„Zeitenwende“: Digitale Überwachung wird unter Schwarz-Rot vorangetrieben
Die Union strebt weitreichende Überwachungsmaßnahmen an – darunter eine längere Vorratsdatenspeicherung und eine Hintertür für Messenger. Die SPD geht nur teilweise mit.
Die SPD sieht einige Forderungen der Union noch kritisch.
© IMAGO / Andreas GoraBerlin. – Die Verhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD zur Regierungsbildung zeigen erhebliche Differenzen in Fragen der Sicherheitspolitik. Insbesondere die Union fordert weitreichende Überwachungsmaßnahmen, die über die bestehenden Gesetze hinausgehen. Zwar besteht Einigkeit über eine Speicherpflicht für IP-Adressen und Port-Nummern, in anderen Bereichen geht der Vorstoß der Union der SPD jedoch zu weit.
Forderung nach „Zeitenwende in der Inneren Sicherheit“
Laut dem von Netzpolitik.org veröffentlichten Abschlusspapier der zuständigen Arbeitsgruppe fordert die Union eine „Zeitenwende in der Inneren Sicherheit“. Diese Position steht in direktem Gegensatz zu den Bemühungen der bisherigen Ampelkoalition, staatliche Überwachungsmaßnahmen einzudämmen. Die SPD hatte sich in der Vergangenheit erfolgreich gegen eine umfassende Vorratsdatenspeicherung gewehrt und sieht sich nun wieder in der ablehnenden Rolle in dieser Frage.
Streit um Vorratsdatenspeicherung
Besonders umstritten ist die Speicherdauer von IP-Adressen und Port-Nummern. Die Union fordert nun eine Speicherfrist von sechs Monaten und geht damit über ihren eigenen Gesetzentwurf vom Dezember 2024 hinaus, der drei Monate vorsah. Bereits diese Frist hatte die SPD als zu weitgehend abgelehnt. Der SPD-Politiker Daniel Baldy kritisierte damals: „Mich erinnert das bei Ihnen eher so an wildes Zahlenraten als an seriöse Grundrechtsabwägung.“
Die SPD könnte die Union auch an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs erinnern, wonach die Vorratsdatenspeicherung „auf das absolut notwendige Maß“ beschränkt werden muss. Sonst drohe ein erneutes Scheitern vor Gericht.
Automatisierte Datenanalyse und biometrische Überwachung
Ein weiterer Streitpunkt ist die geplante „automatisierte Datenrecherche und -analyse sowie der nachträgliche biometrische Abgleich mit öffentlich zugänglichen Internetdaten“ unter Einsatz Künstlicher Intelligenz. Diese Maßnahme war bereits in der vergangenen Legislaturperiode vom Bundestag beschlossen, aber vom Bundesrat gestoppt worden.
Je nach Umsetzung könnte diese Datenanalyse gegen die europäische KI-Verordnung verstoßen, die den Aufbau biometrischer Datenbanken aus frei zugänglichen Internetfotos verbietet. Erlaubt wäre hingegen eine retrograde biometrische Fernidentifizierung zur Aufklärung schwerer Straftaten. Ergänzend fordert die Union eine verstärkte Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten.
Hintertür für Messengerdienste?
Besonders umstritten ist die Forderung der Union, Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste zu verpflichten, „im Einzelfall zur Entschlüsselung und Ausleitung von Kommunikationsinhalten an Strafverfolgungs- und Gefahrenabwehrbehörden“ mitzuwirken. Dies würde faktisch eine Hintertür in verschlüsselte Messengerdienste wie WhatsApp oder Signal bedeuten.
Die SPD sieht diese Pläne teilweise kritisch und dürfte sich in den Verhandlungen gegen eine zu weitgehende Aushöhlung der digitalen Privatsphäre wehren. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Union mit ihren Forderungen durchsetzen kann.
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