Freilich #32: Süchtig nach dem Kick

Wohneigentum und Wohnungsnot: Die soziale Frage nicht den Linken überlassen!

Der AfD-Politiker Carlo Clemens kritisiert den Wahlerfolg der Linkspartei als Täuschung: Sie gewinne mit sozialen Versprechen, obwohl sie selbst für hohe Wohnkosten mitverantwortlich sei. Doch er sieht auch Chancen für die AfD.

Kommentar von
22.3.2025
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6 Minuten Lesezeit
Wohneigentum und Wohnungsnot: Die soziale Frage nicht den Linken überlassen!

Deutschland kämpft seit geraumer Zeit mit seiner Wohnungspolitik. (Symbolbild)

© IMAGO / Joko

Das letzte Wahlergebnis der Linkspartei sorgte für große Überraschung. Spätestens durch die Abspaltung der Galionsfigur Sahra Wagenknecht schien ihr Ende besiegelt. Doch konnte die totgesagte Partei mit 8,8 Prozent der Stimmen in fast verdoppelter Stärke wieder in den Bundestag einziehen, während das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte. Die neue Parteiführung setzte mit dem Schwerpunkt „Bezahlbares Wohnen“ ein Thema ins Schaufenster, das die Lebensrealität der allermeisten Menschen anspricht. Dabei ist die Linke mitverantwortlich für explodierende Wohnkosten.   

Die Linkspartei feierte Erfolge bei urbanen Schichten, Jungwählern, Frauen und Muslimen mit Einwanderungshintergrund. Eine von den Grünen enttäuschte Wählerklientel entschied sich diesmal für das linke Original. Mit einem bodenständig anmutenden Haustürwahlkampf spielte die Partei zudem geschickt die klassenkämpferische Karte. Zum Narrativ gehörte es, teils unbezahlbare soziale Versprechungen zu machen, teils alte Ressentiments gegen den „Klassenfeind“ zu schüren.

Überraschender Erfolg der Linkspartei

Es wurde ein staatliches 200-Milliarden-Euro-Programm für den „sozialökologischen Industrieumbau“ gefordert, zugleich die „Vergesellschaftung“ aufgegebener Standorte der Automobilindustrie, „preisgünstige Sockeltarife“ sowie ein „Klimageld“ für Strom und Heizung. Transformationsbedingt steigende Energiekosten sollen vom Staat gedeckelt werden. Weiß der Geier, wer das bezahlen soll – der „Energie-Soli“ für ein paar „Reiche“ wird nicht ausreichen. Das Gleiche gilt für die Sanierung der Schulen, Einstellung von Lehrpersonal, kostenlose Lernmittel, Schulbusse und Mittagessen. Der Mindestlohn soll angehoben, das Bürgergeld „sanktionsfrei“ vergeben und obendrauf eine „solidarische Einwanderungsgesellschaft“ geschaffen werden. Willkommen im Schlaraffenland!

Zu diesem Utopia gehört auch ein bundesweiter Mietendeckel. „Ist die Miete zu hoch, freut sich der Vermieter“, lautete ein Wahlplakat. Dabei sind zwei Drittel der Vermieter in Deutschland keine ausbeuterischen Miethaie, sondern Privatpersonen, ergo Kleinvermieter, die meist nur einen geringen Zuverdienst generieren. Bis zu 25 Prozent der Vermieter schreiben laut Erhebungen von Interessenverbänden sogar einen Verlust oder haben nur einen minimalen Gewinn aus der Vermietung.

Bereits jetzt gaben 35 Prozent an, aufgrund der hohen Kosten nicht mehr Geld in ihren Wohnbestand zu investieren. Der Verband „Haus und Grund“ merkt an, dass in den letzten Jahren die Löhne stärker als die Mieten gestiegen seien. Über 50 Prozent der Vermieter sehen zu niedrige Einnahmen aus dem Mietgeschäft als Hemmnis für notwendige Sanierungs- und Renovierungsmaßnahmen ihrer Immobilien. Da Vermieter in der Regel an einem harmonischen Verhältnis zu ihren Mietern interessiert seien, fänden größere Mieterhöhungen häufig erst bei Neuverträgen statt. Ein Drittel der Vermieter erhöht die Mieten während der Laufzeit eines Vertrags demnach gar nicht. Somit haben wir die Situation, dass viele Altmieter Jahrzehnte in günstigen Wohnungen verweilen, auch wenn diese womöglich zu groß oder nicht mehr praktikabel geworden sind. Umzüge werden herausgezögert, Wohnungswechsel nach dem jeweiligen Bedarf finden kaum statt.

