Sellner zur Causa Haimbuchner: „Großer Fehler wurde begangen“
In der immer noch aktuellen Debatte rund um den „Aktionsplan gegen Extremismus“ hat sich nun auch Martin Sellner zu Wort gemeldet. Er wirft den Freiheitlichen in Oberösterreich vor, vor lauter eilfertiger Sachpolitik nicht zu verstehen, wie Metapolitik funktioniert.
Eigentlich wollte ich mich zu Haimbuchners Aktionsplan nicht weiter äußern. Doch jedes Mal, wenn ich das Thema abhaken will, legt jemand nach und stellt Dinge in den Raum, die ausgeräumt werden müssen. Die „Causa Aktionsplan“ wurde bereits auf zahlreichen alternativen Medien aufgearbeitet. Haimbuchner selbst wärmte das Thema erneut auf, indem er, die Gegenöffentlichkeit weitgehend ignorierend, sich ausgerechnet bei der Kronen Zeitung den Frust von der Seele redete. Dabei stellte er sich eindeutig hinter den gesamten Aktionsplan, soweit er nicht die Burschenschaften betrifft. Hier gab er sich betroffen und schuldbewusst. Eine durchschaubare Taktik, um das Vorfeld – „die guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen“ – zu spalten. Selbst der FPÖ-Generalsekretär Hafenecker widersprach dem und stellte sich explizit hinter „alle Patrioten“, die im Aktionsplan diffamiert und für vogelfrei erklärt werden.
Nicht die Existenz des Berichts ist der wahre Skandal
Die Krone belohnte Haimbuchners Offenbarungseid prompt und attestiert ihm gar Chancen auf den Posten des Landeshauptmanns. Schon Norbert Hofer wurde ähnlich vom Mainstream hofiert. Die WELT eröffnete Haimbuchner gar jüngst eine Aussicht auf die Kanzlerschaft. Der Preis dafür? „Das Getöse um das FPÖ-Ja zum Aktionsplan gibt ihm dazu nun eine fast geniale Gelegenheit, samt sauberer Trennung zwischen Burschenschaften als 'Erfinder der Demokratie' und rechtsextremen Möchtegern-Patrioten.“ Zu Recht nennt Michael Scharfmüller das „vergiftete Ratschläge“.
Nun rückte Jörg Rüdiger Mayer zur Verteidigung Haimbuchners aus. Er fragt in seinem Kommentar, warum das Vorfeld nicht das Landesamt Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) kritisiere. Dieser habe immerhin diesen Bericht verfasst. Die Kritik von Auf1, Heimatkurier, Info-Direkt, Report24, Status, der IB, dem Coronawiderstand und zahlreichen Burschenschaften wird von Mayer als Ergebnis einer narzisstischen Kränkung interpretiert. Er signalisiert mitleidiges Verständnis („das tut weh“). Zugleich sieht er keine Verantwortung der FPÖ, außerparlamentarische Patrioten zu schützen oder zu verteidigen.
Lassen wir die fruchtlosen Psychologisierungen beiseite, dann gibt er damit zu, dass die FPÖ hier das Vorfeld hätten verteidigen können. Der wahre Skandal ist nicht die Existenz des Berichts selbst. LVT und Verfassungsschutz (VS) sind seit langem politische Werkzeuge. Doch SPÖ und Grüne stimmten im entscheidenden Gremium gegen diesen Bericht. FPÖ und ÖVP boxten ihn gemeinsam durch. Genau das wurde vom rechten Lager einhellig kritisiert. Keiner verlangt von Haimbuchner, Einfluss auf die linksgedrehten Rechtsextremismusexperten im LVT zu nehmen. Wo er aber in seiner Funktion als Landeshauptmannstellvertreter Einfluss nehmen könnte, hat er hier versagt. Die Mischung aus arrogantem Schweigen, beleidigten Vorwürfen und peinlichen Spaltungsversuchen, mit denen man reagierte, machte alles noch schlimmer. Ich könnte hier lange ins Detail gehen. Man könnte eine Triumphmeldung Haimbuchners über Erfolge gegen „Politische Werbung der Grünen an Schulen“ vom 6.7. mit dem Aktionsplan vom 10.7. kontrastieren, der genau das vorsieht.
