Puristische Trinität
In seinem Kommentar vergleicht Gert Bachmann die Ergebnisse der jüngsten Landtagswahl in Kärnten mit jenen im Jahr 1989 und erklärt, warum das Narrativ der „Somewheres versus Anywheres“ zur Erklärung der Unterschiede in Bezug auf die Ergebnisse in einzelnen Bezirken herangezogen werden kann.
1989 fiel der Eiserne Vorhang. 1989 fiel die Berliner Mauer. 1989 fiel der Cordon Sanitaire gegen die FPÖ von Jörg Haider. Die SPÖ erzielte 46 Prozent. Die Freiheitlichen 29 Prozent und die ÖVP 21 Prozent. Es stand also 46 zu 50. Bei den Mandaten im Landtag stand es 17 zu 19. Jörg Haider wurde mit den Stimmen von FPÖ und ÖVP zum Landeshauptmann von Kärnten gewählt. Der erste Landeshauptmann der Zweiten Republik, welcher nicht von SPÖ oder ÖVP gestellt wurde. Und der zweite Wechsel einer Landeshauptmannpartei in einem Bundesland, nachdem das Burgenland ob der Auspendler nach Wien von Schwarz auf Rot umgefärbt wurde.
Schwenk zur Gegenwart: Die SPÖ liegt bei 38,9 Prozent. Die Freiheitlichen bei 24,6 Prozent. Die Volkspartei bei 17 und das Team Kärnten bei 10,1 Prozent. Es steht 39 zu 51,7. Bei den Mandaten steht es 15 zu 21.
Während die Differenz zwischen Platz eins der SPÖ und Platz zwei der FPÖ 1989 bei 17 Prozent lag, liegt er nunmehr bei 14,3 Prozent.
Waren bei den Nationalratswahlen 2008 FPÖ und BZÖ gemeinsam beinahe stärkste Kraft, wären FPÖ und Team Kärnten heute im Süden mit 34,7 Prozent durchaus auf Tuchfühlung mit der SPÖ. Im Unterschied zu 2008 gibt es keine Ressentiments, welche aus Abspaltungen, Verrätervorwürfen und dergleichen resultieren. Man könnte relativ unbelastet ein moderates Gesprächsklima führen.
Getrennt marschieren, vereint schlagen
Historisch ist dieses Szenario keineswegs einzigartig. Waren die deutsch-freiheitlichen Parteien, welche im Reichsrat Cisleithaniens das Dritte Lager bildeten, gemeinsam bereits die stärkste Fraktion. Der österreichische Historiker Adam Wandruszka sprach von der gottgewollten Dreiteilung des Parteiensystems in Österreich. Sozialdemokratie, Christdemokratie und Drittes Lager. Während sich die ideologischen Abspaltungen von SPÖ und ÖVP, also Grüne und NEOS, von der landespolitischen Bühne für weitere fünf Jahre wieder verabschiedet haben, kann man im Sinne der bereits erwähnten Trinität bei der Analyse FPÖ und Team Kärnten durchaus „in einen Topf werfen.“ Ohne negative Konnotation.
Haben schon Napoleon, Robert E. Lee und Helmut von Moltke der Ältere das Prinzip des getrennt Marschierens und des vereint Schlagens bravourös vorexerziert, während die Nachwelt das Bonmot Letzterem verdankt.
Die FPÖ konnte in 28 Kärntner Gemeinden stärkste Kraft werden. Davon entfallen 15 auf den Bezirk Spittal. Die übrigen auf St. Veit, Feldkirchen und Villach Land. Immerhin 64 Gemeinden führen die FPÖ als zweitstärkste Kraft. Auch das Team Kärnten konnte diesen Titel in einer Gemeinde erringen. Und zwar in St. Georgen im Lavanttal, wo man sich um 15,5 Prozent auf 27,6 Prozent verdoppelte. Die SPÖ mit 29,5 knapp davor und die FPÖ mit 27 knapp dahinter.
In zwei Bezirken sind die Freiheitlichen mit geringen Abständen hinter den Sozialdemokraten zum Liegen gekommen: Spittal und Feldkirchen. Mit 32,8 zu 30,9 beziehungsweise 32,8 zu 30,6. Bezieht man das Team Kärnten in die Gleichung mit ein stünde es 43,7 zu 32,8 beziehungsweise 40,4 zu 32,8. In den Bezirken St. Veit, Wolfsberg und Villach Land rücken FPÖ und Team Kärnten zusammengefasst in hoher Schlagzahl an die SPÖ heran. Mit 36,6 zu 34,6 bzw. 39,2 zu 36,9 bzw. 40,1 zu 36,5.
Spittal an der Drau als Besonderheit
Besonders ins Auge stechen die Bezirkshauptstädte Spittal an der Drau, Feldkirchen und Wolfsberg. In Spittal könnten Freiheitliche und Team Kärnten bequem mit einer Absoluten regieren. 25,5 und 24 stehen 32,9 gegenüber. In Feldkirchen 29,6 und 10,8 gegenüber 33,3 beziehungsweise 26,5 und 10,4 gegenüber 39,2, was zwar nicht Platz eins, aber ein guter zweiter Platz ist.
Innerparteilich sind die Kärntner Freiheitlichen wieder auf Platz eins im Ranking. Knapp, aber doch. Die Niederösterreichischen Freiheitlichen liegen bei 24,2, die Kameraden aus dem Süden bei 24,6. Das Team Kärnten einberechnet ist das Dritte Lager in Kärnten wieder uneinholbar an der Spitze.
„Somewheres versus Anywheres“ könnte als erklärendes Narrativ für die Differenzen zwischen Villach, Klagenfurt, Einzugsgebieten und dem Rest des Landes herangezogen werden. Ein Gegensatz, welcher den Brexit, französische wie amerikanische Präsidentschaftswahlen und auch die österreichische Präsidentschaftswahl von 2016 dominiert hat. Während „Anywheres“ in urbanen Zentren mitsamt Speckgürteln das Auslangen finden, müssen die „Somewheres“ horrende Spritpreise berappen oder stundenlang auf Busse und Züge warten. Kindergärten, Schulen, Arbeitsplätze etc. tun ihr Übriges oder eben nicht.
Hieraus resultiert auch das Gefälle zwischen den ruralen Bezirken und den beiden urbanen Zentren mitsamt Umland. Schließlich ist Kärnten das einzige Bundesland, welches in naher Zukunft eine demographische Schrumpfung erfahren wird. Die Zahl der Wahlberechtigten und damit die Zahl der Staatsbürger hat bereits abgenommen. Kurzum: Wer wächst, sieht die Zukunft positiver als diejenigen, die schrumpfen. Wer schrumpft, sieht die Zukunft negativer als diejenigen, die wachsen. Daraus resultiert das Gefälle zwischen Spittal, Feldkirchen, Wolfsberg einerseits gegenüber Villach und Klagenfurt andererseits.
Zur Person:
Gert Bachmann, 42-jähriger Historiker mit Interesse an Geo- und Sicherheitspolitik. Trotz Studiums in Wien hat ihn die Heimatstadt Villach nie losgelassen. Das Herz des dreifachen Vaters und ehemaligen FPÖ-Landesparteisekretärs von Oberösterreich schlägt für ein freiheitliches Österreich und ein vitales, freies Europa der Vaterländer.