Marvin T. Neumann: „Die Neutralisierung der Völker betrifft ganz Europa“
Im Interview mit FREILICH spricht Marvin T. Neumann über die Einstufung der JA als „gesichert rechtsextremistisch“ und über die Frage, warum der ethnische Volksbegriff für den Verfassungsschutz eine derart zentrale Rolle spielt.
FREILICH: Herr Neumann, die Junge Alternative wurde nun also vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistische Bestrebung hochgestuft. Sind Sie als ehemaliger Bundesvorsitzender der Jungen Alternative (JA) überrascht?
Marvin T. Neumann: Wir haben diesen Schritt natürlich erwartet. Die meisten relevanten Stimmen haben sich zu diesem Vorgang ja auch schon geäußert. Im Prinzip ist das Spielbuch des Inlandsgeheimdienstes schon jedem bekannt. Jetzt wird halt im Sinne der Salami-Taktik Stück für Stück von der patriotischen Opposition mit dem Label der „gesicherten rechtsextremistischen Bestrebung“ gebrandmarkt, natürlich um zum Schluss die AfD in Gänze zu neutralisieren. Und wenn es für ein Parteiverbot nicht reicht – immerhin ist die AfD bundesweit vor den Grünen und im Osten in mehreren Bundesländern Spitzenreiter –, dann wird man zumindest den Zufluss von Staatsgeldern kappen, Stichwort: Demokratiefördergesetz.
Es handelt sich hier zweifelsohne um die gezielte Zersetzung der inländischen Opposition, so einfach ist es letztendlich auf der technischen Ebene. Wenn man ausländischen Freunden von anderen europäischen Rechtsparteien erklärt, dass der Inlandsgeheimdienst hierzulande so einfach die Opposition kriminalisieren und bekämpfen kann, dann erntet man in der Regel bloß schockierte Blicke. Aber so ist das nun mal.
Ist der Verfassungsschutz demnach ein Regierungsschutz, wie viele AfD-Politiker behaupten?
Durchaus, aber im Prinzip ist diese Bezeichnung auch verkürzt. Der Inlandsgeheimdienst ist natürlich dem Innenministerium unterstellt und selbst durch und durch politisiert. Die Linie unter Nancy Faeser ist dementsprechend noch einmal deutlich linker und radikaler. Aber wenn es allein um die Regierung ginge, dann würde sich die Argumentation zumindest je nach Koalition unterscheiden. Aber auch im NPD-Verbotsverfahren von 2017, als das Innenministerium von der CDU geführt wurde, stützte man sich auf die Kriminalisierung des ethnischen Volksbegriffs, genau wie jetzt. Ebenso bei der Identitären Bewegung.
Damit sollen letztendlich alle Organisationen rechts einer längst entkernten CDU drangsaliert und bei Bedarf letztinstanzlich verboten werden. Ob NPD, IB oder Hans-Georg Maaßen – wer feststellt, dass ein deutsches Volk abseits der reinen Rechtsbestimmung existiert, der bewegt sich nun angeblich auf extremistischen Pfaden. Dass dieses Urteil mehrere Widersprüche produziert, ist dabei völlig egal.
Warum spielt denn der ethnische Volksbegriff eine dermaßen zentrale Rolle für den Verfassungsschutz? Und warum sollte die patriotische Opposition sich damit auseinandersetzen?
Weil nur durch die Neutralisierung des ethnischen Bewusstseins der einheimischen Mehrheitsgesellschaft das Projekt der „Vielfalt“ vollzogen werden kann, durch welches sich die jetzigen linksliberalen Eliten legitimieren. Ersteres ist als politische Form die Nation, letzteres das „historisch einmalige Experiment“ (Yascha Mounk). Und genau diese zwei politischen Visionen stehen hier im Konflikt. Im Prinzip will man ja auch nur dann nicht zwischen ethnischer Volkszugehörigkeit und rechtlicher Staatsangehörigkeit unterscheiden, wenn es um die Identität und die Interessen der autochthonen Mehrheitsgesellschaft geht. Und nur dann. Denn wenn man über Migranten und andere nichtdeutsche Bevölkerungsteile spricht, dann ist die ethnokulturelle Identität plötzlich sehr wohl real und auch die politische Vertretung partikularer Volksinteressen in Deutschland als „Minderheiteninteressen“ durchaus legal.
