Was Lobau-Aktivisten über den grünen Deep State verraten

Der Tenor in den Zeitungsredaktionen ist eindeutig: Wie kann man nur!? Da verschickte die Stadt Wien doch glatt Räumungsklagen an Aktivisten, die seit Monaten ein stadteigenes Grundstück besetzten, um den Bau des Lobautunnels zu verhindern, welches das Stadtentwicklungsgebiet Donaustadt an das Autobahnnetz anbinden und gleichzeitig andere Bezirke vom Schwer- und Durchzugsverkehr zu entlasten.
Kommentar von
6.1.2022
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6 Minuten Lesezeit
Was Lobau-Aktivisten über den grünen Deep State verraten

© Ivan Radic via flickr [CC BY 2.0]

Der Tenor in den Zeitungsredaktionen ist eindeutig: Wie kann man nur!? Da verschickte die Stadt Wien doch glatt Räumungsklagen an Aktivisten, die seit Monaten ein stadteigenes Grundstück besetzten, um den Bau des Lobautunnels zu verhindern, welches das Stadtentwicklungsgebiet Donaustadt an das Autobahnnetz anbinden und gleichzeitig andere Bezirke vom Schwer- und Durchzugsverkehr zu entlasten.

Über die Vor- und Nachteile des Projektes selber mag man diskutieren, und das perfekte große Infrastrukturprojekte ohne Nachteile muss noch erfunden werden. Allerdings ist der Lobautunnel nun einmal das Ergebnis eines langwierigen demokratischen Aushandlungsprozesses, in dem zahlreiche Interessen und Bedürfnisse gegeneinander abgewogen wurden, selbst diejenigen, die naturgemäß so ein Bedürfnis nicht geltend machen konnten: Die Flora und Fauna der Lobau wurden in Form einer Umweltverträglichkeitsprüfung berücksichtigt. Dennoch sollte dies nun mit einem totalitären Federstrich der Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) einfach weggewischt werden.

Die Vorarlberger kriegen nur eine neue Straße, wenn die Grünen Wähler in Wien-Neubau dies goutieren.

Selbstverständlich muss man zugestehen, dass auch die grüne Regierungsbeteiligung ein Ergebnis der demokratischen Willensbildung ist, wenn auch für die meisten der grünen Nichtwähler wohl ein schmerzhafter. Dennoch: Mit dem ewigen Argument Klimaschutz lässt sich praktisch in alles und jeden Lebensbereich der Bürger hineinregieren – bis dahin, was er zu denken hat. Mit der gendergerechten Sprache kann sogar dorthinein regiert werden, was der Einzelne zu denken hat. Ganz gleich ob es der Mehrheit der Gesellschaft gefällt oder nicht – die Denkgebote werden dennoch im offiziellen Schriftverkehr von Ämtern und öffentlich Rechtlichen durchgesetzt werden.

Dies musste auch der ehemalige Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) feststellen, als er sich plötzlich mit starken Protesten gegen sein Mur-Kraftwerk auseinandersetzen musste. Da machte sich ausgerechnet ein konservativer Stadtchef für klimaschonende Wasserkraft stark und sah sich plötzlich dem Widerstand einer wilden Mischung aus Grünen, Kommunisten und linksprogressiven Studenten gegenüber, die sich in ihrem Studium der Bekämpfung des Klimawandels widmeten. Und mit welcher Begründung: Der Bau des Wasserkraftwerkes würde das Mikroklima der Stadt schädigen, weil ein paar Bäume dafür gerodet werden müssten.

