Freilich #32: Süchtig nach dem Kick

Macht im Bund, Ohnmacht in der Hauptstadt: Die Wiener ÖVP

Die Wiener ÖVP kämpft mit Skandalen, Glaubwürdigkeitsproblemen und sinkenden Umfragewerten. In der roten Hochburg Wien droht sie in der Bedeutungslosigkeit zu versinken.

Analyse von
25.3.2025
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3 Minuten Lesezeit
Macht im Bund, Ohnmacht in der Hauptstadt: Die Wiener ÖVP

In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob es dem Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer gelingt, seine Partei aus der Krise zu führen.

© IMAGO / SEPA.Media

Die Österreichische Volkspartei (ÖVP) in Wien blickt auf eine lange Geschichte zurück, die allerdings kaum an die Erfolge auf Bundesebene anknüpfen kann. Sowohl in der Ersten Republik (noch unter dem Namen „Christlichsoziale“) als auch in der Zweiten Republik galt die Bundeshauptstadt als unerschütterliche sozialdemokratische Hochburg. Seit dem Erstarken der Freiheitlichen ab den 1990er Jahren als nationalkonservative Alternative scheint die Hoffnung der ÖVP auf den ersten Platz in Wien endgültig gestorben zu sein. Worauf ist die Ohnmacht der ÖVP in Wien zurückzuführen? Und welche Perspektiven hat sie für die kommenden Wahlen?

Historischer Hintergrund

Die ÖVP hat ihre Wurzeln in der Christlichsozialen Partei, die von 1896 bis 1919 den Wiener Bürgermeister stellte. Hervorzuheben ist Karl Lueger, der von 1897 bis 1910 im Amt war. Trotz der Ablehnung seiner Person durch heutige Historiker werden ihm von der Geschichtswissenschaft viele politische Leistungen zugeschrieben. Er prägte die Stadt nachhaltig durch seine infrastrukturellen und sozialen Reformen.

Lueger trieb den Ausbau der Wasserversorgung voran, etwa durch den Bau der Zweiten Wiener Hochquellenleitung, und verbesserte die städtische Gas- und Elektrizitätsversorgung, was die Lebensqualität erheblich verbesserte. Zudem förderte er den sozialen Wohnbau und die Verkehrserschließung, etwa durch die Elektrifizierung der Straßenbahn, und legte damit den Grundstein für das moderne Wien. Die Herrschaft der Christlichsozialen endete jedoch mit dem Ersten Weltkrieg.

Ab 1919 wurde die SPÖ bei jeder Wahl stärkste Kraft und stellte den Bürgermeister. Dies endete erst mit der Abschaffung der parlamentarischen Demokratie durch die Christlichsozialen 1933 und der Einführung der Ständeverfassung 1934. Nach dem Zweiten Weltkrieg, 1945, etablierte sich die ÖVP in ihrer heutigen Form und war vor allem in ländlichen Gebieten und bei konservativen Wählern eine wichtige politische Kraft. In Wien hingegen war die SPÖ die dominierende Kraft, die ÖVP spielte meist die Rolle der zweitstärksten Partei im Gemeinderat. Die Landespartei kam in ihren besten Zeiten auf 30 bis 35 Prozent, war aber nie eine Gefahr für die rote Bastion.

Wenig Popularität, viele Skandale

Obwohl die ÖVP Wien in den letzten Jahren stets in der Opposition war und keine Regierungsmacht besaß, sorgte sie immer wieder für negative Schlagzeilen. Unabhängig von den zahlreichen Skandalen der Bundespartei in Vergangenheit und Gegenwart, die sich auch auf die Stimmung in Wien auswirkten, hatte auch die Landespartei mit Skandalen zu kämpfen. Die Wiener ÖVP geriet in den letzten Jahren immer wieder durch Korruptionsvorwürfe und fragwürdige Finanzpraktiken in die Schlagzeilen.

Besonders brisant ist die Wienwert-Affäre, die zur Anklage gegen den Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer führte. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft ihm und seiner Frau vor, über eine PR-Agentur Zahlungen von der Immobiliengesellschaft Wienwert erhalten zu haben, ohne dafür entsprechende Gegenleistungen erbracht zu haben. Der Schaden beläuft sich laut Ermittlungen auf rund 70.000 Euro.

Zuvor war mit dem ehemaligen Finanzminister und ÖVP-Politiker Gernot Blümel eine zentrale Figur der Wiener ÖVP ins Visier der Justiz geraten. Eine Hausdurchsuchung im Februar 2021, bei der Blümels Ehefrau mit dem Laptop ihres Mannes unterwegs war, sorgte für politische Turbulenzen. Die WKStA ermittelte gegen Blümel wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Bestechung zugunsten des Glücksspielkonzerns Novomatic. Obwohl Blümel alle Vorwürfe bestritt, haben diese Affären dem Ansehen der Wiener ÖVP schwer geschadet.

Die „Austro-Ampel“

Wien gilt als Hochburg der Massenmigration und hat österreichweit den höchsten Anteil an Ausländern (Stand 2023: 34,25 Prozent) und Menschen mit Migrationshintergrund (Stand 2023: 49,67 Prozent). Als Oppositionspartei kritisiert die Volkspartei häufig die SPÖ-geführte Stadtregierung. Rhetorisch nähert sie sich der FPÖ an, doch für viele ist diese Vorgangsweise unglaubwürdig, da die ÖVP ihre Bundespolitik dabei völlig ausklammert – obwohl diese maßgeblich zu den Missständen in Wien beiträgt. Dieser Widerspruch zwischen lokaler Kritik und nationaler Politik sorgt für anhaltende Diskussionen

Seit einigen Wochen bildet die Bundes-ÖVP eine Koalition mit SPÖ und NEOS. Deren Tragfähigkeit wird von einigen Beobachtern aufgrund der geringen Legitimation und der inhaltlichen Differenzen der Koalitionsparteien in Frage gestellt. Etwas anders stellt sich die Situation in Wien dar: Bei den Landtagswahlen 2020 verdoppelte die ÖVP – von der Schwäche der Freiheitlichen profitierend – ihren Stimmenanteil und rückte auf den zweiten Platz hinter der SPÖ vor. Aktuelle Umfragen sehen die Volkspartei allerdings im Kampf um die Zweistelligkeit. Dies liegt zum einen am Wiedererstarken der Freiheitlichen, zum anderen an Skandalen und bundespolitischen Entwicklungen.

Ausblick: Eine Partei im Niedergang?

Während sich Wien auf die Gemeinderatswahlen 2025 vorbereitet, steht die ÖVP an einem kritischen Punkt. Die Partei muss die Skandale, die sie belastet haben, aufarbeiten und ein Programm anbieten, das bei den Wiener Wählern ankommt. Die Betonung konservativer Werte und eine strikte Einwanderungspolitik werden trotz der Popularität dieser Positionen wegen mangelnder Glaubwürdigkeit kritisiert. Die Verbindung der Partei mit Korruption und Klientelismus hat das Vertrauen der Wähler weiter untergraben. Die Frage bleibt: Ist die „schwarze“ Partei dazu verdammt, im „roten“ Wien in der Bedeutungslosigkeit zu versinken? Es stellt sich auch die Frage, ob es überhaupt eine demoskopische Notwendigkeit für die Existenz der ÖVP in Wien gibt. Schließlich wird das oppositionelle, rechtskonservative Wählermilieu bereits weitgehend von den Freiheitlichen bedient.

Über den Autor

Christoph Albert

Christoph Albert, Jahrgang 2003, ist Student aus Wien.

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