Das geht ja dann so weit, dass beispielsweise die Stadt Hannover ankündigte, eine Quote für Beamte mit Migrationshintergrund einführen zu wollen und entsprechende Bewerber dazu aufzufordern, ihre nicht-deutsche Abstammung nachzuweisen. Also überspitzt gesagt: Einen Anti-Ariernachweis vorzulegen.
Und das ist bei all diesen Entwicklungen stets der springende Punkt: Der negative Bezugspunkt zum Nationalsozialismus als zentrale Identitätsstiftung des liberaldemokratischen Staates. Die Bundesrepublik versteht ihre verfassungsrechtliche Ordnung bekanntlich im Rahmen der Vergangenheitsbewältigung als gegenbildlich identitätsprägend zum NS-Staat (nationalsozialistischer Staat). Und davon abgeleitet, hat sich ein allgemeiner, antifaschistischer Imperativ gebildet, der alle Diskurse und politischen Abläufe der BRD prägt.
Und natürlich muss man hier anmerken, dass der Antifaschismus in sich selbst ursprünglich eine linksextreme Ideologie verkörpert und nicht bloß eine neutral-wissenschaftliche Widerlegung des historischen Faschismus oder Nationalsozialismus darstellt. Vor allem bestimmte Elemente der Kritischen Theorie, des Poststrukturalismus, Frankfurter Schule usw. machten und machen den Antifaschismus aus. Das hat sich mit den immer radikaleren Entwicklungen der Kritischen Theorie – Critical Race Theory, Queer Theory usw. – dahin entwickelt, dass man jetzt das vollkommene Gegenteil einer karikativen Darstellung des NS-Volksbegriffs anstrebt.
Das bedeutet?
Zwischen „Es gibt kein deutsches Volk“ und Nürnberger Gesetze soll es keinen vermittelbaren Standpunkt mehr geben. Das sind die einzig denkbaren Pole, und je weiter sich die Gesellschaft von einem natürlichen zu einem politisch gesetzten, rechtspositivistischen Volksbegriff abkehrt, desto weiter entferne sie sich von einem möglichen Rückfall in den Nationalsozialismus (NS). Oder anders gesagt: Die Ordnung nach dem Zweiten Weltkrieg muss zwangsläufig auf die Aufhebung des ethnischen Volkes hinauslaufen, sonst hat sie in ihrem antifaschistischen Auftrag versagt. Das ist die Logik hinter diesem Urteil.
Und wer dem mit Fakten entgegentritt – selbst wenn sie aus der Bundesrepublik aus einer Zeit stammen, da man noch einen gesunden Bezug zum Eigenen pflegte, beispielsweise „völkische“ Äußerungen von Adenauer bis Schmidt, und dies offensichtlich nicht im Widerspruch zum Grundgesetz stand –, der wird dennoch der Rolle als Wegbereiter zu einem neuen Genozid bezichtigt. Man hat über die letzten Jahrzehnte also sukzessive alle Gewissheiten, überlieferten Traditionen und selbst objektive, anthropologische Fakten abgebaut und sich jetzt in einem totalitären Antiessenzialismus erschöpft.
Der mündet jetzt dann eben darin, dass es nicht nur keine ethnischen Deutschen oder menschlichen Rassen im Allgemeinen geben darf, sondern auch keine Geschlechter – weil das Kriterium der biologisch determinierten, vererblichen Form ja eben angeblich ein faschistoides Gesellschaftskonstrukt oder Hinterlassenschaft des Nationalsozialismus (NS) sei. Daran erkennt man auch, dass der Inlandsgeheimdienst der BRD eine vollkommen okkupierte Behörde ist, da sie der JA ein „biologistisches“ Gesellschaftsbild attestiert – ein Kampfbegriff, der selbst in linken Kreisen umstritten ist und mit Biologie nichts wirklich am Hut hat. Diese Konflikte stehen in einer noch mal größeren Spannung im Rahmen einer globalisierten Welt und geopolitischer Verschiebungen. Daher ist diese Fehlentwicklung auch ein gesamteuropäisches Problem und muss auch als solches begriffen werden.
Inwiefern ist dieses Problem ein „gesamteuropäisches“ Problem, wenn die Kriminalisierung des ethnischen Volksbegriffs so doch nur in der Bundesrepublik stattfindet?
