„Pro Atomkraft, pro Regionalismus, aber gegen Windmühlen“ (2)

FREILICH sprach mit zwei französischen Patrioten über die Situation der konservativen und rechten Kräfte in Frankreich. Im zweiten Teil des Interviews geht es um mögliche Bündnisse, Metapolitik, Aktivismus, und um das Thema Ökologie von rechts.

Interview von
2.4.2023
/
8 Minuten Lesezeit
„Pro Atomkraft, pro Regionalismus, aber gegen Windmühlen“ (2)

Zemmour-Anhänger bei einer Reconquête-Veranstaltung in Paris vor den Präsidentschaftswahlen 2022

© FREILICH

Dies ist der zweite Teil eines dreiteiligen Interviews. Teil 1 und Teil 3 können hier oder hier nachgelesen werden.


FREILICH: Die Ablehnung eines Bündnisses ist aber nicht nur eine Frage des wahltaktischen Vorteils. Es gibt auch inhaltliche Fragen, die die Parteien trennen. Zum Beispiel die heftig diskutierte Reform des Renteneintrittsalters, die derzeit die französischen Medien beschäftigt und Hunderttausende zu Protesten veranlasst. RN und R! haben zu diesem Thema unterschiedliche Positionen. Wie könnte ein theoretisches Bündnis mit solchen Differenzen umgehen?

Rémy (RN): Kompromisse gehören zu jeder Allianz. So wird es auch hier sein. Wenn diese beiden Parteien eines Tages zusammenkommen wollen, müssen sie - was ihre Positionen betrifft - Opfer bringen. Die Frage ist nur, welche Positionen man beibehält und welche man aufgibt, um möglichst viele Wähler zu mobilisieren. Diese Entscheidung könnte auch durch ein Referendum getroffen werden. Le Pen zum Beispiel hat ihren Wahlkampf 2022 ganz auf die Frage des Referendums ausgerichtet, um die Entscheidung dem Volk zu überlassen. Die Frage ist, ob die beiden Parteien auch parteiinterne Streitigkeiten durch Referenden klären lassen könnten.

Quentin (R!): Zemmour hatte das Referendum ohnehin schon als Option vorgeschlagen, da es die einzige Möglichkeit sei, die institutionellen Probleme seiner Migrationspolitik zu „umgehen“. Mit dem Referendum können wir die Verfassung ändern, und in der Migrationspolitik haben wir ohnehin keine andere Wahl.

Wie steht es um die öffentliche Debatte? Muss die Rechte nach diesen Wahlen die Debatte über die Einwanderung noch gewinnen? Und was ist die richtige Arena? Wie geht man zum Beispiel mit der Metapolitik um?

Rémy (RN): Metapolitik ist in erster Linie eine Lebenseinstellung. Sie ist eine Reflexion über viele Dinge, sei es die Art und Weise, wie man sich in den sozialen Netzwerken präsentiert, wie man vor Ort lebt, wie man konsumiert und so weiter. In dieser Hinsicht hat der RN eine klare Position zur Verlagerung von Unternehmen und zum Funktionieren des Regionalismus eingenommen, was auch ein wenig unserer metapolitischen Einstellung zu diesem Thema entspricht. In der Tat bleibt in diesem Bereich noch viel zu tun. Die Franzosen sind, wenn man so will, noch nicht „aufgewacht“. Und es wird wohl immer notwendig sein, ihnen die Realität vor Augen zu führen.

Quentin (R!): Es stimmt, dass ein Kulturkampf geführt werden muss. Der Kulturbereich wurde nämlich vollständig den linken Kräften des Landes überlassen. Und nicht nur das. Wenn man sich all die Förderungen anschaut, die zum Beispiel für Kinoproduktionen und andere Filme, die daraus entstehen, vergeben werden, dann sieht man, dass es hier ein großes Potenzial gibt. Omar Sy zum Beispiel, ein Schauspieler, der sich offen zu seiner afrikanischen Herkunft bekennt und in französischen Filmproduktionen sehr präsent ist, ist nur ein Beispiel. Die Neutralität wird ein bisschen mit Füßen getreten. Und es stimmt, dass dies ein Weg sein könnte, um Menschen zu mobilisieren, die uns bisher nicht gewählt haben.

