Warum das Compact-Verbot scheitern könnte

Das Verbot des rechten Magazins Compact hat am Dienstag heftige Diskussionen auch unter Experten ausgelöst. Der Staatsrechtler Volker Boehme-Neßler etwa bezeichnete das Vorgehen von Innenministerin Nancy Faeser als „juristisch völlig inakzeptabel“.

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Warum das Compact-Verbot scheitern könnte

Compact-Herausgeber Jürgen Elsässer bei einer Demonstration in Berlin.

© IMAGO / IPON

Berlin. – Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat am Dienstag das Compact-Magazin verboten und damit nicht nur in der rechten Szene für große Aufregung gesorgt. In den Sozialen Medien äußerten sich zahlreiche Nutzer kritisch über das Verbot, auch einige Mainstream-Medien halten es für problematisch, weil es die Pressefreiheit berühre. Kritik kommt aber auch von Staatsrechtlern. Sie weisen darauf hin, dass das Verbot des Magazins letztlich scheitern könnte.

Staatsrechtler übt scharfe Kritik an Vorgehen

Faeser begründete das Verbot damit, dass Compact ein „zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene“ sei. Nach Mitteilung des Bundesministeriums des Innern ist das Verbot auf § 3 Abs. 1 Vereinsgesetz (VereinsG) i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Grundgesetz (GG) gestützt. Nach Art. 9 Abs. 2 GG sind Vereinigungen verboten, „deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten“. § 3 VereinsG stellt klar, dass das Vorliegen dieser Voraussetzungen von einer Verbotsbehörde festgestellt werden muss.

Formal handelt es sich also um ein Vereinsverbot und nicht um ein Medienverbot. Es betrifft zwei Gesellschaften, die das Magazin beziehungsweise den Online-Kanal Compact TV verlegen beziehungsweise betreiben: die COMPACT-Magazin GmbH und die CONSPECT FILM GmbH. Die Gesellschaften wurden durch das Verbot also ebenfalls aufgelöst. Demgegenüber sprach Faeser am Montag von einem Verbot des Magazins. Das Verbot beziehe sich ausschließlich auf die redaktionellen Inhalte des Magazins und von Compact TV. Nun stellt sich aber die Frage, ob ein solches faktisches Medienverbot über das Vereinsverbot überhaupt zulässig ist und ob das Vereinsrecht in diesem Fall überhaupt anwendbar ist. Denn im Gegensatz zum Vereinsrecht liegt die Gesetzgebungskompetenz für das Presserecht nicht beim Bund, sondern bei den Ländern. Der Staatsrechtler Volker Boehme-Neßler in einem Interview mit der Welt:

„Also wir sehen etwas ganz problematisches und ganz heikles“, nämlich dass eine Regierung ein Pressemedium verbietet, das regierungskritisch ist. „Das kennen wir eigentlich eher aus autoritären Staaten“, so Boehme-Neßler. In Deutschland habe man aber die Pressefreiheit, also das Grundrecht der Presse, das sehr weit reiche und zwar deswegen, weil das Bundesverfassungsgericht das immer wieder betone – „ohne freie Presse gibt es keine Demokratie, Punkt“, so der Staatsrechtler weiter. „Und wir sehen jetzt, dass die Innenministerin da eingreift“. Zwar sei die Pressefreiheit wie jede andere Freiheit auch nicht grenzenlos, „sie hat auch Grenzen“, aber man dürfe in die Pressefreiheit nur eingreifen, wenn es streng verhältnismäßig sei und wenn es wirklich um etwas Wichtiges gehe, so der Experte weiter. „Und diese Abwägung spart sich die Innenministerin. Die Innenministerin praktiziert nämlich einen Trick. Der Trick ist, sie definiert die Redaktion und den Verlag von Compact als Verein und dann sagt sie, jetzt darf ich Vereinsrecht anwenden und dann verbiete ich Compact als Verein“. Einen Verein zu verbieten sei nicht so schwierig, und ein normaler Verein sei auch nicht durch die Pressefreiheit geschützt. Faeser umgeht sozusagen durch diesen Trick, also dass sie sich auf das Vereinsrecht stützt, die Pressefreiheit. „Und das ist juristisch völlig inakzeptabel.“

Nutzer sehen Parallelen zum Potsdam-„Geheimtreffen“

Auch in den Sozialen Medien weisen Nutzer darauf hin, dass der Fall Compact vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesverfassungsgericht landen könnte und das Verbot vermutlich rechtswidrig sei, weil Faeser das Vereinsgesetz missbraucht habe, um das Magazin zu verbieten. Der Thüringer AfD-Politiker Torben Braga teilte derweil auf X einige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, wonach Meinungen den Schutz des Grundrechts genießen, „ohne dass es darauf ankommt, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird.“ In einer anderen Entscheidung heißt es: „Die mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen, auch wenn sie in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlich und selbst wenn sie auf eine prinzipielle Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet sind, gehört zum freiheitlichen Staat.“ Und wieder in einer anderen: „Bürger sind rechtlich nicht gehalten, die Wertsetzungen der Verfassung persönlich zu teilen. Das Grundgesetz baut zwar auf der Erwartung auf, dass die Bürger die allg. Werte der Verfassung akzeptieren & verwirklichen, erzwingt die Werteloyalität aber nicht.“

Es bleibt also abzuwarten, wie es im Fall Compact weitergeht. In den Sozialen Medien wird hinter dem am Dienstag verkündeten Verbot inzwischen aber eine ähnliche Inszenierung vermutet wie vor einigen Monaten rund um das sogenannte Geheimtreffen in Potsdam.

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