Intelligent, sauber, harmlos? Wie Berlin die Rattenplage schönredet
Berlin wird von einer wachsenden Rattenplage heimgesucht, doch statt mit konsequenter Bekämpfung zu reagieren, betreiben die Behörden Imagepflege.
Berlin hat schon seit einiger Zeit mit einer Rattenplage zu kämpfen.
© IMAGO / dts NachrichtenagenturBerlin. – Die deutsche Bundeshauptstadt erlebt eine wachsende Rattenplage. In fast allen Bezirken Berlins häufen sich die Meldungen über einen Befall durch die Nager. Jährlich erreichen die zuständigen Gesundheits- und Grünflächenämter Tausende Hinweise. Das Ausmaß geht aus einer Antwort des Senats auf eine Anfrage der Grünen hervor, wie Tag24 berichtet.
Vor allem in Friedrichshain-Kreuzberg werden Orte wie die Kottbusser Brücke, der Traveplatz, der Boxhagener Platz und der Lausitzer Platz als Hotspots genannt. Doch auch in den anderen Berliner Bezirken Mitte, Tempelhof-Schöneberg, Treptow-Köpenick, Reinickendorf und Lichtenberg sind Ratten an bestimmten Orten ein ernstzunehmendes Problem. Lediglich Spandau bleibt bislang verschont.
Müll und Fütterung als Hauptursache
Ein zentrales Problem ist demnach das Verhalten der Bevölkerung. Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf erklärt: „Hauptursache für die hohe Rattenpopulation ist die permanente Verschmutzung der Anlagen durch Speisereste/ Taubenfütterung, die von Bürgern hinterlassen werden.“ In anderen Bezirken gelten ähnliche Faktoren. So verweist man in Friedrichshain-Kreuzberg auf „die zunehmende Verschmutzung und Verwahrlosung öffentlicher und privater Flächen“.
In Neukölln zieht sich der Befall von Wohn- bis zu Gewerbegebieten. In Marzahn-Hellersdorf werden jährlich rund 1.600 Meldungen registriert, in Neukölln und Mitte mehr als 1.000, in vielen weiteren Bezirken bewegen sich die Zahlen um die 500 Meldungen pro Jahr.
Trotz der bekannten Problemlage zeigt die Bekämpfung bislang nur wenig Erfolg. Bereits für das Jahr 2023 war ein Runder Tisch zur Rattenbekämpfung angekündigt. Der Senat räumte nun ein: „Die Landestierschutzbeauftragte hatte einen Runden Tisch zum Thema Stadtratten geplant, konnte ihn aber nicht verwirklichen. Es gibt daher keine Ergebnisse zu berichten.“
Positive Imagekampagne für Ratten
Parallel zur Schädlingsbekämpfung setzt die Stadt auf ein ungewöhnliches Kommunikationsprojekt: Auf einem eigens eingerichteten „Wildtierpfad” sollen Berliner ihre Angst vor Ratten verlieren. Unter dem Motto „Ratte – intelligent, sozial und überraschend sauber“ wird das Tier als Teil der städtischen Umwelt präsentiert.
Am Hardenbergplatz beim Zoo wirbt eine Plakette mit der Aufschrift: „Wusstest du, dass Ratten sehr sauber sind? Sie putzen sich mehrmals täglich und verbringen oft mehr Zeit mit Körperpflege als Katzen.“
Auch auf der offiziellen Website der Stadt wird der schlechte Ruf der Tiere relativiert: „Die Vorstellung, dass Ratten schmutzig seien, kommt daher, dass sie häufig dort leben, wo es für Menschen ungemütlich ist: in Abwasserkanälen, Kellerschächten oder Müllräumen. Doch das macht sie nicht unsauber – im Gegenteil: In ihrer Gruppe achten Ratten sogar aufeinander und helfen bei der Fellpflege.“
Außerdem, so die Organisatoren, würden Ratten zu den ältesten „Begleitern“ des Menschen zählen, insbesondere in Berlin, wo sie ideale Lebensbedingungen vorfinden. „Essensreste, offene Mülltonnen, dicht bebaute Areale mit vielen Verstecken. Deshalb kommen sie häufig vor“.
Gesundheitsrisiken bleiben ausgeblendet
Die Informationskampagne verschweigt jedoch zentrale Risiken. Ratten gelten als bedeutende Krankheitsüberträger. Salmonellen, Leptospiren oder Toxoplasmen können auch auf Menschen übertragen werden. Bereits durch Rattenausscheidungen kontaminierter Staub kann Infektionen auslösen. Zudem spielen die Tiere eine wichtige Rolle bei Epidemien unter Tieren, wie beispielsweise der Schweinepest.