Von der Kommune in die Parlamente – Politischen Karrieren der radikalen Linken
Politische Randpositionen sind selten Garanten für eine hohe gesellschaftliche Stellung. Wenn doch, lohnt sich ein genauerer Blick: FREILICH-Redakteur Mike Gutsing stellt vier Mitglieder der radikalen Linken vor, die heute trotz oder gerade wegen der Aktivitäten in ihrer Jugend auf der großen politischen Bühne stehen.
Katharina König-Preuss (Die Linke) – Prinzessin der „Jungen Gemeinde“
Fragt man patriotische Akteure in Thüringen nach den wichtigsten Akteuren antipatriotischer Politik im Freistaat, fällt immer wieder ein Name: Katharina König-Preuss. Die 45-Jährige ist wie keine andere Landespolitikerin in der linken Szene Thüringens vernetzt. Ein Grund: Ihr Vater Lothar König gilt als Ziehvater der „zivilgesellschaftlichen“ Linken in Jena und als Wegbereiter der politischen Wende in der Region. Nach einem gescheiterten Studium der Semitistik, Islamwissenschaft und Politikwissenschaft bis 2002 machte König-Preuss 2007 ihren Abschluss als Diplom-Sozialarbeiterin.
In dieser Zeit arbeitete sie auch in der Gemeinde ihres Vaters, die Szenebeobachtern als Treffpunkt linker bis linksextremer Personen gilt. Immer wieder präsentiert sich König-Preuss als Schnittstelle zwischen Straße und Parlament, zuletzt medienwirksam 2018, als sie im Thüringer Landtag eine flammende Rede über linke Punkbands und deren gesellschaftliche Bedeutung hielt. Ihre Nähe zu Bands wie Feine Sahne Fischfilet, die wegen ihrer gewaltverherrlichenden Texte immer wieder in der Kritik stehen und gleichzeitig von hochrangigen Politikern hofiert werden, ist dabei nur ein Indiz von vielen.
Ska Keller (Bündnis90/Die Grünen) – Von der Ärztetochter zur Sektrevolutionärin
Franziska Maria „Ska“ Keller wurde 1981 in der Wilhelm-Pieck-Stadt Guben in der brandenburgischen Niederlausitz geboren. Trotz ihrer bürgerlichen Herkunft schien es der Arbeiter- und Bauernstaat gut mit ihr gemeint zu haben. Keller bezeichnet sich selbst als heimatlos, in einem Interview sagte sie 2017: „Ich könnte sie jetzt anlügen und sagen, dass ich überall zu Hause bin. Ich weiß aber gar nicht, was das ist, Zuhause.“ Trotz dieses offensichtlich tief verwurzelten Zerwürfnisses mit dem Eigenen suchte sie schon bald nach dem Studium ihren Weg in die Politik.
Aus der Szeneaktivistin, die nach eigenen Angaben schon in ihrer Heimatstadt in der Antifa aktiv war, wird die weltgewandte Karrierefrau. Mit gerade mal 28 Jahren schafft sie den Sprung ins Europaparlament, wird 2014 sogar Spitzenkandidatin der europäischen Grünen. Kellers Engagement zielt in die Mitte der Gesellschaft, dorthin, wo ihrer Meinung nach der deutsche Rechtsextremismus seinen Ursprung hat. Inzwischen lebt Keller seit einigen Jahren in Brüssel, in ihrer Heimatstadt Guben erreichten die Grünen 2019 zuletzt nur noch 2,7 Prozent der Stimmen.
Saskia Esken (SPD) – Die Unterschätzte
Die Bundesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete der Sozialdemokraten kam erst auf Umwegen zur Partei. Politisch geprägt im „Haus der Jugend“ in Weil der Stadt, das sie in die Nähe des späteren Linken-Gründers Bernd Riexinger führte, lehnte sie einen Eintritt in die SPD unter Brandt zunächst ab. Nach einem abgebrochenen Studium und einer Tätigkeit als Softwareentwicklerin fasste sie erst 1990 ihren Frieden und trat in die Partei ein. Als bekennendes Mitglied der „Parlamentarischen Linken“, dem linken Flügel der SPD, führte sie in den folgenden 29 Jahren ein Schattendasein in der Partei mit nur wenigen politischen Erfolgen.
Linksextremisten verüben wieder brutale Anschläge auf politische Gegner. Trotzdem wird das Problem in der öffentlichen Debatte noch immer verharmlost. In dieser FREILICH-Ausgabe zeigen wir, wie sich die Antifa-Szene radikalisiert und wie groß die Gefahr wirklich ist, die von ihr ausgeht.