Bezahlbares Wohnen als Wahlversprechen

Zuletzt sind weniger die Kalt- als die Warmmieten massiv gestiegen. So sind die Mietnebenkosten für Bestandswohnungen in den Metropolen seit 2022 um 20 Prozent gestiegen, deutschlandweit um rund 17 Prozent. Dieser Umstand wird von der Linken nicht infrage gestellt. Sie steht – auch aus der Opposition heraus – exakt für jene radikale Transformationspolitik im Energie- und Gebäudebereich, die den Otto Normalbürger, der überwiegend in Altbauten wohnt und mit Gas oder Öl heizt, immer stärker belastet.

Die Linke ist Teil des Problems. Ihre einfach klingenden Angebote zur Regulierung des Wohnungsbestands (bei faktischer Verhinderung von preisgünstigem Neubau) sind Scheinlösungen. In diese Lücke kann die AfD als echte „Partei der einfachen Leute“ vorstoßen. Schließlich wird sie von Arbeitern, kleinen Selbstständigen und Menschen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen überproportional gewählt. Das gebietet, sich in der politischen Kommunikation besonders als Stimme dieser Menschen und ihrer Interessen zu verstehen.

Das Statistische Bundesamt teilte 2023 mit, dass Bürger durchschnittlich 27,3 Prozent ihres Einkommens für die Bruttokaltmiete ausgeben, eine steigende Tendenz. Insgesamt hatten 16 Prozent aller Mietwohnungs-Haushalte eine Mietbelastung von mehr als 40 Prozent, was vor allem auf Geringverdiener zutrifft. Alleinerziehende oder Familien mit Kindern haben besonders unter den Fehlentwicklungen zu leiden. Gerade für sie wird es in den Ballungsräumen auf dem durch unentwegte Zuwanderung angespannten Mietwohnungsmarkt immer schwerer, gar unmöglich, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Viele Sozialwohnungen fallen zudem Jahr für Jahr aus ihren alten vertraglichen Mietbindungen heraus. Rund 16 Prozent der Haushalte mit Kindern leben statistisch in einer überbelegten Wohnung.

Mietendeckel und die Realität der Vermieter

Vor solchen Entwicklungen kann eine sich volksnah verstehende Partei nicht die Augen verschließen. Was die AfD angesichts der Wohnungsnot als die große soziale Frage unserer Zeit anbietet, ist allerdings wenig einfühlsam. Die Programmatik folgt auch hier der Marktlogik: würde der Staat für die richtigen Rahmenbedingungen sorgen, würde die hohe Nachfrage durch private Investoren schon bedient. Dass wir weniger Bürokratie und weniger kostentreibende bauliche Standards für den Neubau bräuchten, vor allem im Bereich der Klimavorgaben, steht außer Frage. Doch besteht darüber hinaus nicht auch eine Verpflichtung, jenen Menschen innerhalb der Solidargemeinschaft unter die Arme zu greifen, die durch die aktuellen Entwicklungen akut von einem spürbar sinkenden Lebensstandard betroffen sind?

Es sollte eine Partei, die so viel vom Patriotismus spricht, nicht kaltlassen, wenn immer größere Teile des Volkes einen immer größeren Anteil ihres hart verdienten Einkommens fürs Wohnen aufbringen müssen. Für den empathischen Blick bedarf es mehr, als die Hände in den Schoß zu legen und auf die heilsamen Kräfte des Marktes zu vertrauen. Es braucht eine aktivierende Positionierung, die man den Menschen in den Ballungsräumen beherzt verkaufen kann.

Die AfD fordert mehr Wohnungsneubau, die Ausweisung von mehr Bauland, die Absenkung kostentreibender Standards und einen günstigeren Zugang zu Energie, beispielsweise durch ein Ende der Sanktionen gegen Russland. Zudem fordert sie die Abschaffung der Grundsteuer, die meist auf die Mieter umgelegt wird, und die Unterstützung bedürftiger Mieter durch Wohngeld. Diese Forderungen sind ausbauwürdig. So lehnt die AfD den sozialen Wohnungsbau in ihrem Programm unter anderem mit berechtigtem Verweis auf die mutmaßlich hohen Fehlbelegungen ab. Dabei hat Deutschland eine erfolgreiche und ehrwürdige Tradition des sozialen Wohnungsbaus und des Genossenschaftswesens, an die man anknüpfen kann.

