Kolumne: Hofer, der Bevölkerungsaustausch und die linke Deutungshoheit
In einem Interview mit dem linksliberalen Standard gab Neo-FPÖ-Chef Norbert Hofer zu Protokoll, den Begriff „Bevölkerungsaustausch“ auszurangieren. Diese Ankündigung kann allerdings auch dann ein Eigentor sein, wenn sich inhaltlich nichts ändert.
Kommentar von Julian Schernthaner.
Gerade nach den verheerenden Aussagen des Ibiza-Videos ist es verständlich, wenn der Nachfolger von Heinz-Christian Strache etwas sanftere Töne anschlägt. Und Wirtshauspolterer war der sanftmütige Burgenländer Norbert Hofer auch in der Vergangenheit keiner. Dennoch ist es nötig, die alte Leier zu bespielen: Es bringt nichts, auf Biegen und Brechen feindlich gesinnten Akteuren gefallen zu wollen.
Anbiederung ist keine staatsmännische Geste
Außerfrage steht, dass die beinahe staatsmännische Besonnenheit Hofer eine Beliebtheit jenseits des eigenen Lagers beschert. Auch ich zähle mich traditionell zu den Menschen, die gar nicht anders können. Ich empfinde den vierfachen Familienvater, der nach schwerem Schicksalsschlag nicht als gezeichneter Mann, sondern aufrichtiger Kämpfer für seine Heimat aufstand, als sympathischen Menschen.
Und als passionierter Liebhaber öffentlichen Nahverkehrs und vehementer Umweltschützer treffen seine Pläne in diesen Themen bei mir auf offene Ohren. Weniger Freude bereitete mir allerdings schon in der Vergangenheit sein Umgang mit der patriotischen Zivilgesellschaft und Medien in diesem Sektor. Schon damals richtete ich mahnende Worte in seine Richtung – leider verhallten sie ungehört. Der neue FPÖ-Chef macht denselben Fehler, den Konservative seit Jahrzehnten machen: Er biedert sich an.
„Bevölkerungsaustausch“ kein „rechtsextremer Terminus“
Denn während er mit patriotischen Medien „nicht im selben Boot, nicht einmal im selben Meer“ sitzen möchte, plaudert er beim Falter und beim Standard aus dem Nähkästchen wie mit alten Klassenkameraden. Er lässt sich erneut eine Distanzierung ohne Not von den medial übermäßig verrissenen Identitären – seine persönliche Abneigung sei ihm unbenommen – abringen. Und letztendlich lässt er sich einen Abstand zu einem hauseigenen Begriff aufschwatzen – Die Tagesstimme berichtete.
Als studierter Sprachwissenschaftler weiß ich trefflich um die Macht der Worte. Und gegen taktische Abrüstung selbiger spricht freilich nichts, solange der Inhalt stimmt. Allerdings ließ er auch den Standard-Vorwurf, beim Wort „Bevölkerungsaustausch“ handle es sich um einen „rechtsextremen Terminus“, unwidersprochen. Das ist besonders deshalb fatal, weil sein langjähriger Vorgänger, unter dessen Ägide Hofer ja auch die Parteilinie mitschrieb, diesen unlängst freimütig gebrauchte.
Das Overton-Fenster wandert nach links
Und damit sendet er gefährliche Signale – ins eigene Lager, aber auch auf die Gegenseite. Medien, die ihm ohne mit der Wimper zu zucken einen Skandal zimmern würden, können mit ihm Schlitten fahren. Gestern ‚Heuchler‘ und aufgrund burschenschaftlichen Engagements vermeintlicher Ablehner der österreichischen Nation – heute beste Freunde. Bloß, so läuft das nicht.
Ab dem Zeitpunkt, wo er die Deutung des „Bevölkerungsaustausches“ als rechtsextremen Begriff abnickt, gilt die gesamte Strache-Ära als „rechtsextrem“ – das Overton-Fenster gleitet weiter nach links. Freiheitliche, die ihn fortan gebrauchen, können sich nicht auf die Billigung des Parteichefs berufen, sondern müssen von der „Änderung der Struktur der Bevölkerung“ als Maximaläußerung sprechen. Oder riskieren, das nächste medial inszenierte ‚Rattengedicht‘ der FPÖ zu werden.
Diskurs über demographische Veränderung in Gefahr
Und weil es von der vermeintlich „rechtsextremen“ FPÖ kommt, wäre selbst das per definitionem schon wieder kritikwürdig. Die Schere dieses Zirkelschlusses geht dann ein paar Mal auf und zu – bis irgendwann auch eine inhaltliche Debatte ohne Zungenakrobatik völlig unmöglich ist. Denn es geht ihnen nicht darum, ob man das Phänomen nun als „Bevölkerungsaustausch“ oder „Strukturwandel“ bezeichnet. Der Diskurs darüber ist es, welchen sie im Keim ersticken wollen. Und daraus machen sie auch keinen Hehl.
Wie Bernhard Weidinger vom DÖW nämlich im Frühjahr in einem News-Interview sagte: „Da ist zunächst diese Grunderzählung […] wonach in den westlichen Ländern die angestammte Bevölkerung sukzessive durch zugewanderte Menschen ersetzt werden […] Man nimmt die erhöhte Diversität nicht einfach zur Kenntnis, sondern zeichnet sie in katastrophischen Farben.“ Und ja, dazu gehören auch die von Hofer weiterhin erwünschten Debatten, ob jemand im Gemeindebau der einzige mit deutscher Muttersprache ist.
Linker Journalist will Patrioten „ausgrenzen“
Tatsächlich ist es nämlich eine andere Episode aus dieser Woche, welche aufzeigt, dass es nicht um Worte, sondern um Deutungshoheit über Inhalte geht. Denn als Sebastian Kurz zum dritten ÖVP-Spitzenpolitiker binnen kurzer Zeit wurde, der dem patriotischen Magazin Info-DIREKT – übrigens keine Bootslektüre Hofers – ein Interview gab, platzte einem Journalisten der zu 100 Prozent staatlichen Wiener Zeitung auf Twitter der Kragen.
Denn für Werner Reisinger handelt es sich bei der gesamten patriotischen Publizistik um rechtsextreme „Hassmedien“. Diese gehören für ihn „ausgegrenzt“, denn „Rechtsextreme gehören wie Rechtsextreme bewertet“, da gebe es „kein Durchkommen“. Und wer rechtsextrem sei, bestimmen „renommierte Wissenschaftler aus dem In- und Ausland“. Sprich, sofern er das DÖW mitmeint, gehört auch die FPÖ – für diese Einrichtung eine „rechtsextreme Partei“ – ausgegrenzt.
Linke dürfen Vokabular nicht vorschreiben!
Und genau von dieser Blase darf man sich als Rechter niemals vorschreiben lassen, welcher Sprachgebrauch zulässig ist, andernfalls wittern sie Morgenluft. Herr Hofer, wenn Sie sich von linken Journalisten und Medien das Vokabular diktieren lassen, wird die FPÖ keine patriotische Wende herbeiführen, sondern als politisches Pausenhofopfer in die Geschichte eingehen. Ihre 46 Prozent aus dem Präsidentschaftswahlkampf können Sie sich dann einrahmen gehen – denn in Schönheit gestorben ist leider auch politisch mausetot.
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FPÖ‐Chef Hofer will nicht mehr von „Bevölkerungsaustausch” sprechen (26.6.2019)
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