Wieso eine Maaßen-Partei scheitern würde
In seinem Kommentar erklärt Tomasz M. Froelich, warum konservativ-liberale Parteien immer scheitern und wieso jene, die häufig als „Liberalkonservative“ bezeichnet werden nach politikwissenschaftlichen Kriterien in Wirklichkeit keine sind. Als Beispiel führt er neben Krall auch Sarrazin und Maaßen an.
Ein Gespenst geht um in Deutschland – das Gespenst der nächsten erfolglosen Parteigründung rechts der CDU und links der AfD. Nachdem der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen wegen angeblich antisemitischer und verschwörungsideologischer Aussagen von der CDU-Parteispitze zum Parteiaustritt aufgefordert wurde, wählte ihn die WerteUnion kurzerhand zum neuen Vorsitzenden.
Der Gedanke, aus der WerteUnion eine eigene Partei zu machen, machte schnell die Runde. Der bekannte libertäre Publizist Markus Krall twitterte bereits: „Wenn die CDU die WerteUnion unbedingt loswerden und aus der Union rauswerfen möchte, dann wäre es ein logischer Schritt, aus der WerteUnion eine neue konservativ-liberale Partei zu machen. Die gibt es nämlich in Deutschland nicht mehr. Und ja: Dann wäre ich dabei.“
„Liberal-konservative“ Parteien scheitern immer
Markus Krall irrt. „Konservativ-liberale“ Parteien gab und gibt es in Deutschland zuhauf: Die von Bernd Lucke gegründeten Liberal-Konservativen Reformer. Die von Frauke Petry gegründete und inzwischen wieder aufgelöste Blaue Partei. Das Bündnis Deutschland etc. Sie alle haben neben ihrer inhaltlichen Ausrichtung eines gemeinsam: Keinen Erfolg. Und dieser würde sich auch bei einer zur Partei gewordenen WerteUnion nicht einstellen.
Das liegt, neben dem Mangel an Personal, der Schwierigkeit der Etablierung einer neuen politischen Marke, der fehlenden Nachfrage nach einer solchen, und dem obsessiven Fokus aufs Bürgertum als elektorale Zielgruppe, vor allem an dem krampfhaften Bestreben, dort eine Distanz zur AfD aufzubauen, wo es politisch am meisten zu holen gibt, nämlich in Fragen der Migration, der Identität, der Geopolitik und der übergeordneten globalistischen Agenden.
In Fragen der Migration tritt man auf die Bremse, um dem Nazivorwurf zu entgehen. Die Relevanz für Fragen der Identität erkennt man mangels ideologischer Bildung nicht und hält sie für Voodoo. Geopolitisch steht man auf der Seite der Transatlantiker und Neocons, weil man immer noch in Kategorien des Kalten Krieges denkt. Und den Globalismus hält man für ein Schlagwort von Verschwörungstheoretikern, in deren Ecke man nicht gerückt werden möchte. Kurzum: Man ist langweilig und sinnlos.
Wirtschaftsliberalismus funktioniert nur mit Wohlfahrtschauvinismus
Stattdessen betont man die eigene Bürgerlichkeit, die niemanden interessiert, obwohl man selbst oft nur in der dritten Liga der Bürgerlichkeit mitspielt, statt in der Beletage. Man will dazugehören, wird aber nur ausgelacht. Und man inszeniert sich als wirtschaftsliberal, was an sich keine falsche Position ist, nur ist diese eben nur dann erfolgsversprechend, wenn man sie mit identitären, ethnokulturellen und antiglobalistischen Inhalten verknüpft.
Das geht, indem man den Vorrang von Familie und kleinen Gemeinschaften vor einem aufgeblähten Staat betont. Das geht durch Verschmelzung mit ethnizistischen Positionen, etwa der Verknüpfung des Leistungsgedankens mit nationaler Souveränität, relativer Homogenität des Volkes und Identität. Das geht durch die bewusste Setzung populistischer und wohlfahrtschauvinistischer Chiffren, etwa indem man Polaritäten aufzeigt: Volk versus Elite, Volksempfinden versus veröffentlichte Meinung, Autochthone versus Allochthone, der „kleine Mann“ und KMUs versus Big Biz, usw.
Rein ökonomische Argumentationsmuster, seien sie nun eher wirtschaftsliberal oder etatistisch, interessieren außerhalb des Elfenbeinturms fast niemanden, was nicht heißt, dass man sie nicht diskutieren sollte.
Wirtschaftsliberalismus ohne Wohlfahrtschauvinismus funktioniert nicht. Aber für Letzteren sind sich viele derer, denen die AfD zu schmuddelig ist, aufgrund dieses Distinktionsbedürfnisses zu schade.
Parteien sind keine One-Man-Shows
Hinzu kommt, dass dieses ganze Milieu, das rechts der Union und links der AfD steht, in sich schon sehr heterogen ist. Nach politikwissenschaftlichen Kriterien sind die, die häufig als „Liberalkonservative“ („LibKons“) bezeichnet werden, in Wirklichkeit keine.
Ein Markus Krall ist ultralibertär, ein Thilo Sarrazin, der in den Träumen derer, die die WerteUnion zu einer Partei umformen wollen, sicherlich eine Rolle spielen dürfte, ist hingegen ein migrations- und islamkritischer Etatist, während ein Hans-Georg Maaßen irgendwo dazwischen stehen dürfte. Spätestens dann, wenn solche Akteure in einem Boot säßen, wäre es nur eine Frage der Zeit, bis sie sich gegenseitig demontieren würden. Bisher konnten sie als Solitäre agieren, was sich in einem Parteiprojekt aber schlagartig ändern würde. Viele kämen damit nicht zurecht.
Eine Partei ist schließlich mehr als die Summe vieler One-Man-Shows. Das musste Bernd Lucke erfahren. Das musste Frauke Petry erfahren. Der WerteUnion würde es nicht anders gehen.
Zur Person:
Tomasz M. Froelich, Jahrgang 1988, ist gebürtiger Hamburger und arbeitet bei der ID-Fraktion im EU-Parlament. Der studierte Ökonom und Politologe ist zudem seit 2019 stellvertretender JA-Bundesvorsitzender.
Twitter: https://twitter.com/TomaszFroelich