Kurz will Kickl entlassen und blaue Minister durch Experten ersetzen
In einer weiteren Pressekonferenz äußerte sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) über die alles entscheidende Frage, wie es bis zu den Neuwahlen voraussichtlich im Herbst mit der Regierungsarbeit weitergeht.
Wien. – Als Sebastian Kurz gegen 18.30 Uhr vor die versammelten Pressevertreter tritt, verkündet er, dass er dem Bundespräsidenten die Entlassung von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) vorschlagen wird. In der Erwartungshaltung, dass nun alle weiteren blauen Minister geschlossen zurücktreten werden, sollen Experten und Spitzenbeamte diesen nachfolgen.
Absolute Einmaligkeiten in zweiter Republik
In beiden Fällen handelt es sich um ein absolutes Novum in der Zweiten Republik. Bislang war es seit 1945 nie geschehen, dass ein Bundeskanzler dem Staatsoberhaupt die Entlassung eines Bundesministers vorschlug. Auch ein Expertenkabinett – wenn auch ein nur ein ‚halbes‘ – stellt einen absolut einmaligen Schritt dar. Zuletzt war ein solches in der Zwischenkriegszeit im Amt.
Zuvor hatte sich Kurz bereits über die angedachte Bestellung des Kickl-Vertrauten Peter Goldgruber zum Generaldirektor für öffentliche Sicherheit als Nachfolger für die scheidende Michaela Kardeis echauffiert. Am Nachmittag versagte dann Bundespräsident Alexander van der Bellen diesem Vorschlag seine Zustimmung. Weil Goldgruber seinen Posten allerdings bereits antrat, muss das Vorgehen nun dienstrechtlich geprüft werden.
Bundespräsident: Volkspartei wollte Befugnisse einst einschränken
Kurios an all diesen Ankündigungen ist unterdessen, dass sich im Jahr 2017 ausgerechnet die ÖVP gemeinsam mit NEOS, Grünen und SPÖ für eine Einschränkung der Kompetenzen des Bundespräsidenten starkmachte. Ebenso ironischerweise sprach sich insbesondere die FPÖ dagegen aus – der von van der Bellen geforderte Allparteienkonsens kam damit nicht zustande.
Unter den einzusparenden Befugnissen befand sich etwa die Kompetenz eines Staatoberhaupts, die gesamte Regierung zu entlassen. Bei einzelnen Mitgliedern – wie im Fall Kickl – geht dies allerdings bereits bislang nur auf Vorschlag des Bundeskanzlers. ÖVP und SPÖ sprachen sich dabei außerdem für eine Aufhebung des Beamtenernennungsrechts wie im Fall Goldgruber aus. Diese Feststellungen stellte bereits ein Journalist der Rechercheplattform Addendum auf Twitter detailliert heraus:
Erinnert sich noch wer daran, dass SPÖ, ÖVP und die Grünen kurz bevor 2017 die Regierung geplatzt ist, die Rechte des Bundespräsidenten beschneiden wollten, die Regierung zu entlassen?https://t.co/blMCLjJ6yD
— Moritz Moser (@moser_at) 20. Mai 2019
Kurz überlegte bereits 2017 ein Expertenkabinett
Nun gilt es zu klären, welche Experten und Spitzenbeamten im wahrscheinlichen Fall des vollständigen blauen Ausscheidens aus der Regierung nachfolgen. Die meisten Beobachter sind sich unterdessen einig, dass Kurz damit auch zu erwartenden inhaltlichen Konfrontationen innerhalb der endenden Regierung vorbeugen will.
Übrigens: Bei der Idee eines Expertenkabinetts bei gleichzeitigem freien Spiel der Kräfte im Parlament handelt es sich um keine neue Idee des Kanzlers. Bereits im Vorfeld der Nationalratswahl 2017 kokettierte Kurz mit dieser Möglichkeit, insofern bei einem Wahlsieg keine stabile Koalition zustande käme.
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