„Es fehlen Kinder, Kinder, Kinder!“

Im Interview mit FREILICH spricht Martina Jost (AfD) über ihre Arbeit als Landespolitikerin in Sachsen, ihr Projekt gegen Quotenregelungen und die Familienpolitik der sogenannten Altparteien.

Interview von
7.2.2023
/
7 Minuten Lesezeit
„Es fehlen Kinder, Kinder, Kinder!“

FREILICH: Frau Jost, Sie kümmern sich innerhalb Ihrer Partei um die Bereiche Familien- und Kommunalpolitik – eine eher ungewohnte Kombination. Darum zu Beginn gleich die Frage: Wie sind Sie zu diesen beiden Fachbereichen gekommen?

Martina Jost: Als lange Zeit berufstätige Mutter, die drei Söhne großgezogen hat, ist mir die Stärkung der Familie schon von Haus aus ein wichtiges Thema. Denn die Sorgen und Nöte vieler Familien sind mir aus eigener Erfahrung vertraut. Das betrifft besonders auch den Bereich der Angehörigenpflege! Denn ich habe meinen Vater bis zu seinem Tod betreut. Hier muss in der Politik noch viel getan werden. Es war daher nur folgerichtig, sich für diesen Bereich zu entscheiden! Mit meiner bereits seit langer Zeit angedachten Kampagne „Qualität ohne Quote“ (www.qualitaet-ohne-quote.de) will ich zudem vielen Frauen, die in der Familie täglich Großartiges leisten, den Rücken stärken. Mein Fokus liegt deshalb in Sachsen im Übrigen weniger auf Familienthemen im Allgemeinen, sondern eher auf der Unterstützung der Frauen sowie Mütter.

Auch der Weg zur Kommunalpolitik war fast zwangsläufig: Denn das Gespräch mit Vertretern der kommunalen Basis der AfD bleib mir stets wichtig. Gerade mit unseren fleißigen, oft ehrenamtlich tätigen Mandatsträgern können wir in den Gemeinden, aber auch auf Landkreisebene viel bewegen, mitunter mehr als auf Bundesebene. Wie erfolgreich eine zielgerichtete und kluge Kommunalpolitik sein kann, zeigt beispielsweise aktuell der Kreistag Bautzen: Dort hat die CDU-Fraktion am 12.12.2022 fast geschlossen einem Antrag der AfD-Fraktion zur Leistungskürzung bei abgelehnten Asylbewerbern zugestimmt!

Kommen wir zur Familienpolitik. Die Ampelregierung in Berlin ist mehr als ein Jahr im Amt, die sächsische Staatsregierung unter Kretschmer regiert voraussichtlich nur bis Herbst 2024. Die Altparteien treiben dabei immer mehr ihre linksgrünen Ideen und Projekte voran. Wie ist Ihr bisheriges Fazit der letzten Jahre?

Die sächsische CDU unter Ministerpräsident Kretschmer orientiert sich hier an den ideologischen Anliegen des grünen Koalitionspartners. Das zeigt sich beispielsweise beim gerade auf den Weg gebrachten Gleichstellungsgesetz in Sachsen: Angeblich soll dies vor allem der Vereinbarkeit von Familie und Beruf dienen, tatsächlich ist es ein Beschäftigungsprogramm für sogenannte „Gleichstellungsbeauftragte“ im öffentlichen Dienst. Eine wirksame Erhöhung des Landeserziehungsgeldes steht noch immer aus, während Steuermillionen in linksideologische Vereine gesteckt werden, die alles, aber nicht die traditionelle Familie aus Mutter, Vater und Kind befördern.

In extremerer Form erleben wir das gerade beim in Vorbereitung befindlichen „Selbstbestimmungsgesetz“ auf Bundesebene: Laut diesem Gesetz können bald Jugendliche mit Unterstützung des Staates ohne elterliche Zustimmung ihr Geschlecht ändern. Auch hier ein klarer Angriff auf die Familie, dem leider viele weitere folgen werden!

Wo liegt aktuell die größte Not in der bundes- und landesweiten Familienpolitik?

Es fehlen Kinder, Kinder, Kinder! Der Freistaat Sachsen hat seit 1990 mehr als 730.000 Einwohner und damit 15 Prozent seiner Gesamtbevölkerung verloren. Das entspricht prozentual der Entwicklung in der gesamten ehemaligen DDR – während in Westdeutschland vor allem durch Massenzuwanderung die Bevölkerungszahl sogar gestiegen ist. Zuwanderung ist aber keine Lösung all unserer Probleme, sondern schafft viele neue Probleme.