Auch die Bildungspolitik, die Verkehrspolitik, die Vereine sind in linker Hand, und alles verkommt. Das ist ein politischer Kampf, der für die Franzosen unsichtbar ist. Das heißt, sie nehmen ihn nicht wirklich wahr. Aber wenn zum Beispiel im Kino eine romantische Geschichte erzählt wird, in der ein Migrant die Hauptrolle spielt, dann macht das etwas mit dem Zuschauer. Das ist ein Bereich, den wir nicht so einfach aufgeben dürfen. Erste erfolgreiche Ansätze gibt es bereits. So hat Puy du Fou, ein beliebter historischer Themenpark mit konservativen Verbindungen, seinen ersten Film produziert, der seit dem 25. Januar in den Kinos läuft. Leider ist es aber auch so, dass unser Lager derzeit keine wirklichen Alternativen zu den bestehenden Kulturangeboten zu bieten hat, mit denen man die Franzosen überzeugen könnte.

Rémy (RN): Ja, und die Linke hat seit 1968 sowieso alles verkommen lassen, sowohl den Bildungsbereich als auch den Kulturbereich und alles, was damit zusammenhängt. Wir haben diese Bereiche völlig aufgegeben, das sieht man auch an den Universitäten. Wir führen diesen Kampf auch mit der Cocarde und müssen die Dinge einfach selbst in die Hand nehmen. Wir müssen Alternativen schaffen zu den großen, staatlich subventionierten Medien, die uns am Sonntagabend auf France 2 (ein großer öffentlich-rechtlicher Fernsehsender in Frankreich, Anm. d. Red.) vorgeführt werden. Es gibt viele Bereiche, für die wir kämpfen und uns einsetzen müssen. Es gibt einfach zu viele Themen, die wir zu lange der Linken überlassen haben und die wir uns jetzt zurückholen müssen.

Wir wissen, dass Immigration ein großes Thema ist. Gibt es andere Themen, die Ihrer Meinung nach von der Rechten aufgegriffen werden sollten?

Rémy (RN): Der RN und vor ihm der Front National haben erkannt, dass man allein mit dem Thema Migration auf Dauer nicht erfolgreich sein kann. Deshalb hat Marine Le Pen in ihrem Wahlkampf das Thema Kaufkraft in den Vordergrund gestellt und damit, wie wir gesehen haben, sehr gute Ergebnisse erzielt. Eine Partei kann ihre Wähler also auch mit anderen als den traditionellen Themen mobilisieren, und das muss sie letztlich auch. Über Einwanderung zu sprechen ist schön und gut, aber am Ende fühlt sich vielleicht nur ein Teil der Wähler davon angesprochen.

Le Pen sollte sich also weiterhin auf das Thema Kaufkraft konzentrieren, und das tut sie auch, beziehungsweise Jordan Bardella, der neue Vorsitzende des RN. Er war es auch, der sich in einem Brief - der unter anderem von Aktivisten überall verteilt wurde - an die Bäcker Frankreichs gewandt hat, um sie wissen zu lassen, dass man am Thema Kaufkraft dranbleibt. Aber es gibt noch viele andere Themen, die angesprochen werden müssen. Quentin hat vorhin zum Beispiel das Thema Umwelt angesprochen.

Wir sollten wirklich anfangen, über die Ökologie der Rechten zu sprechen und weniger über die Ökologie der Grünen, die Windräder aufstellen und die Schließung der Kernkraftwerke forcieren wollen. Die Erforschung der Kernenergie ist sehr wichtig und wir müssen darüber sprechen. Wir müssen auch über die französische Wirtschaft sprechen, über die Reindustrialisierung des Landes, um zu verhindern, dass die größten Unternehmen des Landes einfach abwandern. Das würde nämlich zu noch mehr Arbeitslosigkeit führen und wäre letztlich eine Katastrophe. Im Moment ist die Inflation sehr hoch, deshalb ist es sehr wichtig, dass wir die Kaufkraft erhalten.

