Nach FREILICH-Recherche: Streit zwischen AfD Hamburg und Bürgerschaftspräsidentin eskaliert
Seit einigen Wochen gibt es einen Schlagabtausch zwischen der AfD-Bürgerschaftsfraktion und der Bürgerschaftspräsidentin. Hintergrund ist das Vorgehen um durchgesickerte E-Mails mit kontroversem Inhalt von Hamburger Juristen. Nun eskaliert der Streit weiter.
Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Krzysztof Walczak, hatte in einer Sitzung die Namen der betroffenen Juristen aus den geleakten E-Mails genannt.
© IMAGO / Chris Emil JanßenHamburg. – In der Hamburger Bürgerschaft spitzt sich der Konflikt zwischen der AfD-Fraktion und Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit zu. Veit warf der AfD kürzlich vor, das demokratische System gezielt zu untergraben und staatliche Institutionen zu delegitimieren. Die AfD wiederum spricht von politischer Zensur und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Parlamentsverwaltung. Nun veröffentlichte die AfD eine Gegenerklärung zu Veits Vorwürfen.
Veit spricht von „Demontage“ der Demokratie
Carola Veit sieht in dem Vorgehen der AfD-Fraktion einen Angriff auf die demokratische Ordnung. „Es geht in Richtung Demontage unserer Demokratie“, sagte Veit der Deutschen Presse-Agentur. Die AfD versuche, sich als Opfer darzustellen und die Demokratie zu destabilisieren, statt parlamentarisch zu arbeiten. Besonders kritisierte Veit den Parlamentarischen Geschäftsführer der AfD, Krzysztof Walczak, der Mitarbeiter der Bürgerschaftskanzlei direkt angegriffen und ihnen „fehlende Rechtstreue, Zensur und letztlich mangelnde Einstellung zu ihrer Tätigkeit und zur Demokratie“ vorgeworfen habe.
Auslöser des Streits waren durchgesickerte E-Mails von Hamburger Richtern und Staatsanwälten, in denen sich die Juristen in dienstlicher Kommunikation abfällig über die AfD geäußert hatten (FREILICH berichtete exklusiv). Darin hatte einer der Juristen Vertreter der AfD unter anderem als „Faschisten“ bezeichnet. Die E-Mails wurden später in einem Antrag der AfD-Fraktion thematisiert. Die Bürgerschaftskanzlei schwärzte jedoch die Namen der betroffenen Juristen in der Parlamentsdatenbank – aus Datenschutzgründen. Die AfD wertete dies als unzulässige Zensur.
AfD sieht „politisches Manöver“ vor der Wahl
Die AfD-Fraktion wies Veits Vorwürfe jedenfalls scharf zurück und warf der Bürgerschaftspräsidentin vor, ihr Amt für politische Zwecke zu missbrauchen. „In dem Bestreben, als Parlamentspräsidentin wiedergewählt zu werden, wirft Frau Veit jetzt weitere Grundsätze einer neutralen und unparteilichen Amtsführung über Bord“, sagte der Fraktionsvorsitzende Dirk Nockemann ein einer Presseaussendung. „Mit AfD-Bashing will sie wohl ihre Chancen verbessern, erneut Parlamentspräsidentin zu werden“. Die AfD sieht in Veits Verhalten ein „durchschaubares politisches Manöver“ im Vorfeld der Neuwahl der Bürgerschaftspräsidentin.
Die Fraktion betonte, dass sie sich seit Jahren durch Anträge, Anfragen und Mitarbeit in den Ausschüssen aktiv parlamentarisch engagiere. „Eine politische Bewertung dieser Arbeit steht einer vermeintlich neutralen Parlamentspräsidentin im Übrigen nicht zu“, heißt es in der Gegenerklärung der Fraktionsführung.