Es ist ein gesamteuropäisches Problem, da die Volksneutralisierung eine Entwicklung ist, die nicht nur Deutschland betrifft, sondern die gesamte europäisch besiedelte Welt. Oder anders gesagt: Der Westen unter US-amerikanischer Führung betreibt quasi einen inneren Kampf gegen die ethnischen Stammgruppen seiner Gesellschaften. Das passiert in der BRD, in Frankreich oder in Australien gleichermaßen. Das kann man wie eine Art Autoimmunkrankheit der westlichen Zivilisation verstehen oder in Form der Wokeness als tragische Schlussentwicklung eines bestimmten historischen Prozesses.
In jedem Fall gestaltet sich die politische Leitidee des woken Westens im frühen 21. Jahrhundert in Form einer liberalistisch-individualistischen Weltzivilisation, die sich nach innen und nach außen artikuliert. Also so wie die Russländische Föderation, der Iran, Indien oder China Zivilisationsstaaten eigener kultureller Wesensart sind oder zumindest zu sein versuchen, so betrachten die westlichen Eliten das eigene Modell als universelle, alles umfassende Menschheitszivilisation und damit als Blaupause für eine neue unipolare Weltordnung – das, was man oftmals als Globalismus bezeichnet. Und diese im Ursprung britische, dann amerikanische Ordnungsvorstellung negiert spätestens ab Roosevelt die Völker als organisch-ursprüngliche und nicht beliebig veränderbare Form menschlichen Daseins, denn die „liberale Weltordnung“ kennt primär nur Individuen.
Damit geriert sich der Westen sozusagen als „Raum ohne Volk“. Und das zeigt sich vor allem bei den aktuellen politischen Entwicklungen in der Bundesrepublik im Umgang mit volksbejahenden patriotischen Organisationen, die dieser globalistisch-westlichen Entwicklung mit der klaren Verortung des eigenen Volkes in der angestammten Heimat entgegentreten.
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Denn wenn die Mehrheit der Einheimischen dieses Spiel begreifen und erneut ein ethnokulturelles sowie darauffolgendes politisches Bewusstsein als Abwehrreflex entwickeln sollte, dann wäre ganz schnell Schluss mit dem Diversity-Regime. Deswegen muss aus Sicht der westlichen Eliten der natürliche Ethnozentrismus der einheimischen Mehrheitsgesellschaft unterdrückt beziehungsweise aberzogen und die demographische Fragmentierung vorangetrieben werden. Dahinter steckt auch weniger ein großer Masterplan, sondern mehr eine machtdynamische Entwicklung, sowohl im Westen selbst als auch im äußeren Konflikt des Westens mit neuen Machtpolen. Dass die Kollateralschäden – Messermorde, Terrorismus, Vergewaltigungen, ethnische Konflikte usw. – in Deutschland dabei zunehmen und deshalb die Kritik an diesem Gesellschaftsumbau ebenfalls vom Verfassungsschutz (VS) umso härter als „Hass“ bekämpft werden muss, das versteht sich dann auch von selbst. So sieht zumindest die politische Dimension dieser Entwicklung aus.
Daniel Fiß erklärte unlängst bei FREILICH, dass die Rechte sich in ihrer Theoriearbeit auf die Ausarbeitung eines Volksbegriffs für das 21. Jahrhundert konzentrieren müsse. Teilen Sie diese Auffassung?
Ja. Ich betone bereits seit Jahren, dass sich das Schicksal der AfD und letztendlich auch Deutschlands an der Volksfrage entscheiden wird – auch, wenn viele es einfach nicht hören wollen. Man muss sich als patriotische Opposition an dieser Konfliktlinie auf eine fundierte argumentative Verteidigung konzentrieren, denn genau über diesen Hebel soll die inländische Opposition neutralisiert werden. Und auch für Europa ist es die alles entscheidende Frage.
Wenn das Abendland als eigener Pol in einer multipolaren Weltordnung entstehen und bestehen will, dann muss es seine inneren nationalen Konflikte moderieren und den historischen Horizont seiner Zivilisation kanalisieren – und das bedeutet, die historisch gewachsenen Völker und Kulturen Europas als Träger eigener politischer Konzepte zu verstehen. Und das geht freilich nicht, wenn die Gesellschaften Europas ethnisch, demographisch und politisch balkanisiert wurden. Es geht hier also durchaus um die Zukunft Europas und es sind ironischerweise genau jene, die den Begriff Europa als politisches Schlagwort für sich beanspruchen, die es aktiv zugrunde richten.
