Vor Prozess: Merkel lud Richter zum Abendessen ins Kanzleramt
Wegen Angela Merkels Äußerungen zur Thüringen-Wahl 2020 klagt die AfD vor dem Bundesverfassungsgericht. Wenige Wochen vor der Verhandlung treffen sich Verfassungsrichter und die Kanzlerin zum Abendessen. Darunter u.a. auch jene des für die Klage zuständigen Senats. Die AfD lehnt die Verfassungsrichter nun wegen Befangenheit ab.
Berlin/Karlsruhe. – Am 21. Juli muss sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor dem Bundesverfassungsgericht verantworten. Die AfD hat bezüglich ihrer Äußerungen zur Thüringen-Wahl im Februar 2020 geklagt. Damals hatte Merkel die Wahl von FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Stimmen von AfD, CDU und FDP als „unverzeihlich“ bezeichnet, das Ergebnis „müsse Rückgängig gemacht werden“. Kemmerich trat daraufhin kurz nach seiner Wahl zurück. Aus Sicht der AfD hat die Kanzlerin hiermit ihre Neutralitätspflicht verletzt.
Doch drei Wochen vor der mündlichen Verhandlung, am 30. Juni, empfängt Merkel zusammen mit anderen Mitgliedern der Bundesregierung eine Delegation des Bundesverfassungsgerichts zu einem gemeinsamen Abendessen im Kanzleramt. Zu dieser Delegation gehörte laut Medienberichten unter anderem die Vorsitzende des Zweiten Senats, Richterin Doris König, und „wohl auch weitere Richter desselben“. Bei diesem sind aktuell die zwei Organklagen der AfD gegen die Kanzlerin und die Bundesregierung anhängig. Aufgrund dieses Treffens hat die AfD nun einen Befangenheitsantrag gegen die zuständigen Verfassungsrichter gestellt.
„Gravierende Zweifel“ an Unparteilichkeit
„Wenn sich Verfassungsrichter drei Wochen vor einer entscheidenden mündlichen Verhandlung von Verfahrensbeteiligten einladen lassen, dann weckt dies gravierende Zweifel an deren Unparteilichkeit“, erklärt der stellvertretende AfD-Bundessprecher Stephan Brandner in einer Pressemitteilung. In einem Prozess gegen Verfassungsorgane würde dies ganz besonders gelten. „Genau deshalb haben wir heute einen Befangenheitsantrag gestellt. Denn gerade in einem Prozess, in dem es darum geht, ob die Kanzlerin die ihr als Verfassungsorgan obliegende Neutralitätspflicht verletzt hat, indem sie öffentlich und bei einem Staatsbesuch in Südafrika forderte, die Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten Thüringens rückgängig zu machen, darf es keine Befürchtungen geben, dass die zuständigen Richter womöglich voreingenommen sein könnten. Andernfalls würde das Vertrauen in unsere Verfassungsorgane gleich doppelt Schaden nehmen“, so Brandner.
Verfassungsgerichtspräsident war selbst CDU-Politiker
Bezüglich des Abendessens im Kanzleramt hat das Verfassungsgericht am 1. Juli mitgeteilt, dass eine Delegation unter Leitung seines Präsidenten Stephan Harbarth und der Vizepräsidentin König am Vortag zu einem Treffen mit Regierungsmitgliedern in Berlin gewesen sei. Das berichtet unter anderem der Focus. Harbarth selbst ist seit dem Jahr 1993 CDU-Mitglied, war Bundesvorstand der Partei und saß mehrere Jahre für die CDU als Abgeordneter im Bundestag. Auch ein altes Wahlplakat, auf welchem Harbarth und Merkel gemeinsam für Wählerstimmen werben, ist auf der Webseite des CDU-Ortsverbandes Wiesloch noch aufrufbar. Das gemeinsame Abendessen im Kanzleramt setze „eine seit vielen Jahren bestehende Tradition fort“. Laut Gerichtssprecher sei hierbei „die mündliche Verhandlung am 21. Juli 2021 nicht Gegenstand der Gespräche“ gewesen. Anfragen jedoch, „wie man unter anderem dem Eindruck der Befangenheit entgegentreten wolle“, wie sie die Bild dem Gericht stellte, blieben unbeantwortet.