Wir brauchen deshalb vor allem eine finanzielle Entlastung einheimischer Familien, die Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf sowie Anreize zur Familiengründung. In Ungarn erhalten Familien mit drei Kindern beispielsweise einen Zuschuss in Höhe von rund 27.000 Euro und viele weitere Vergünstigungen. Warum ist das nicht in Deutschland möglich?

Bundes- und landesweite Quotenregelungen, Durchsetzung der Gendersprache, „Werbung“ für sogenannte Transsexualität, Ämterrochaden aufgrund des „falschen Geschlechts“ wie in Thüringen – immer mehr geht es in der Welt der Altparteien um das „richtige Geschlecht“, um Abbau von „Diskriminierungen“ und andere skurrile Themen. Vor allem das Beispiel der Gendersprache, welche gegen einen großen Willen der Bürger vorangetrieben wird, zeigt die antidemokratische Tendenz dieser Entwicklungen. Salopp formuliert: Die Familie und vor allem Kinder bleiben oftmals außen vor. Haben wir es in diesem Zusammenhang mittlerweile mit einer anti-familiären Politik einer kleinen polit-medialen Elite zu tun, obwohl die Familie durch das Grundgesetz besonders geschützt wird?

Ja – die Familie mit Kindern soll laut diesen weltfremden Ideologen der Vielfalt sogenannter „LGBTQ+“-Lebensentwürfe untergeordnet werden. Diese Ideen wurzeln unter anderem auch in der „Queer-Theorie“ der amerikanischen Poststrukturalistin Judith Butler. Solche akademischen Theorien entsprechen aber in keiner Weise der Realität der meisten Bürger in Deutschland und auch nicht der besonderen Schutzwürdigkeit der Familie, die die Bonner Väter unseres Grundgesetzes tatsächlich vorgesehen haben! Ohne Familien ist nun mal auf lange Sicht keine Gesellschaft und kein Staat denkbar!

Welches Menschenbild beziehungsweise welche Ideologie liegt hinter so einer „Familienpolitik“ der Altparteien?

Für Linke und Liberale zählt die Familie inzwischen zu den größten Feindbildern. Der marxistisch-materialistische Vordenker der Frankfurter Schule, Max Horkheimer, identifizierte die Familie als vermeintliche „Keimzelle des Faschismus“. Die 68er betrachteten sie als einen Hort der Reaktion. Dieser ideologische Kampf wird heute weitergeführt, indem man sogenannte „cisnormative“ beziehungsweise „heteronormative“ Lebensweisen als rückständig brandmarkt. Das gilt übrigens nicht nur für Grüne und Linke, sondern beispielsweise auch für die FDP. Denn diese sieht laut ihren eigenen Positionierungen „Familie überall dort, wo Menschen dauerhaft und verbindlich füreinander Verantwortung übernehmen“. Damit werden auch von dieser Seite Kinder als Leidtragende einer völligen Beliebigkeit ausgesetzt. Denn unter dieser Prämisse kann quasi jeder Mutter oder Vater spielen.

Besonders makaber ist die Beteiligung an dieser Politik seitens der Union, da diese oft eine christliche Familienpolitik als ihre Grundlage bezeichnet. In Sachsen wurde im Koalitionsvertrag zwischen CDU, Grünen und SPD ein „Gleichstellungskonzept“ an den Hochschulen vereinbart, „Gleichstellungsgesetze“ sollen mehr Frauen in Berufe mit geringem Frauenanteil bringen. Warum macht die CDU unter Kretschmer das alles mit? Ist die CDU möglicherweise doch alles andere als „konservativ“?

Die CDU hat sich 2019 gegen den Wählerwillen entschieden und einer möglichen bürgerlich-konservativen Koalition mit der AfD eine klare Absage erteilt. Auf linker Seite blieben so die Grünen und die SPD übrig, denn für eine Koalition mit den SED-Nachfolgern der „Linken“ schien die CDU-Basis noch nicht bereit. Wir dürfen uns hier aber keinen Illusionen hingeben: Die CDU hat ihre letzten konservativen und patriotischen Elemente unter Merkel abgeschüttelt und sich vollends dem Opportunismus – im Sinne der Sicherung von Diäten und Ämtern – hingegeben. Daran wird sich auch unter einem CDU-Vorsitzenden namens Friedrich Merz nichts ändern. Dies zeigt der aktuelle Umgang mit der „WerteUnion“ und deren Vorsitzenden, Herrn Maaßen. Dafür erhält die CDU bereits an der Wahlurne die demokratische Antwort: Gerade in Sachsen hat die AfD die Union als Volkspartei in vielen Wahlkreisen bereits abgelöst. Im Sinne unserer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung sind wir jedoch gerne bereit, auf die CDU zuzugehen, wenn diese sich wieder dem Wähler und der konservativen Basis verpflichtet fühlt und gewillt ist, Politik für die Sachsen zu gestalten.

