Lauter Pannen vor Wien-Terror: Erneut Rücktritt von Nehammer gefordert
Eine Woche ist nun seit dem fürchterlichen Anschlag in Wien vergangen. Und beinahe täglich geratene neue Informationen an die Öffentlichkeit, die ein Behördenversagen nahelegen.
Wien. – Wie mittlerweile bekannt wurde, dürfte der Attentäter vom Allerseelentag sich im Juli mehrmals mit in der Schweiz wohnhaften Islamisten getroffen haben. Nur wenige Tage später versuchte er, sich in der Slowakeimunition zu beschaffen – wie Tagesstimme berichtete, waren heimische Behörden bereits im September über diesen Umstand unterrichtet, unternahmen aber nichts. Nach der Häufung von Pannen im Einflussbereich des Innenministeriums werden nun erneut Rufe nach einem Rücktritt des türkisen Ressortchefs Karl Nehammer laut.
Kickl sieht „versuchte Vertuschung“ und „klaren Rücktrittsgrund“
Die Ansicht, das ein solcher notwendig wäre vertrat sein blauer Vorvorgänger im Amt, Herbert Kickl, bereits vor Tagen. Der FPÖ-Klubobmann wiederholte seine Forderung am Sonntag, sprach in einer Aussendung von einem „Mosaik des Versagens“. Es sei naheliegend, dass der bereits einschlägig vorbestrafte Terrorist „seinen Tatplan unter den Augen des heimischen Verfassungsschutzes geschmiedet“ habe.
Alleine dieser Umstand wäre dem freiheitlichen Politiker zufolge „für einen Innenminister, der zumindest Restbestände von politischer Verantwortung in sich fühlt, ein klarer Rücktrittsgrund“. Darüber hinaus gäbe es aber sogar noch eine „versuchte Vertuschung“, da sowohl der versuchte Munitionskauf als auch die Treffen mit Gesinnungsgenossen erst durch intensive Recherchen seits von Medien und der Opposition als Tageslicht gerieten.
Nehammer soll „Weg für echte Aufklärung freimachen“
Wenn Nehammer nach diesen Vorgängen im Amt bleibe, gelte das laut Kickl auch für die Beamten in dessen Umfeld, welche mehr Interesse daran haben könnten, „ihr eigenes Versagen zu verheimlichen, als Aufklärung zu betreiben“. Aus diesem Grund müsse Nehammer gehen und „den Weg für echte Aufklärung und eine Neuaufstellung des gesamten Innenministeriums im Kampf gegen den islamistischen Terror freimachen“, so der FPÖ-Politiker über seinen Amtsnachfolger.
Volkspartei schiebt Kickl den schwarzen Peter zu
Nichts von einer Schuldzuweisung will man indes bei der ÖVP wissen, in der Kanzlerpartei sieht man die groben Ermittlungspannen als Folgeerscheinungen von Altlasten. Klubchef Wöginger zufolge zeige die Einsetzung einer Untersuchungskommission durch Justiz- und Innenministerium vielmehr ein „rasches und effizientes“ Handeln der Regierung auf den Anschlag und die Fehler im Vorfeld. Kickl verbreite angeblich „häppchenweise Fake-News […], um damit den Innenminister anzugreifen.“
Weiters ist der türkise Politiker der Ansicht, dass Kickl das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) durch eine Razzia im März 2018 „gelähmt“ habe. Dabei stützte er sich auf den Umstand, dass die Durchsuchungen teilweise später von einem Gericht für ungerechtfertigt erklärt wurden. Den im Raum stehenden Vorwurf „schwarzer Netzwerke“ in der Behörde, mit denen Kickl lediglich aufräumen wollte, schien der zugehörige Untersuchungsausschuss nach einer Deutung durchaus zu erhärten.
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