Sie meinen damit die Befürworter der Europäischen Union und eines europäischen Integrationsprozesses im Sinne dieser Organisation?
Genau. Die transatlantische Provinzialität Europas wird mit diesem Ansatz nicht überwunden, sie wird zementiert. Die USA sind der militärische und machtpolitische Garant für die Existenz der EU als eben jene volksneutralisierend-globalistische Raum- und Zivilisationsidee. Ahistorisch, pathologisch hyperegalitär und in ihrem Universalismus global übergriffig erscheint die EU als Wurmfortsatz alter amerikanischer Außenpolitik. Natürlich ist unter diesem Produkt der Westbindung im Großen und Ganzen über Jahrzehnte hinweg der innereuropäische Krieg vermieden worden – mit wenigen Ausnahmen wie dem Jugoslawienkrieg – und natürlich ist der NATO-Schirm ein militärisch attraktives Angebot für viele europäische Staaten.
Doch zugleich sind die kulturellen Identitäten und die ethnisch-demographische Kohäsion vieler vor allem westeuropäischer Nationen in nur einem halben Jahrhundert nahezu irreparabel beschädigt worden. Und im Falle der Ukraine ist auch ein europäisches Volk als Spielball des geopolitischen Mächteringens letztendlich geopfert worden. Diese Entwicklungen sind natürlich nicht allein auf Washington zurückzuführen, aber in allem steckt ein Ausdruck europäischer Ohnmacht. Doch wenn die USA nicht länger über Europa bestimmen, wer dann? Es kann natürlich nur eine europäische Macht sein. Oder aber die Kooperation verschiedener europäischer Mächte.
Im Prinzip muss der Volksbegriff für das 21. Jahrhundert auch diese Fragen miteinbeziehen: Was ist zukünftig ein Volk, wer macht es aus und was ist ein europäischer Volksbegriff, auf den man sich beziehen kann? Aber der erste Schritt dahin ist natürlich, überhaupt die Existenz von unserem Volk gegen einen politischen Geheimdienst jener Eliten zu verteidigen, die mit dem deutschen Volk nichts mehr zu tun haben wollen und die den deutschen Nationalstaat nicht länger als Siedlungs- und Schutzraum der Deutschen begreifen.
Was bedeutet das für eine patriotische Opposition, wenn der eigene Staat „nicht länger als Siedlungs- und Schutzraum“ gilt?
Es bedeutet schlicht und ergreifend, dass wir als Deutsche, die sich noch als Deutsche begreifen und auch als solche in überlieferter Normalität in unserem Heimatland leben wollen, dies nicht länger dürfen. Als patriotischer Deutscher lebt man in der BRD sozusagen in der Diaspora. Natürlich werden wir hier nicht vertrieben, aber sobald man eben die eigenen gruppenbezogenen Interessen politisch artikulieren will, wird dies vom Staat als „extremistische Bestrebung“ bekämpft. Und natürlich muss man auch festhalten, dass wir allmählich zu tatsächlichen Bürgern zweiter Klasse degradiert werden – wenn es Quoten gibt, die unsere Repräsentation reduzieren soll, dann ist das schlicht und ergreifend die politische Diskriminierung einer bestimmten Volksgruppe – eben der deutschen Mehrheit.
Und das ist, wenn man sich die Schriftsätze des VS mal anschaut, in der Interpretation liberaldemokratischer Gesellschaftspolitik erlaubt und sogar gewünscht: Deutsche haben demnach kein Recht auf einen bestimmten Schutz und eine bestimmte Interessenvertretung, da diese so nur für Minderheiten zulässig sei. Auch ein entlarvender Tatbestand. Der Wesenszug unserer Gesellschaft als deutsche Nation wird mit der Propagierung einer „Willkommenskultur“ und der Identität als „Einwanderungsland“ samt darauffolgender Massenmigration aktiv verändert. Dagegen müssen wir uns politisch wehren, hier müssen die Ressourcen intensiv eingesetzt werden. Und das ist die Hauptkampflinie für jede Rechtspartei in Europa.
Herr Neumann, vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person:
Marvin T. Neumann, Jahrgang 1993, arbeitet als persönlicher Referent für den mitteldeutschen Bundestagsabgeordneten Hannes Gnauck. Zu seinen Interessengebieten zählen Geopolitik, politische Theorie und Literaturwissenschaft.
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