Zensurmaßnahmen als Kern des Konflikts
Im Zentrum des Streits stehen Proteste der AfD gegen Entscheidungen Veits. Diese hatte die Namen von Richtern in den erwähnten geleakten E-Mails geschwärzt. Die Fraktion hatte lediglich eine Anhörung der Betroffenen beantragt, sieht sich aber durch Veits Interventionen behindert. „Die entsprechende Drucksache wurde im Hinblick auf die Namen der betroffenen Richter geschwärzt und sogar der Videomitschnitt einer Rede eines AfD-Abgeordneten, in denen er die in der Drucksache erwähnten Richter beim Namen nennt, nachträglich manipuliert“, heißt es in der Stellungnahme. Auch seien Beweismittel unzugänglich gemacht worden (FREILICH berichtete).
Veit bestreitet, dass es sich bei ihren Maßnahmen um Zensur handele – ein Vorwurf, den die AfD entschieden zurückweist. „Zensur ist die ‚von zuständiger, besonders staatlicher Stelle vorgenommene Kontrolle, Überprüfung von Briefen, Druckwerken, Filmen o. Ä., besonders auf politische, gesetzliche, sittliche oder religiöse Konformität‘“, zitieren sie die Definition aus dem Duden und sehen in Veits Handeln genau das.
Folgen für Abgeordnete
Die AfD kritisiert, Veit stelle die Rechte der Richter über die der Öffentlichkeit. „So wird der verfassungsrechtliche Schutz für wahrheitsgemäße Berichte über Geschehnisse im Parlament von Präsidentin und Bürgerschaftskanzlei ausweislich der mangelhaften Begründungen für diese Maßnahmen ignoriert (Artikel 16 der Hamburgischen Landesverfassung)“, betonen sie. Auch das Grundrecht auf freie Information sei verletzt: „Jeder hat das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten; Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz.“. Veits Argument, die Veröffentlichung schade Dritten, sei einseitig und lasse die Interessen der Wähler außer Acht.
Die Maßnahmen hätten auch praktische Folgen für die Abgeordneten. „Anders als Frau Veit es darstellt, gehört zur Wahrheit dazu, dass die Abgeordneten sich durch die von ihr und der Bürgerschaftskanzlei durchgeführten Zensurmaßnahmen nicht in gleicher Art über die zensierte Drucksache informieren können wie bei unzensierten Drucksachen“, beklagt die Fraktion. Der Antrag sei nicht wie üblich verteilt worden, sondern nur unter erschwerten Bedingungen einsehbar gewesen – ein Verfahren, das sonst nur bei sensiblen Dokumenten angewendet werde. Dies verkürze die Bedenkzeit und beeinflusse das Abstimmungsverhalten.
AfD will Einhaltung demokratischer Grundsätze
Die AfD sieht in Veits Vorgehen reine Willkür. „Die Fraktion hat die Präsidentin darauf hingewiesen, dass es inakzeptabel ist, wenn nach dem Prinzip ‚Erst zensieren, dann begründen‘ verfahren wird“, heißt es. Begründungen seien erst auf Druck der Fraktion nachgereicht worden – ein Vorgang, der eine Vorverurteilung belege. Die Kritik an der Bürgerschaftskanzlei sei außerdem stets sachlich und keinesfalls persönlich gewesen, betont die AfD.
Die Fraktion fühlt sich als Ziel einer Kampagne, obwohl sie nur auf Zensur reagiere. „Hier findet eine Täter-Opfer-Umkehr statt“, beklagen sie und verweisen auf Veits Brandmarkung ihres Protestes als „demokratiefeindlich“. Zudem zweifeln sie an Veits Unparteilichkeit: „Die Unparteilichkeit der Amtsführung von Frau Veit ist schon seit längerer Zeit nicht gegeben.“ Die Gegenerklärung schließt mit dem Hinweis, das Interesse der Fraktion sei es nicht, „Institutionen, vor allem das Parlament und seine Verwaltung, zu delegitimieren, sondern sie zur Einhaltung demokratischer Grundsätze anzuhalten“.