Doch wozu? Haimbuchner und Mayer wissen all das genau. Ihnen ist klar, dass ein großer Fehler begangen wurde. Wenn Letzterer behauptet, „Spaltung“ wurde „in die FPÖ getragen“, hat er recht. Doch das hat nicht die ÖVP zu verantworten, sondern Manfred Haimbuchner selbst. Niemand hat ihn gezwungen, den Aktionsplan gegen rechts zu bestätigen. Niemand hat ihn gezwungen, danach tagelang zu schweigen, anstatt, wie Hafenecker, die entscheidenden Punkte zur kritisieren.
Niemand hat ihn dazu genötigt, stattdessen hinter den Kulissen zu spalten und die Burschenschaften gegen Alternativmedien, IB und Coronawiderstand auszuspielen. Und zuletzt hat ihn niemand dazu gezwungen, ausgerechnet bei der Kronen Zeitung seine Invektiven gegen die „Irregeleiteten“ loszulassen.
In der FPOÖ versteht man vor lauter eilfertiger Sachpolitik nicht, wie Metapolitik funktioniert. Die Partei fungiert als rechter Grenzstein für den Rahmen des Sagbaren. Wenn man „sogar von der FPÖ“ als extrem und „irregeleitet“ markiert wird, ist das ein gesellschaftliches Todesurteil. Erste Ergebnisse zeigen sich bereits jetzt:
Haimbuchner will kein Vorfeld
Indem Haimbuchner Coronawiderstand, Alternativmedien, IB, Hausprojekte und (kurzzeitig) die Burschenschaften preisgab, unterwirft er sich zudem den „Rechtsextremismusmachern“. Er akzeptiert die Deutungshoheit linker „Experten“, die neuerdings auch in der Krone zu Wort kommen. Man könnte fast alle Vorwürfe, die im Aktionsplan zum Beispiel gegen die IB erhoben wurden, auch gegen die Freiheitliche Jugend ins Spiel bringen.
Hier würde Haimbuchner aktiv werden. Solange es nicht die Partei trifft, ist ihm die politische Verfolgung von Patrioten egal. Ja, er scheint sie sogar zu begrüßen, ist doch Ablehnung aus dem Vorfeld für ihn „durchaus beruhigend“.
Das ist „Parlamentspatriotismus“ in seiner naivsten Form. Außerparlamentarischer Aktivismus ist aus dieser Sicht sinnlos. Rechte Politik gehört, wie Strache einst sagte, in den „Gebietskörperschaften und der Regierung umgesetzt und nicht auf der Straße.“
Diese parteizentrierte Perspektive, ein politisches „Extra ecclesiam nulla salus“ („Außerhalb der Kirche gibt es kein Heil“, Anm. d. R.), schadet auch der FPÖ langfristig. Kurzfristig scheint es beim Mainstream Sympathien zu bringen, wenn man das patriotische Vorfeld delegitimiert, sabotiert und verfolgt. Die Krone lobt einen, die ÖVP ist zufrieden, nervtötende Kritik verschwindet. Wenn das Vorfeld verkümmert, können dazu seine Personalpotentiale aufgesaugt und der „Facharbeit“ im „bürgerlich liberal-konservativen Weg der Politik der Vernunft“ zugeführt werden.
Haimbuchner will kein Vorfeld, keine Bewegungen und keine kritische, rechte Presse. Er spekuliert darauf, dass es für ihn im rechten Spektrum mehr Luft zum Atmen gibt, wenn alle anderen Akteure ersticken. Doch dieses Spektrum wird, wie der Rahmen des Sagbaren, immer kleiner. Statt uns gegenseitig aus diesem Rahmen zu stoßen, um dem Mainstream zu gefallen, sollten wir ihn gemeinsam erweitern. Dann gibt es genügend Raum und Luft für alle.
Kein Kritiker des Vorfelds spricht daher der Partei das Existenzrecht ab. Die Kritik fokussiert sich auf Politdinosaurier wie Haimbuchner, die einer veralteten und erfolglosen Strategie anhängen. Das Gegenbeispiel ist Herbert Kickl, der vor allem in der Coronaphase exakt das tat, was jeder Politiker tun sollte. Er stellte sich schützend vor sein Vorfeld und traute sich aus dem Parlament auf die Straße.
Zur Person:
Martin Sellner wurde 1989 in Wien geboren und war Co-Leiter der Identitären Bewegung Österreich. Sellner hat mehrere Bücher veröffentlicht und ist für verschiedene rechte Publikationen als regelmäßiger Autor tätig.
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