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Doch ihre streitbare Art, ihr Bekenntnis zum demokratischen Sozialismus und ihre Nähe zur außerparlamentarischen Linken sicherten ihr die Sympathien der SPD-Jugend, die sie 2019 zur Bundessprecherin wählte. Seit ihrer Wiederwahl 2021 machte sie vor allem durch medienwirksame Tiraden wie gegen Anti-Corona-Demonstranten („Feinde der Demokratie“) oder ihr Bekenntnis zu gewaltbereiten Antifa-Gruppen von sich reden. Nach der Ankündigung des damaligen US-Präsidenten Trump, ein Verbot von Antifa-Gruppen zu prüfen, twitterte sie in Anspielung auf ihr eigenes Alter: „58 und Antifa. Natürlich“. Später versuchte sich Esken durch etymologische Drehungen vom Vorwurf der Gewaltverherrlichung zu befreien, doch der Eindruck war gesetzt: Im Zweifel mit dem Mob gegen den politischen Gegner.
Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) – Erster Kriegsminister der Bundesrepublik
Kaum eine andere Person repräsentiert in ihrer Biographie den politisch-gesellschaftlichen Umbruch durch die 68er-Bewegung so deutlich wie Joseph Martin „Joschka“ Fischer. Der Außenminister und Vizekanzler von 1998 bis 2005 ist vielen noch wegen seines massiven Einsatzes für die deutsche Beteiligung am Kosovo-Krieg in Erinnerung. Seither ist Fischer vor allem als politischer Lobbyist tätig, unter anderem für Goldman Sachs, den US-nahen Think Tank European Council on Foreign Relations, dessen Gründer er ist, oder den Energiekonzern RWE. Kenner von Fischers Biografie muss das verwundern, liegen seine Wurzeln doch (scheinbar) weit entfernt von seinen heutigen Positionen. Der 1948 geborene Sohn einer Metzgerfamilie brach die Schule ab und landete sozusagen als Quereinsteiger in den Frankfurter Studentenunruhen.
Dort inspirierten ihn Vorlesungen von Adorno und Habermas, er beteiligte sich an diversen linken Demonstrationen und gründete 1970 die Karl-Marx-Buchhandlung in Frankfurt. Nach dem Scheitern aufrührerischer Bestrebungen in der Opel-Gewerkschaft fand Fischer über Umwege den Weg in die Militanz. Als Mitglied der militanten Gruppe „Revolutionärer Kampf“ beteiligte sich der spätere Spitzenpolitiker an Straßenschlachten und Solidaritätsdemonstrationen für die RAF. Noch 1976 hatte Fischer erklärt: „Wir können uns […] nicht einfach von den Genossen der Stadtguerilla distanzieren, weil wir uns dann von uns selbst distanzieren müssten“.
Die Ereignisse im so genannten Deutschen Herbst 1977 und die Ermordung des BDA-Präsidenten Hanns Martin Schleyer sowie weitere Geschehnisse hätten Fischers Aussagen nach einen Erkenntnisprozess bei ihm eingeleitet und zu einer Abkehr von radikalen und gewalttätigen Politikvorstellungen geführt. Dennoch kommentierte er noch 1978 die Ermordung von Hanns-Martin Schleyer, Siegfried Buback und Jürgen Ponto durch die RAF mit dem Satz: „Bei den drei hohen Herren mag mir keine rechte Trauer aufkommen, das sage ich ganz offen für mich.“ In seiner späteren politischen Laufbahn gab sich Fischer immer wieder geläutert, Kritiker werfen ihm jedoch vor, sich nie ausreichend von seinen radikalen Ansichten distanziert zu haben.
Gemeinsam sind sie stark
Ohne „Kämpfer der ersten Stunde“ wie Joschka Fischer oder bedingungslose Unterstützer wie Katharina König-Preuss oder Saskia Esken wären scheinbare Saubermänner wie Ska Keller, aber auch viele andere, vor allem jüngere Politiker, auf sich allein gestellt. Sie konnten sich auf Milieus stützen, die ihnen einen Vertrauensvorschuss gaben, solange sie sich als parlamentarische Vertreter radikalerer Gruppen präsentierten.
Gerade junge, erfolgreiche Parteien wie die AfD befinden sich in dem Dilemma, einerseits eigene vorparlamentarische Strukturen zu stützen, sich andererseits aber nicht zum Spielball demokratisch nicht legitimierter Interessen machen zu lassen. Volksparteien sind auf diese Legitimation auch außerhalb von Wahlen angewiesen, da sie sonst Gefahr laufen, zu Klientelparteien zu werden, denen dauerhaft der Geruch von Korruption und Vetternwirtschaft anhaftet.