SPÖ-Vorsitzwahl: Eine Partei, drei Verlierer, viele Ungereimtheiten
Die älteste Partei des Landes setzt der wie ein Satireprojekt wirkenden Parteichef-Kür die Krone auf: Nach Bekanntwerden der „Auszählungspanne“ ist endgültig klar: Die SPÖ hat die Wahl verloren – gegen sich selbst.
Manchmal kommt erstens alles anders – und zweitens, als man denkt: Diese Weisheit trifft in diesen Tagen zu wie selten zuvor. Jeder Gedankengang über die Bedeutung einer „Dosko-SPÖ“ ist seit Montag 16 Uhr wohl hinfällig. Auf der Suche nach einer verschollenen Delegiertenstimme stöberte die Leiterin der SPÖ-Wahlkommission allein in unversiegelten Plastiksackerln und stieß auf eine angebliche Vertauschung des Gesamtergebnisses. Ein „technischer Fehler eines Mitarbeiters“, versucht sie noch zu bagatellisieren. Dadurch wurde „Bobo-Babler“ zum neuen Chef-Genossen.
Stalin, Pippi und Monty Python lassen grüßen
„Die Leute, die die Stimmen abgeben, entscheiden nichts. Die Leute, die die Stimmen zählen, entscheiden alles“ – Die infamen Worte eines gewissen Josef Stalin wurden exakt 70 Jahre und drei Monate nach seinem Ableben so aktuell wie nie. Wer den Schaden hat, braucht für Spott nicht zu sorgen – aber ganz ehrlich: Kommt bei der nächsten Nachzählung heraus, dass der Genosse Babler nach Vorbild des „roten Pepi“ 99,7 Prozent bekam, wundert’s auch keinen mehr.
Alles spottet über Zustände, die die Bezeichnung „Bananenrepublik“ zur Beleidigung für Dritte-Welt-Länder verkommen lassen – und die SPÖ leckt ihre Wunden. Sie bereut nun, ihre Mathe-Kenntnisse aus Monty Python („Eins, zwei, fünf“) oder Pippi Langstrumpf („Eins und eins macht vier, widewidewitt, und drei macht neune“) zu beziehen. Das so gespaltene Land ist mit einem Schlag wieder geeint: Und zwar im Kopfschütteln über eine ehemals staatstragende Partei.
SPÖ scheitert am Demokratie-Einmaleins
Während andere Parteien zumindest ein illegal angefertigtes Video, eine Medienkauf-Affäre oder Konkurrenz aus dem eigenen Milieu brauchen, um zeitweise ins Trudeln zu geraten, muss man die Sozialdemokratie nur eine Wahl gegen sich selbst schlagen lassen. Zuerst bewerben sich 73 Kandidaten – darunter eine Giraffe – um den Vorsitz. Dann liegen alle drei zugelassenen Kandidaten gleichauf. Am Ende ruft man am Parteitag den falschen Sieger aus: Das kann man nicht erfinden.
Wer jemals Wahlbeisitzer war – und sei es bei einer Schülersprecherwahl – fragt sich: Wie kann das überhaupt gehen? Da zählen 19 Leute händisch ein Ergebnis aus und niemandem fällt auf, dass es in der Excel-Tabelle nicht zusammenpasst? Wofür braucht es für gut 600 Delegierte überhaupt ein technisches Hilfsmittel? Wieso kontrolliert dieselbe Kommission, die zwölf Tage lang minutiös Online- und Briefstimmen der Mitgliederbefragung sortierte, ihre eigene Zählung nicht nach?
Man munkelt über Ungereimtheiten
Normalerweise sollte man nie mit Bösartigkeit erklären, was sich auch mit Unfähigkeit erklären lässt. Allerdings mehren sich die Stimmen in sozialen Medien, die nachträgliche Manipulationen nicht für ausgeschlossen halten. Und wenn man ein bisschen ins Getuschel der berüchtigten „SPÖ-Insider“ rein hört, vernimmt man auch: Sogar bei den Genossen gibt es Leute, die hinter vorgehaltener Hand munkeln, dass an der offiziellen Version der roten Chef-Wahl etwas gewaltig stinkt.
Dabei ist nicht einmal klar, ob Doskozil korrekt abberufen wurde. Immerhin wurde er am Parteitag ohne Einspruch proklamiert. Im Parlament gibt es einen Präzedenzfall: Als ein Mehrheitsvotum fälschlich zur Minderheit erklärt wurde, galt: „Was pickt, das pickt“. Jetzt ist eine Geschäftsordnung des Nationalrats kein Parteistatut. Dass eine Pressekonferenz das unwidersprochene (Schein-) Resultat eines Parteitags kippt, wäre aber durchaus ein Fall für spitzfindige Juristen.
Genossen zwischen zwei Pyrrhussiegen
Ursprünglich wollte ich über Inhalte sprechen, etwa darauf hinweisen, dass Doskozil beim Migrationsthema ein Blender vor dem Herrn ist. Ergründen, ob Gefahr droht, dass er die Mitte-Rechts-Mehrheit im Volk mit einem pragmatischen Kurs brechen kann – und spekulieren, wie er ein „Auslaufen nach links“ zu Grünen, NEOS und KPÖ verhindern will. Das ist nun alles Makulatur. Der selbsterklärte „Marxist“ Babler, der Liebling der Mainstream-Medien, sitzt nun wohl am Ruder.
Aus dem Pyrrhussieg für „Dosko“ wurde nun ein Pyrrhussieg für „Babo“. Das Momentum einer flammenden Rede vom Parteitag kann er nicht mitnehmen, auch er erbt von der bereits in der ersten Runde gestolperten „Joy Pam“ eine zutiefst zerstrittene Partei, in der sich „woke“ gutbürgerliche Bessermenschen und pensionierte Ex-Hackler nicht grün werden. Wie der von der selbsterklärten „Rechtsextremismus-Expertin“ und Zero-Covid-Fanatikerin Natascha Strobl in seinem innerparteilichen Wahlkampf gecoachte Babler bis in die Mitte wirken will, ist unklar – es droht das Corbyn-Schicksal.
Das Buch „Die Rechtsextremismus-Macher“, das über die zweifelhafte Qualität der Arbeit von Strobl und Co. aufklärt, ist im FREILICH-Buchladen erhältlich.
Ideal-Situation für blaues Wahlpotenzial
Für die in Umfragen führende FPÖ als einzige Oppositionspartei, die diese Rolle glaubwürdig wahrnimmt, ist das skurrile Parteitag-Chaos mit einem „Sieger“, dem immer der Makel der Gerüchteküche über die Lauterkeit des Zustandekommens seiner Kür anhaften wird, jedenfalls wie Ostern und Weihnachten zusammen. Obendrein kriegt sie nun jenen roten Widersacher, der ihrem Wählerpotenzial weniger gefährlich wird. Erst recht, seitdem sich Babler von seinen alten Weggefährten in der Neutralitätsbewegung ebenso lossagte wie von seiner einstigen scharfen EU-Kritik.
Zudem ist er als Bürgermeister von Traiskirchen auch niemand, der eine Kehrtwende beim Migrationsthema verficht. Die Realitätsverweigerung über die existente neue Asylkrise brach schon Rendi-Wagner in der Wählergunst das Genick. In Kombinationen mit Gerüchten, wonach er „steuerbarer“ als Doskozil ist, kein gutes Omen für die SPÖ. Ob auch ÖVP und Grüne nun Morgenluft wittern, um mittels Neuwahlen den Absturz am regulären Wahltag abzufedern, wird sich weisen.