimatkurier sind. Die Wertungen des sogenannten „Verfassungsschutzes“ sind für mich kein Maßstab.
Es wird behauptet, das Parteiausschlussverfahren diene auch dazu, Ihre Kandidatur für den Bundesvorstand zu verhindern. Am Wochenende wird in Essen ein neuer Bundesvorstand gewählt, an dessen Wahl Sie wegen des Entzugs Ihrer Mitgliedsrechte wahrscheinlich nicht teilnehmen können. Könnten Sie das bitte erläutern?
Ja. Es geht meiner Ansicht darum, Kandidaturen für Vorstände und um Listenplätze für die Bundestagswahl durch Missbrauch des Parteiordnungsrechts zu verhindern. Der Sprecher des AfD-Bezirksverbandes Arnsberg, Christian Zaum, dem ebenfalls Kandidaturabsichten für die Bundesliste 2025 nachgesagt werden, ist kürzlich ebenfalls aus haarsträubenden Gründen einem Ausschlussverfahren zugeführt worden.
Ein Parteifreund scherzte jüngst, man möge beabsichtigte Kandidaturen in NRW niemandem mitteilen, da man andernfalls aus der Partei ausgeschlossen werde. Das beschreibt zugespitzt die gefühlte Atmosphäre in NRW unter Vincentz derzeit ganz gut.
Wie erklären Sie sich die Kritik von Parteikollegen und Beobachtern, Sie seien destruktiv und nicht teamfähig genug?
Martin Vincentz hat kürzlich Hans-Georg Maaßen eine Bühne im Düsseldorfer Landtag geboten. In einem „Team“, das auf schnelle Etablierung zielt, spiele ich nicht mit. Darüber hinaus nehme ich meine parlamentarische Arbeit ernst, bin geschätztes Mitglied meiner Dortmunder Ratsfraktion, bis zuletzt engagiertes Mitglied des dortigen Kreisvorstandes und habe über Jahre unentgeltlich Schulungen zur Kommunalpolitik angeboten. Ich werde auch bundesweit von Parteifreunden als Redner eingeladen.
Viele scheinen hier eine andere Sicht auf mich und mein Wirken zu haben.
Wie sehen Sie die Zukunft der AfD und welche Rolle sollte Ihrer Meinung nach der gemäßigte Kurs spielen, den Martin Vincentz vertritt? Dieser sprach im Interview mit dem Meinungsvlogger Peter Weber über einen „liberal-national-demokratischen Weg“. Bitte stellen Sie auch Ihre Vision der AfD in NRW vor.
Ich kämpfe für eine AfD der außergewöhnlichen Rhetoren, der schillernden Charakterköpfe und Idealisten. Dazu zähle ich Dr. Maximilian Krah UND René Aust, Dr. Alice Weidel, Björn Höcke, Sebastian Münzenmaier, René Springer, Katrin Ebner-Steiner und viele weitere. Die laue Herrschaft der Mittelmäßigen und Verzagten, die Futtertrogsmentalität und die Feigheit vor dem Konflikt mit dem politischen Gegner lehne ich ab.
Und einmal grundsätzlich gefragt: Wir stehen einem Machtblock der Etablierten gegenüber, der mit brachialer Rücksichtslosigkeit alles Deutsche in den nächsten zehn Jahren aus der Weltgeschichte verschwinden lassen will. Was soll hier „Mäßigung“ bedeuten? Das kleine Korrektiv zum Projekt der Globalisten? Ich sage: Wir müssen grundsätzlich sein, wenn wir eine echte Opposition sein wollen.
Haben Sie eine Botschaft an die Mitglieder der AfD, die vielleicht unsicher sind, welchen Kurs sie unterstützen sollen?
Wenn wir von der FPÖ lernen wollen, dann doch insbesondere von Herbert Kickl: Wer sich distanziert, verliert! Ich stehe für einen Kurs einer weltanschaulich gefestigten, grundsätzlich orientierten und dezidiert rechten Opposition, die ihre Reihen endlich schließt und ihre Kräfte gegen den politischen Gegner richtet.
Herr Helferich, vielen Dank für Ihre Antworten
Zur Person:
Matthias Helferich, geboren 1988, ist ein Rechtsanwalt aus Dortmund. Bei der Bundestagswahl 2021 zog er über die Landesliste der AfD Nordrhein-Westfalen in den Bundestag ein. Anfang 2024 wurde er in den Landesvorstand der AfD Nordrhein-Westfalen gewählt.