Neutralitätspflicht verletzt: Bürgermeister machten offen Stimmung gegen AfD und BSW
In Thüringen sorgt nach der Landtagswahl ein Brief von Bürgermeistern und Landräten in Sozialen Medien für Diskussionen. In dem offenen Brief werden das Bündnis Sahra Wagenknecht und die AfD offen kritisiert. Den Unterzeichnern wird nun eine Verletzung der Neutralitätspflicht vorgeworfen.
Erfurt. – Am vergangenen Sonntag fand in Thüringen die Landtagswahl statt, bei der die AfD als Sieger hervorging und auch das neu angetretene Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ein gutes Ergebnis erzielen konnte. In den Sozialen Medien ist nun ein Schreiben aufgetaucht, das im Vorfeld der Landtagswahl verschickt wurde und in dem Stimmung gegen die AfD und das BSW gemacht worden war.
„Mehrheit will Thüringer Antworten“
„Als Landräte und Oberbürgermeister erwarten wir wie die übergroße Mehrheit der Bürger auch, dass die Parteien und Spitzenkandidaten Thüringer Antworten auf Thüringer Themen geben“, heißt es in dem Schreiben, das von mehreren Bürgermeistern und Landräten unterzeichnet wurde. „Denn es geht bei dieser Wahl um Thüringen. Es geht um konkrete Antworten auf Fragen, die wir hier in Thüringen gemeinsam lösen können und müssen“.
Es folgt ein Fragenkatalog unter anderem zu den Themen regionale Wirtschaft, Berufsschulnetz, Bürokratieabbau für Mittelstand und Handwerk, effizientere Anerkennungsverfahren für ausländische Fachkräfte, Digitalisierung, Unterrichtsausfall, Kindergärten und deren Finanzierung, Krankenhausstandorte und ärztliche Versorgung, Sicherheit, bessere Ausstattung der Polizei und Modernisierung der Verwaltung.
Kritik an AfD und BSW
Natürlich wisse man auch, dass die weltpolitischen Fragen von Krieg und Frieden die Menschen bewegen würden. „Wer den Menschen aber in einem Landtagswahlkampf Glauben macht, dass diese Wahl die Fragen von Krieg und Frieden entscheidet, der täuscht die Wähler. Denn weder der Thüringer Landtag noch die Thüringer Landesregierung entscheiden Fragen der Außen- und Verteidigungspolitik.“
Was aber Landtag und Landesregierung entscheiden können, seien Fragen zu Themen in Stadt und Land. In dem Brief wird bemängelt, dass insbesondere von BSW und AfD zu diesen Themen nichts Konkretes zu hören war. „Im Gegenteil, dieses wirre Gerede von Remigration, der Ausweisung von Staatsbürgern mit Migrationshintergrund und ausländischen Personen würde dazu führen, dass in unseren Krankenhäusern und Pflegeheimen das Licht ausgeht. Um unsere Landkreise und Städte würden Firmen und Investoren einen großen Bogen machen, wenn Extremisten hier Verantwortung hätten.“
Verstoß gegen Neutralitätspflicht
Der Inhalt des Briefs wurde auf X von dem ehemaligen FDP-Politiker Tino Ritter geteilt, der dazu erklärt, dass dieser Aufruf gegen das BSW und die AfD Konsequenzen für die Unterzeichner haben müsse, die damit ihr Amt parteipolitisch missbraucht hätten. Denn die Oberbürgermeister und Landräte, bei denen es sich überwiegend um CDU-Politiker handelt, die den Brief unterzeichnet haben, hätten damit bewusst gegen ihre Neutralitätspflicht verstoßen. „Dies ist ein untragbares Massenphänomen, und kein #Einzelfall. Im #Strafrecht würde man von organisierter Kriminalität und Bandenbildung sprechen“, so Ritter.
Das Neutralitätsgebot in Deutschland besagt, dass sich Staatsorgane im politischen Meinungskampf neutral verhalten müssen, also Regierungsmitglieder ebenso wie Beamte. Für Beamte ist die Neutralitätspflicht im so genannten Bundesbeamtengesetz festgeschrieben, wonach sie ihre Aufgaben „unparteiisch und gerecht“ zu erfüllen haben. Für politische Amtsträger ergibt sie sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Grundgesetz, das den Parteien Chancengleichheit garantiert.