Die AfD wehrt sich als einzige politische Kraft gegen immer weitere Eingriffe in die Familie. Welche Konzepte werden vor allem in Sachsen aktiv von der AfD betrieben?

Sowohl im Sächsischen Landtag als auch in unserer zuständigen Landesarbeitsgemeinschaft haben wir eine Vielzahl von Anträgen und Vorschlägen formuliert. Im Mittelpunkt stehen dabei die Entlastung der Eltern, insbesondere auch der vielen Alleinerziehenden, Anreize zur Familiengründung sowie der Erhalt des traditionellen Familienbildes. Zu den von uns angestrebten individuellen Fördermaßnahmen zählen unter anderem Ehestart-Kredite mit Teilerlass für jedes Kind, Wohneigentumsförderung für Familien, kostenlose Schülerbeförderung sowie stärkere Unterstützung bei Schulausstattung und Klassenfahrten. Aber auch ein längerer Anspruch auf Arbeitslosengeld I für junge Eltern und deren Förderung bei Neueinstellung durch Wiedereingliederungshilfen sind Bestandteil unseres Forderungskataloges.

Im Sächsischen Landtag haben wir seit 2014 dazu unter anderem Anträge zur Begrenzung der Elternbeiträge auf maximal 20 Prozent in Kindertageseinrichtungen, für eine Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes für Alleinerziehende und für kostenlose ÖPNV-Angeboten zugunsten von Eltern und Senioren gestellt. Leider wurden all diese Anträge von den etablierten Parteien – aus sachfremder Missgunst gegen die AfD – abgelehnt.

Besonders hinweisen möchte ich hier auf unseren Gesetzentwurf zum Ausbau des Landeserziehungsgeldes vom Juni 2022. Wir wollen darin das Landeserziehungsgeld auf 67 Prozent des Einkommens aus der Erwerbstätigkeit vor der Geburt erhöhen – mindestens jedoch 750 Euro und maximal 1.500 Euro. Für Familien mit mehreren kleinen Kindern sehen wir im Gesetzesentwurf zudem einen Geschwisterbonus vor. Auch dieser Entwurf stieß natürlich auf die Ablehnung der anderen Parlamentsparteien. Viele Vertreter der etablierten Parteien ziehen Machterhalt offenbar einer familienfreundlichen Politik vor.

Wie kommt die AfD mit ihren Familienkonzepten bei den Bürgern und Wählern an? Kann die AfD durch die größere Lebensnähe ihrer Politik den „normalen Bürger“ besser erreichen?

Die Bürger sehen uns als wichtiges Sprachrohr! Denn unsere Forderungen und unsere Programmatik erwuchsen nicht im grünen Wolkenkuckucksheim, sondern beruhen auf der langjährigen Berufserfahrung unserer Abgeordneten und den regelmäßigen Gesprächen mit den Bürgern. Aus meinen alltäglichen Erfahrungen am Infostand und in den Bürgersprechstunden kann ich bestätigen, dass die Bürger unsere sachbezogene und realitätsnahe Argumentation zu schätzen wissen. Warum sollten die inflationstreibende Regierungspolitik, die selbstmörderischen Russlandsanktionen, die katastrophale Masseneinwanderung, die realitätsferne Familienpolitik und die absurde Gender-Agenda auch im Sinne des einfachen Bürgers sein? Die Realität steht auf unserer Seite! 

Sie interessieren sich vor allem für die linksliberale Quotenpolitik und haben ein Portal beziehungsweise eine Kampagne namens „Qualität ohne Quote“ gestartet. Dort bezeichnen Sie die Quotenregelungen als Zwang und bemängeln die fehlende Lebensnähe. Wie kamen Sie auf die Idee, diese Kampagne ins Leben zu rufen? Wie waren die ersten Reaktionen darauf? Haben Sie schon Ideen für nachfolgende Kampagnen oder Projekte?

Unsere Kampagne „Qualität ohne Quote“ richtet sich nicht nur gegen die Propagierung einer die Bürger bevormundenden Geschlechterquote, sondern generell gegen das Ausspielen der Geschlechter gegeneinander und gegen die Gängelung von Frauen durch die Politik. Denn auch die Quote stellt nichts anderes als eine Bevormundung von Frauen dar, durch die sie – ganz im Sinne einer linksfeministischen Politik – gegen Männer ausgespielt werden. Die Quotenregelung entspricht aber weder dem modernen Arbeitsalltag noch den Wünschen vieler Frauen. Sie wollen für ihre Leistung anerkannt und gefördert werden und nicht für ihr Geschlecht!