Steigende Warmmieten und Transformationspolitik

Deutschland hat die niedrigste Wohneigentumsquote der EU. Im EU-Vergleich sind deutsche Eigenheimerwerber relativ alt. Das hat auch Auswirkungen auf den Mietwohnungsmarkt. Viele Angehörige der unteren Mitte haben heute nicht mehr die Möglichkeit, ins Wohneigentum zu wechseln und Mietwohnungen „freizuziehen“. Sogenannte „Sickereffekte“ bleiben aus. Für sie gibt es den Begriff des „Schwellenhaushalts“; laut Duden ein „Haushalt, dem es ohne staatliche Förderung finanziell nicht möglich ist, Wohneigentum zu erwerben“. Zu hohe Immobilienpreise, zu wenig Angebot, zu hohe Bau- und Finanzierungskosten, zu hohe Anforderungen an das mitzubringende Eigenkapital sind die Gründe. Dabei ist Wohneigentum nicht nur für die Vermögensbildung wichtig; das Haus mit Garten ist sicherlich auch das beste Heim für eine Familie mit Kindern.

Eine Forderung, die spürbare Verbesserungen schaffen könnte, wäre die komplette Streichung der Grunderwerbsteuer auf die selbst genutzte Wohnimmobilie. Das wären in den meisten Bundesländern zwischen 5 und 6,5 Prozent des Kaufpreises, der eingespart werden könnte – hohe fünfstellige Summen, die der Durchschnittsbürger (sofern er kein glücklicher Erbe ist) selten auf der hohen Kante hat.

Die AfD als Alternative für „einfache Leute“

Eine weitere Möglichkeit, die untere Mitte entscheidend zu unterstützen, stellen staatliche Bürgschaften als Eigenkapitalersatz dar. Die Bereitstellung von zinsvergünstigten Krediten durch Förderbanken oder ein neues Baukindergeld ergänzen die Hilfestellung. Es könnten staatliche Anreize und politische Vorgaben gemacht werden, um öffentliche Wohnungsbauunternehmen dazu zu bringen, Wohnungen an geeignete Mieter zu verkaufen – freilich mit der Auflage, die Erlöse in den Bau neuer günstiger Sozialwohnungen zu reinvestieren. Der Staat kann durchaus eine aktive Rolle spielen, um wünschenswerte politische Ziele zu erreichen. Diese „kümmernde“ Rolle vermag man, als Partei positiv nach außen zu transportieren. Es trägt dem hohen Stellenwert von „sozialer Sicherheit“ bei der jungen Wählerschicht Rechnung. Auch für die bereits überzeugte AfD-Wählerschaft gehören steigende Preise und der eigene Lebensstandard zu den politischen Prioritäten.

Die Bevorzugung des selbstgenutzten Eigentums unterstreicht den familien- und vermögenspolitischen Aspekt der Wohneigentumsförderung und ist besser zu kommunizieren als pauschale Grunderwerbssteuersenkungen für alle, von denen überproportional jene profitieren, die gar keine Nöte bei ihrer Wohnsituation haben. Rund ein Viertel der Wähler zwischen 25 bis 44 Jahren hat bei der letzten Bundestagswahl AfD gewählt. Die Botschaft an diese Wählergruppe, die im Leben steht und Familien gründet, muss lauten: mit der AfD kannst du dir den Traum vom Familienheim erfüllen, weil wir ganz konkret Dinge umsetzen werden, von denen du profitierst!     

Die linkspopulistischen Utopien von Mietendeckel und Klassenkampf können nicht die Lösung sein. „Kalter“ Neoliberalismus lässt jedoch viel Potenzial bei der aktiven Ansprache von Zielgruppen liegen. Neben ihrer klaren Haltung gegen unbegrenzte Zuwanderung als unweigerlichen Treiber der Verteilungskämpfe auf dem Wohnungsmarkt sollte die AfD einen aktivierenden, kommunitaristischen Weg einschlagen, der nichts mit linken Irrwegen zu tun hat. Der Kommunitarismus (aus dem Lateinischen communitas für „Gemeinschaft“) setzt auf Eigenverantwortlichkeit des Individuums, betont aber auch die Wichtigkeit des sozialen Wirkens auf die Umgebung. Er ist bemüht, schon in der politischen Planung gemeinschaftliche Strukturen wie Familie und Nachbarschaft zu stärken. Er hat das Gemeinwohl im Blick. Vergessen wir nicht unsere Leute: Das Dach über dem Kopf geht alle an!  

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Carlo Clemens

Carlo Clemens ist studierter Historiker und Germanist. Er ist Mitglied des Landtags von Nordrhein-Westfalen und wohnpolitischer Sprecher der AfD-Landtagsfraktion

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