Wir müssen auch darüber sprechen, wie wir den Franzosen ihre „Lebenskraft“ zurückgeben können, die sich einerseits aus ökonomischen und andererseits aus ökologischen Faktoren zusammensetzt. Hier haben wir also schon zwei weitere Themen, die Kaufkraft und die Umwelt. Und dann wäre da noch der Regionalismus. Letztendlich gibt es viele Themen, die ich jetzt hier aufzählen könnte.

Quentin (R!): Ich denke, dass die Themen der Kaufkraft, der Inflation, des Renteneintrittsalters und so weiter die wichtigsten Themen sind, die wir im Moment in unserem Land haben und auf die wir uns jetzt unbedingt konzentrieren müssen und auf die wir auch unsere Positionen ausrichten müssen. Aber es gibt in der Tat noch andere Themen, die wir angehen müssen. Das ist vor allem die Ökologie. Das ist mir persönlich ein ganz wichtiges Anliegen. Denn wir gehören nicht zu den rechten Babyboomern, die den Klimawandel leugnen wollen.

Wir sind uns der Entwicklungen bewusst. Und ich für meinen Teil würde gerne Lösungen von rechts anbieten, wie zum Beispiel die Positionen pro Kernenergie, pro Regionialismus, aber gegen Windmühlen. Aber das findet bei uns noch wenig Anklang. Bei der Cocarde haben wir übrigens beschlossen, uns in unserer nächsten Kampagne auf das Thema Ökologie zu konzentrieren. In den nächsten Wochen und Monaten wird es also viele Informationen und Aktionen unsererseits zu diesem Thema geben.

Aber ich denke, das wird sich alles mit der Zeit entwickeln. Wahrscheinlich sind wir auch zu zaghaft im direkten Gespräch mit den Franzosen, vor allem mit den jungen Franzosen, die sich für die Umwelt interessieren, sie aber nur durch die Brille der Ökologen und Grünen sehen. Deren Lösungen sind immer nur Windräder und ähnliche verrückte Dinge, die im Grunde genommen der Umwelt schaden.

Rémy (RN): Zemmour hat verstanden, wie wichtig es ist, direkt mit den Jugendlichen in Kontakt zu treten und mit ihnen zu sprechen. Quentin, bitte korrigiere mich, wenn ich falsch liege, aber im September hat Zemmour zwei große Kampagnen gestartet, eine mit personalisierten Flugblättern für die Schulen und eine, die sich an die Eltern von Schülern wendet, die in der Schule auf den Zeitgeist des Wakes treffen.

Quentin (R!): Ja, die Kampagne hieß „Protégeons nos enfants“ („Schützen wir unsere Kinder“) und sollte Eltern ermutigen, sich zu melden, wenn sie - ich mag den Begriff nicht, aber - „Wokismus“ oder sagen wir einfach linke Politik in der Schule ihrer Kinder antreffen. Die Kampagne wurde gestartet, um Druck auszuüben. Die Reconquête hat zwar keine gewählten Abgeordneten und kann auch keine Gesetze verabschieden, aber sie hat Agitprop, Medienkampagnen, Einfluss auf den Kulturbereich und so weiter und kann daher Kampagnen wie die oben genannte starten.

Wir haben das auch bei der Demonstration in Callac gesehen oder bei der Sache mit der Marienstatue, die entfernt werden soll. Ich denke schon, dass die Reconquête eine wichtige Rolle spielt und dass sie und der RN, der eher in der Nationalversammlung vertreten ist und Gesetze vorschlägt, sich in gewisser Weise ergänzen. Deshalb glaube ich auch, dass die Existenz der Reconquête für die politische Landschaft Frankreichs durchaus von Vorteil ist, denn sie hat in der kurzen Zeit, die sie existiert, schon einige kleine Siege errungen.

Außerdem gibt es derzeit viele neue Köpfe auf der politischen Bühne. Einer von ihnen ist Philippe Vardon, der derzeit einen Kampf gegen die kommunalen Schwimmbäder mit unterschiedlichen Öffnungszeiten speziell für Frauen führt - motiviert durch die Muslime im Land. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Ganze langfristig entwickelt.