All dies begleitet unter dem tosenden Applaus der Medien, die hinter dieser Argumentation auch nicht den geringsten Widerspruch erkennen konnten. Die daraufhin gewonnenen Neuwahlen gewann schließlich Nagl fulminant – ausgerechnet gegen diese Koalition aus Kommunisten und Grünen, die heute die Stadtregierung stellt, unter nicht minderem Jubel der Medien. Dass die Wahlbeteiligung bei leidigen 53 Prozent lag, tut dem keinen Abbruch. Genauso wenig, wie dass die meisten derer Unterstützter Studenten sind, die ohnehin bald wieder weg sind aus Graz und dann von ihren „städtebaulichen“ Maßnahmen beziehungsweise deren Verhinderung kaum noch etwas haben. Naja, dank der vielen Tagesfreizeit sind es ausgerechnet diejenigen, die schließlich am allermeisten in der neugeschaffenen Augarten-Bucht chillen.

Nicht nur Österreich, sondern natürlich auch in Deutschland ist dies so. Ausgerechnet der Ausbau des öffentlichen Fernverkehrs in Form des Bahnhofes Stuttgart 21 wurde über Jahre verzögert bis hin zu einer Volksabstimmung. Die meiste Ablehnung für das Projekt gab es in den grünaffinen Studentenstädten Freiburg und Heidelberg (bzw. parteilosen Bürgermeistern, denen die aktuellen Grünen nicht fanatisch genug sind) – weitab vom Geschehen.

Als Argumente gegen den Fortschritt und Lebensqualität anderer, dienen hier zumeist irgendwelche wolkigen Ausdrücke wie Klimaschutz, Gender- und Diversity, Allgemeinwohl und Solidarität. Gegen die man sehr schwer ankommt, ohne als „Schlechtmensch“ dazustehen. Obwohl Grüne, dank ihrer wohlständigen Geburt, praktisch selber die größten Vielflieger und Umweltverschmutzer sind, sind sie der Meinung, dass Vorarlberger nur Anspruch auf eine neue Schnellstraße haben, wenn dies den grünen Wählern 1.000 Kilometer entfernt in Wien Neubau gefällt.

Und wenn schließlich alle Stricke reißen, so werden juristische Geschütze aufgefahren, um sich gegen die Wünsche und Bedürfnisse der Mehrheitsgesellschaft, dessen finanziellen und zeitlichen Aufwand man sich leisten können muss. So wurde die ehemalige dänische Migrationsministerin Inger Støjberg von einem exotischen Sondergericht zu 60 Tagen Haft verurteilt, wie es in der dänischen Geschichte erst sechs gegeben hat. Ihr Vergehen: westliche Werte in Bezug auf Kinderehen bei Flüchtlingspaaren durchzusetzen.

Bürgerlicher Ungehorsam wird mit bürgerlichem Wohlstand belohnt

Die Frage ist, warum kann man es sich als demokratische Partei überhaupt leisten, so sehr gegen die Bedürfnisse einer Mehrheit zu agieren? Weil man es kann und diesen anstrengenden Überzeugungsprozess eigentlich gar nicht nötig hat. Als wohlsituierte Minderheit kann man den Rechtsstaat so lange traktieren, bis man seinen Willen bekommt. Da man in der Uni nebeneinandergesessen hat, die gleichen Irgendwas-mit-Menschen-Vorlesungen und dieselben Diskussionssesselkreise besucht hat, übernehmen die Medien auch gerne die akademischen Argumente ungeprüft. Studiert hat man auch, also weiß man, dank der Autorität des Bildungsdünkels, dass ein in der Donaustadt ansässiger Gas-Wasser-Installateur den Lobautunnel nicht braucht, sondern sein Tagwerk auch mit dem Lastenrad bewerkstelligen kann. Wenn nicht, ist er nur ein böser Nazi, der die Welt mit seinen CO2-Abgasen in Brand stecken will.

Da brauchen die Medien auch gar nicht groß weiter recherchieren, wenn die Grünen etwas verkünden. Etwa als ein Grüner an ein Medium durchgestochen hat, die zukünftige Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock wäre immer so akribisch vorbereitet und strotze nur so vor Faktenwissen. Alle anderen haben dies einfach so abgeschrieben – die Wahlprognosen schossen durch die Decke – und dann machte Baerbock den Mund auf und jeder konnte sich selbst ein Bild machen, als die heutige deutsche Außenministerin mit Gegenargumenten konfrontiert wurde.

