Nach Wahlerfolg: Grünen-Funktionär will „Kapitalismus anzünden“
Am Abend des grünen Wiedereinzuges in den Nationalrat sorgte ein grüner Jungfunktionär aus Niederösterreich mit einer radikalen Positionierung zum Kapitalismus für Debatten.
Wien/St. Pölten. – Am Wahlabend war die Euphorie bei den Grünen groß. Noch vor zwei Jahren unerwartet aus dem Nationalrat geflogen, kehrten sie nun mit dem Rekordergebnis von etwa 14 Prozent stärker denn je ins Hohe Haus zurück. Entsprechend groß war die Aufbruchstimmung an der Parteibasis – so auch bei Stephan Bartosch, dem Landessprecher der Grünen Jugend in Niederösterreich.
Grünen-Jungfunktionär: „Kapitalismus anzünden“
Auf Twitter ließ er anklingen, dass ihn das Comeback in der großen Parlamentskammer offenbar anspornt. Denn er stellte nicht weniger als das gesamte kapitalistische System infrage: „Next up: Kapitalismus anzünden“.
Als exemplarisch nannte er den Onlineversand-Riesen Amazon, welcher wegen möglicher Steuervermeidung derzeit weltweit in der Kritik, gerade aus dem kapitalismuskritischen Lager, steht. Die Grünen wiederum fordern sich seit Jahren vehement Maßnahmen gegen Steuerflucht.
So, @Gruene_Austria sind wieder drin. Next up: Kapitalismus anzünden. ?#TheWrongAmazonIsBurning#zurueckzudenGruenen ?#NRW19 #Wahl19
— Stephan Bartosch (@stephanbartosch) September 29, 2019
Prominente Twitter-Nutzer warnen ÖVP vor Koalition
Diese Positionierung sorgte in der Folge für einige Befremdung im sozialen Netzwerk. Dies galt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Mehrheit der politischen Kommentatoren in Österreich, eine türkis-grüne Koalition als mögliche und wahrscheinliche Regierungsform sehen. Die ÖVP von Sebastian Kurz verfolgt traditionell eine wirtschaftsfreundliche Politik.
Entsprechend mehrten sich auch die Stimmen, welche die Volkspartei angesichts der Bartosch-Aussage vor einem derartigen Bündnis warnten. Unter ihnen auch der wertkonservative Wiener Arzt Marcus Franz, früher Nationalratsabgeordneter, zuerst für das Team Stronach, später im ÖVP-Parlamentsclub. Er sah darin gar einen Beleg für vermeintliche „Gewaltbereitschaft“ bei den Grünen:
Ok, der erste lässt die Maske fallen. Die Gewaltberitschaft blitzt schon auf. Macht’s keine Koalition, @volkspartei ! https://t.co/TFcOcMrBYz
— Marcus T. Franz (@M_T_Franz) September 29, 2019
Montagnachmittag: Bartosch entschuldigt sich
Am Montag entschuldigte sich Bartosch dann für seine polarisierende Aussage. Sein Tweet vom Vorabend sei „verkürzt und damit missverständlich“. Er wolle sich deshalb bei allen entschuldigen, welche den Sager „falsch aufgenommen“ hätten und „zurecht deswegen empört“ gewesen seien.
Gleichzeitig verteidigte er seine „inhaltliche Kritik“ am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen System. Er sei dabei allerdings „übers Ziel hinausgeschossen“. Zuletzt hatten auch mehrere bekannte Journalisten wie Oliver Pink (Die Presse) und Anna Schneider (Addendum) die Aussage auf Twitter öffentlich hinterfragt.
Ich möchte nochmal klarstellen: Mir ging es immer um eine inhaltliche Kritik an unserem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen System. Es tut mir leid, dass ich dabei übers Ziel hinausgeschossen bin.
— Stephan Bartosch (@stephanbartosch) September 30, 2019