Tatsächlich habe ich für diese Kampagne innerhalb und außerhalb der AfD viel Zuspruch erfahren. Denn selbstbewusste Frauen brauchen keine Bevormundung oder gar politische Betreuung, sondern Freiraum und individuelle Unterstützung für ihre Tätigkeit – sei es als Unternehmenschefin, Handwerkerin, Pflegekraft, Musikerin oder als Mutter. Damit leisten sie auch ohne Quote einen wesentlichen Beitrag für unser Volk und unsere Gesellschaft.

Darüber hinaus gilt meine zukünftige Aufmerksamkeit der Kommunalpolitik, wie Sie bereits richtigerweise anmerkten. Im Frühjahr 2024 stehen zudem in vielen sächsischen Gemeinden Kommunalwahlen an. Dafür möchte ich unsere AfD fit machen helfen! Und auch die Landtagswahl im Herbst 2024 wirft bereits ihre Schatten voraus. Trotz alledem soll auch die programmatische Arbeit nicht zu kurz kommen, weshalb ich mit meinen Mitarbeitern stets die neuesten gesellschaftspolitischen Entwicklungen in Sachsen verfolge und kommentiere.

Neben der Familienpolitik kümmern Sie sich auch erfolgreich um die Kommunalpolitik – ein oftmals vernachlässigtes Politikfeld. Hat die AfD als gesamte Partei an dieser Stelle noch viel aufzuholen? Kann Sachsen hier vielleicht sogar als Vorbild dienen?

Tatsächlich fehlt unserer bald zehn Jahre alten Partei noch die Erfahrung, über die Vertreter der etablierten Parteien oftmals verfügen. Unsere Mandatsträger haben nicht früh den Weg des politischen Karrieristen – von der Parteijugend über das kommunale Mandat in Land- und Bundestag oder ins EU-Parlament – gewählt. Stattdessen hat sie die Empörung über die unhaltbaren Zustände in unserem Land zum politischen Engagement bewogen. Und das geschah zu einem Zeitpunkt, als es keineswegs sicher war, ob die AfD dauerhaft Bestand hat!

Das naturgemäß fehlende Hintergrundwissen versuche ich nun auf verschiedenen Wegen zu beheben. Dabei fehlt es oftmals an der systematischen Möglichkeit zur Aneignung von Wissen. Mit meiner Arbeit will ich diesen Missstand gemeinsam mit meinen Mitstreitern beheben und unsere kommunale Arbeit weiter professionalisieren. Dabei befinden wir uns bereits auf einem guten Weg. Sollte dieser Prozess erste Früchte tragen, werden wir Sachsen uns vielleicht auch ein Eigenlob gestatten.

Wo liegen für die AfD – was die kommunale Ebene betrifft – die größten Schwierigkeiten?

Unser größtes Problem ist der schiere Personalmangel! Immer weniger Bürger entscheiden sich dafür, für ein kommunales, oft schlecht oder gar nicht bezahltes Mandat zu kandidieren. Dieses Problem betrifft übrigens nicht nur die AfD, sondern auch die etablierten Parteien. Erschwerend kommt dafür in unserem Falle die häufige soziale und berufliche Ächtung von AfD-Mitgliedern hinzu. Gottlob trifft dies auf die rebellischen Sachsen etwas weniger zu, womit die AfD kommunal auch aufgrund der guten Wahlergebnisse noch besser verankert ist. In dieser Hinsicht dienen wir nonkonformen Sachsen durchaus als Vorbild!

Zugleich möchte ich noch einmal Gleichgesinnte dazu aufrufen, auf kommunaler Ebene Verantwortung zu übernehmen! Das sollte nicht nur in den Parlamenten, sondern auch in Vereinen und dörflichen Gemeinschaften geschehen. Denn im Gegensatz zum linken, grünen, sozial- und christdemokratischen Filz können wir nicht mit üppigen Steuergeldern rechnen, sondern sind auf das Engagement jedes einzelnen Bürgers angewiesen. Diese Bürgerbeteiligung ist Ausdruck echter, volksnaher Demokratie!

Frau Jost, vielen Dank für das Gespräch!


Zur Person:

Martina Jost, geboren 1961 in Halle (Saale), ist diplomierte Wirtschaftsingenieurin und seit 2019 AfD-Mitglied des Sächsischen Landtages. Jost ist zudem stellvertretende Landesvorsitzende der AfD Sachsen und im „Frauennetzwerk der AfD“ aktiv.

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