Doch nicht nur in den Medien, auch in den staatlichen Institutionen sind die Grünen längst angekommen, jedes zweite Grüne Parteimitglied ist im öffentlichen Dienst beschäftigt, so viele wie in keiner anderen Partei und mit 26 Prozent ist man unter dieser Berufsgruppe auch die zweitstärkste Partei. Was die dort wohl so machen? Nun, neue Straßen planen ist es wohl nicht, einige zu verhindern schon eher. Warum auch nicht, Stellen des öffentlichen Dienstes sind in der Regel sehr zentral gelegen und mit dem öffentlichen Verkehr erreichbar. Der Steuerzahler sorgt auch dankenswerterweise dafür, dass die Innenstadtwohnung mit regelmäßigen Gehaltsanpassungen leistbar bleibt. Die ausgelagerte Putzfrau muss halt eine Stunde länger anreisen, um für sechs Euro die Stunde die Mülleimer zu leeren.

Die wissenschaftliche Fundierung kommt von den Universitäten, an denen zwar gerne und methodisch oft auch super-korrekt die Bedrohung von rechts (also alles was nicht akademisch-links-progressiv ist) erforscht wird, der CO2-Fußabdruck eines jeden Kühlschrankes und daraus Politikempfehlungen abgeleitet. Selbstkritisches in Form von Fragen, die dem eigentlichen Standesdünkel und Selbstverständnis des liberalen progressiven Linken schaden würden, werden gar nicht gestellt und somit auch gar nicht erst in politisches Handeln gegossen werden können. Belohnt werden diese schließlich mit Posten des öffentlichen Lebens, etwa in der „Klimakrisen-Kommunikation“ oder Forschungsprojekten der öffentlichen Hand – also von den grünen Parteifreunden. Der praktische Mehrwert der meisten dieser Projekte für die Gesellschaft oder auch nur für das Klima geht zumeist gegen Null – dank des üppigen Gehaltes können jedoch viele dieser Grünen noch mehr CO2 in die Luft blasen. Dass Wissenschaft, Klimaaktivismus und öffentliche Positionen inzwischen zu einer Drehtür geworden für Grüne geworden sind, zeigen die Beispiele der österreichischen Grünen Elionore Gewessler und Siegrid Maurer.

Entsprechend ist der grüne Deep State keine Verschwörung, wie man ihn sich in Hollywood-Filmen ausmalt. Mit alten grauen Männern mit Zigarren, die Geheimpläne wälzen. Vielmehr handelt es sich um eine akademische Elite, ohne jede Bodenhaftung zu den arbeitenden Menschen, die die staatlichen Ressourcen als Selbstbedienungsladen für sich entdeckt hat. Um es mit – in diesen Kreisen so beliebten – Karl Marx zu sagen, eine bürgerliche Klasse, die dank des perfekten Zusammenspiels innerhalb von Medien, ihren Aufgabengebieten innerhalb staatlicher Institutionen und universitären Ressourcen verbunden durch ein gemeinsames linksprogressives Narrativ. In diese haben andere Meinungen und Sichtweisen – besonders konservative – keinen Zutritt. Ganz im Gegenteil werden diese sogar als antidemokratisch und spalterisch diffamiert.

Der grüne Deep State ist natürlich keine Verschwörung, wo man sich in einem grauen Hinterzimmer trifft, um dort den weiteren Lauf des Landes zu planen. Doch eine hochprofessionelle Maschinerie einer akademischen Elite, die völlig losgelöst von den Bedürfnissen der großen Mehrheit ihren Willen durchsetzt, der noch dazu von einer materiellen Sättigung getrieben ist. Und wenn unsere grüne Oberschicht keinen Bedarf mehr an materiellen Freuden hat, so darf den gefälligst gar keiner mehr haben, wurscht, ob wie materiell depriviert dieser jemand ist.

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Mehr zum Thema:

Die Klimareligion und ihre Jüngerinnen (17.12.2021)

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Simon Veblen

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