„Wähl' den Mann!“: Flüchtlinge für Parteizwecke instrumentalisiert?
In der nordrhein-westfälischen Stadt Mülheim an der Ruhr sollen Migranten für die Zwecke der Grünen beeinflusst und ausgenutzt worden sein. Das Vorgehen wird kritisiert. Eine Aufarbeitung der Affäre steht aber noch aus.
Mülheim. – Bei der Mitgliederversammlung des Kreisverbandes der Grünen im Juni, bei der es um die Wahl des Bundestagskandidaten 2025 ging, sollen Migranten im Sinne der Partei beeinflusst worden sein. Wie die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) berichtet, soll ein gebürtiger Syrer auf der Versammlung mit den Worten „Wähl' den Mann, der ist gut“ beeinflusst worden sein. Zuvor sollen in der „Vierzentrale“ schon andere Migranten für eine Parteimitgliedschaft geworben worden sein. Der Vorwurf lautet nun, dass den Migrantenfamilien aus Syrien und Afrika nicht klar gewesen sei, was vor sich gehe, und dass diese Unwissenheit ausgenutzt worden sei. Der Vorstand der Grünen in Mülheim schweigt bislang zu den Vorwürfen.
„Migranten wurden instrumentalisiert“
Zu Wort meldete sich aber die Grünen-Politikerin Gilberte Raymonde Mandel-Driesen, 1. Vorsitzende des Vereins Axatin e. V., der sich unter anderem für die Belange von Migranten einsetzt. Sie sei in den vergangenen Tagen von Menschen angesprochen worden, die Angst und Sorge hätten, sagte sie der WAZ. Es sei Vertrauen verloren gegangen, in die Zivilgesellschaft, aber auch in die Institutionen. „Viele relativieren das, was passiert ist“, so Mandel-Driesen. Denn Parteimitglieder dürften wählen. Ganz frei, das sei Demokratie. „Aber hier ist eine vulnerable Gruppe instrumentalisiert worden. Das ist Paternalismus.“ Die Vorsitzende von Axatin fordert Aufklärung. „Was mich stört, ist dieses Schweigen. Man darf nicht schweigen. Da sind Geflüchtete, also Menschen, zum Objekt gemacht worden.“
Auch Hasan Tuncer, Vorsitzender des Integrationsrates, sieht die Pflicht zur lückenlosen Aufarbeitung. „Ich respektiere die Wahl als solche. Aber es hat einen Beigeschmack.“ Es sei unethisch, die Situation derart für parteiliche Zwecke zu nutzen. „So etwas schadet unserer Demokratie.“
Bisher keine Aufarbeitung
Hakan Caliskan, Antidiskriminierungsbeauftragter der Stadt Mülheim, erklärte unterdessen, dass es grundsätzlich wichtig sei, darüber nachzudenken, wie man mit Migranten als neuen Vereinsmitgliedern umgehe – gerade im Rahmen einer neuen Parteimitgliedschaft. „Handelt es sich dann um eine Alibi-Vielfalt, die als Stilmittel umgewandelt wird? Marginalisierte und vulnerable Gruppen müssen geschützt werden.“ Wer unreflektiert handele, könne gerade Geflüchtete schnell „für die eigenen Interessen rekrutieren“. Es sei hochproblematisch, nicht den Menschen als Individuum, sondern nur seine „Rolle“ zu sehen, so der Antidiskriminierungsbeauftragte.
Von verschiedenen Seiten wird nun eine Aufarbeitung des Falles gefordert. Anzeichen dafür, dass eine solche Aufarbeitung in Arbeit ist oder bereits stattfindet, gibt es bislang aber nicht, wie die WAZ weiter berichtet. Die Bundestagsabgeordnete Franziska Krumwiede-Steiner erklärt jedoch: „Ich distanziere mich ausdrücklich vom Mülheimer Vorstand der Grünen, solange die Vorwürfe nicht aufgelöst werden. Geflüchtete Menschen für Parteiklüngel und damit die eigene Macht zu missbrauchen, ist unredlich. Ich erwarte eine zügige Aufklärung und entsprechende Konsequenzen.“