Sprechen wir über euer Milieu: den Aktivismus. Wie hat sich die Energie in der patriotischen Aktivistenszene seit den Wahlen verändert? Sind die Aktivisten immer noch so engagiert wie während des Wahlkampfes oder haben sie an Motivation verloren?

Quentin (R!): Bei den Präsidentschaftswahlen reichen sich die Aktivisten die Hände, alle freuen sich und hoffen auf einen Sieg. Aber nach den Wahlen ist diese Energie eigentlich weg. Aber das ist ganz normal und ändert sich vor jeder neuen Wahl wieder, finde ich. Bei der Reconquête wird die Motivation nicht mehr so groß sein, denke ich. Es gibt viele junge Leute, die zur RNJ gegangen sind. Bei den Präsidentschaftswahlen in meinem Departement waren es null. Aber nach den Parlamentswahlen waren es schon zehn. Es gibt also kleine Verschiebungen.

Auf jeden Fall haben wir nach den Wahlen viele Leute dazu gebracht, der Cocarde beizutreten. Es gab nämlich Wahlkämpfer, die weitermachen und auch „außerhalb des Wahlkampfs“ aktiv sein wollten. Und schließlich kämpft unsere Gewerkschaft das ganze Jahr über gegen die Linke und die islamische Linke („Islamo-Gauchisme“) an den Universitäten und anderen Hochschulen.

Rémy (RN): Das es schwierig ist, die Richtung zu bestimmen, und dass wir uns aktuell in einer Wahlkampfpause befinden, kann ich bestätigen. Es ist nicht so, dass die Aktivisten keine Motivation haben, es ist im Moment einfach nur weniger zu tun. Zwischen den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen konnten wir keinen großen Zuwachs bei den Mitgliedszahlen verzeichnen. Nach den Parlamentswahlen im Jahr 2022 hingegen konnten wir bei der RNJ einen enormen Zuwachs beobachten. Ein Beispiel: allein in meinem Departement, in Savoyen, waren wir zunächst vielleicht zwanzig Aktivisten.

Mittlerweile sind wir um die 50, die Zahl der Mitgliedsanträge ist also förmlich explodiert, was großartig ist. Diese Entwicklung wirkt sich auch auf andere Gruppen aus, zum Beispiel die Cocarde oder auch die Reconquête, wo es junge Mitglieder gibt, die sehr motiviert sind und für die Ideen ihrer Gruppe kämpfen wollen. Auch wenn wir im Moment etwas langsam vorankommen, glaube ich, dass wir einen jungen Kader aufbauen, der vor allem für die nächsten Wahlen wichtig sein wird. Sei es vor Ort, sei es als zukünftige Kandidatinnen und Kandidaten für die Parlaments-, Kommunal-, Departements- oder Regionalwahlen. Ich glaube wirklich, dass wir - was den Wahlkampf der Rechten angeht - einen Paradigmenwechsel erleben und dass es ganz gut aussieht.

Der dritte Teil des Interviews wird in den nächsten Tagen veröffentlicht.


Zu den Personen:

La Cocarde, die gegen den Linksruck an den Universitäten kämpft, besteht aus Mitgliedern aller Fraktionen der patriotischen Rechten in Frankreich. Unsere Interviewpartner Rémy und Quentin waren während der Parlamentswahlen 2022 als lokale Wahlkampfleiter für ihre jeweiligen Parteien tätig und haben weiterhin aktive Führungsrollen in ihren Ortsverbänden von La Cocarde Etudiante inne.

Die Übersetzung besorgte Yannick Gregory.


Twitter Rémy: https://twitter.com/RuerRemy

Twitter Quentin: https://twitter.com/Quentin_1er

Twitter La Cocarde Étudiante: https://twitter.com/cocardeetud

Instagram La Cocarde Étudiante: https://www.instagram.com/cocardeetudiante

Über den Autor

Yannick Gregory

Stellenausschreibugn - AfD Sachsen

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