Vetternwirtschaft: Hat Lauterbach eine millionenschwere Impfkampagne unrechtmäßig vergeben?
Der Verdacht der Vetternwirtschaft bei der Vergabe der Corona-Impfkampagne „Ich schütze mich“, stand schon seit Längerem im Raum. Nun hält der Bundesgerichtshof in einem Bericht fest, dass die mehrere Millionen Euro teure Impfkampagne falsch ausgegeben wurde.
Berlin. – Der Bundesrechnungshof hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) einen Verstoß gegen das Vergaberecht vorgeworfen. Wie ZDFheute unter Berufung auf ein internes Schreiben der Rechnungsprüfer berichtet, hat das Ministerium für die 45 Millionen Euro teure – das Gesundheitsministerium spricht von 36 Millionen Euro – Corona-Impfkampagne „Ich schütze mich“ die als SPD-nah geltende Kampagnenagentur Brinkert-Lück ohne vorherige Ausschreibung engagiert und damit gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen. Das Gesundheitsministerium weist die Kritik des Bundesrechnungshofes entschieden zurück.
Wettbewerb in unzulässiger Weise ausgeschlossen
Bereits Anfang letzten Jahres war der Verdacht aufgekommen, dass es bei der Auftragsvergabe zu Fehlern gekommen sein könnte. Die Opposition sprach vom „Verdacht der Vetternwirtschaft“, den das Ministerium vertuschen wolle. Auch Lauterbachs Koalitionspartner FDP hatte Aufklärung gefordert. Der Haushaltsausschuss des Bundestages unter Vorsitz des früheren Kanzleramtschefs Helge Braun (CDU) hatte deshalb den Bundesrechnungshof um Prüfung gebeten. Der Bericht, der nun unter anderem dem ZDF vorliegt, listet Fehler und Ungereimtheiten auf.
Hauptkritikpunkt ist, dass der Auftrag für die Impfkampagne nicht an die Werbeagentur Brinkert-Lück hätte vergeben werden dürfen. Das Ministerium hatte sich nämlich an die Agentur Scholz & Friends gebunden. Und hätte es eine neue Agentur gewollt, hätte es den Auftrag vorher neu ausschreiben und neue Angebote einholen müssen. Damit sei gegen das Vergaberecht verstoßen und der Wettbewerb in unzulässiger Weise ausgeschlossen worden.
Ministerium weist Kritik zurück
Aus dem Ministerium heißt es jedoch, man teile die Einschätzung des Bundesrechnungshofes „ausdrücklich nicht“. Die vergabe- und vertragsrechtlichen Vorgaben seien eingehalten worden, da Scholz & Friends einen Unterauftrag an die Agentur Brinkert-Lück vergeben habe. Doch das stimmt offenbar nicht. „Der Bundesrechnungshof kommt nach Auswertung der zur Verfügung gestellten Unterlagen zu dem Ergebnis“, dass der Auftrag nicht erteilt, sondern die Agentur „verpflichtet“ worden sei, heißt es in dem Bericht. Und zwar genau jene Agentur, die auch für die SPD-Kampagne im Bundestagswahlkampf 2021 und für Kanzlerkandidat Olaf Scholz zuständig war.
Wie ZDFheute weiter berichtet, habe Scholz & Friends dem Ministerium die Impfkampagne bereits im März 2022 vorgeschlagen und sei nach einer Erinnerung im Juni zu einem Gespräch eingeladen worden. Danach sei es aber unübersichtlich geworden, heißt es in dem Bericht von ZDFheute weiter. So heiße es mal, Scholz & Friends habe einen Unterauftrag an die Agentur Brinkert-Lück vergeben, dann wieder, einen solchen Unterauftrag habe es nie gegeben. Hinzu kommt laut Bundesrechnungshof, dass die Ausschreibungsunterlagen nachträglich als vertraulich eingestuft wurden. Begründet wurde dies damit, dass es sich schließlich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Agenturen handele. Eine völlig unbegründete Einschätzung, so der Bundesrechnungshof: Dies sei „per se keine hinreichende Begründung für eine derartige Einstufung“.
Öffentliche Stellungnahme von Lauterbach gefordert
Die Kritiker von Lauterbach fühlen sich durch den Bericht des Bundesrechnungshofes in ihrer Kritik bestätigt. „Die Ampelfraktionen haben die Pflichtverletzungen des Bundesgesundheitsministeriums über den gesamten Zeitraum gedeckt“, sagte der CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge gegenüber ZDFheute. Jeder Aufklärungsversuch der Unionsfraktion im Gesundheitsausschuss sei behindert worden. Sorge fordert von Lauterbach eine öffentliche Stellungnahme zu dem Bericht.
Sören Pellmann (Linke) kritisierte, die Bundesregierung habe versucht, „mit den fantasievollsten Begründungen“ das Parlament „in die Irre zu führen“. Dabei hätte der Minister wissen müssen, dass die Vergabe der Kampagne an dieselbe Agentur, die auch den SPD-Wahlkampf gestaltet hat, „mehr als ein Geschmäckle hat“. Der Linken-Politiker fordert die Offenlegung aller Unterlagen: „Unserer Auffassung nach dürfen Geschäftsgeheimnisse nicht über das Interesse der Öffentlichkeit an der Kontrolle von Regierungshandeln gestellt werden.“