Kolumne: „Öffentliche Grabenkämpfe bedrohen die patriotische Wende“

Nach der geschickten Inszenierung des Flügeltreffens rund um Björn Höcke rumort es in der Gesamtpartei. Sogenannte ‚gemäßigte‘ AfD-ler wittern nun Morgenluft – und schnell vergessen Handelnde beider Lager, dass der eigentliche Gegner nicht innerhalb der Partei steht.
Julian Schernthaner
Kommentar von
11.7.2019
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3 Minuten Lesezeit
Kolumne: „Öffentliche Grabenkämpfe bedrohen die patriotische Wende“

Bild (Höcke 2016): Olaf Kosinsky via Wikimedia Commons [CC BY-SA 3.0 DE] (Bild zugeschnitten)

Nach der geschickten Inszenierung des Flügeltreffens rund um Björn Höcke rumort es in der Gesamtpartei. Sogenannte ‚gemäßigte‘ AfD-ler wittern nun Morgenluft – und schnell vergessen Handelnde beider Lager, dass der eigentliche Gegner nicht innerhalb der Partei steht.

Kommentar von Julian Schernthaner

Man kann von pompösen Veranstaltungen mit gewaltiger Bildsprache halten, was man möchte. Einerseits sind pathetische Inszenierungen, welche mitreißen, sowohl wirksam als auch oftmals traditionsgebunden und gemeinschaftsbildend, deshalb völlig legitim. Andererseits schwingt ihnen – gerade vor der historischen Aversion konservativer Kräfte in der Nachkriegszeit gegen allerlei Selbstdarstellung und Personenkult – immer eine gewisse, auch Sympathisanten schwer erklärbare Peinlichkeit mit.

Innerparteiliche Korrektive statt Grabenkämpfe

Aber um diese Bewertung, deren Trennlinien nicht einmal an den üblichen Frontverläufen innerhalb des AfD-Dunstkreises verlaufen müssen, geht es nicht. Denn interne Meinungsverschiedenheiten, kleine Machtkämpfe über die Ausrichtung der Gesamtpartei, sind in politischen Parteien gang und gäbe. Bei den momentan gehypten Grünen bekriegen sich beispielsweise „Fundis“ samt ihrer Maximalforderungen und kryptokonservative „Realos“ seit Jahrzehnten. Aber am Ende ziehen sie trotzdem am selben Strang.

Und genau deshalb sind einige Signale Höckes genauso fatal wie die Antwort mit dem Appell von etwa 100 Sektierern aus vornehmlich bürgerlich-liberalen Parteiteilen. Der „Flügel“ sollte als national-konservatives Korrektiv innerhalb der Partei agieren und seinen Kritikern keine unnötigen Steilvorlagen bieten. Und ebendiese wiederum tun sich im Glauben, einen unsichtbaren cordon sanitaire quer durch die Partei errichten zu müssen, auch keinen Gefallen.

Establishment wird keine gemäßigte AfD akzeptieren

Denn wer sich distanziert, der verliert. Für die Akteure innerhalb etablierter Parteien und Medien kann es nämlich keine ‚akzeptable‘ AfD geben, sofern sie sich nicht vollends um ihre Alleinstellungsmerkmale als patriotische Partei kastriert. Und selbst dann würde man ihnen den Zugang zum Futtertrog aus Angst um die eigenen Pfründe nicht gönnen. Diese Weisheit sollte eigentlich jedem noch so „bürgerlich-liberalen“ West-AfDler hinlänglich bekannt sein.

Denn selbst ein Uwe Junge, der sich beim Ausscheiden des Ex-Flügel-Manns Poggenburg über den Abschied des „Narrensaums“ freute und nun den Aufruf der „Gemäßigten“ unterschrieb, wurde unlängst im Mainstream gegrillt, weil er im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Redezeit bekam. Sogar konservative Unionsleute wie Otte oder Maaßen erhalten im politischen Diskurs mehr als nur den gebührlichen Gegenwind. Oder wie es ein Twitter-User treffend auf den Punkt brachte:

Schützenhilfe für Flügelkritiker aus dem Blätterwald

Und diesen Fehler macht leider auch ein Gutteil der liberal-konservativen Ausläufer der patriotisch-kritischen Publizistik. Und das in völliger Vergessenheit, dass sie von den Etablierten bei jeder Gelegenheit mitunter selbst als ‚Brücke zum Rechtsextremismus‘ – ohnehin längst ein Buzzword, oft ohne präzise Definition – verunglimpft werden und sich mitunter ihre Nichterwähnung im Verfassungsschutzbericht einst erst gerichtlich erstreiten mussten.

Insbesondere tut sich hier der Chefredakteur der Jungen Freiheit, Dieter Stein, wie bereits im März, als scharfer Höcke-Kritiker hervor. Er ist zwar eine Koryphäe, seine Wochenzeitung ein erfrischender Fixstern im patriotischen Blätterwald, seine Verdienste unbestritten. Allerdings setzte er bereits in der Vergangenheit mehrfach auf das falsche Pferd – zunächst Lucke, dann Petry und Pretzell – anstatt den Konsens zu unterschiedlichen Denkrichtungen im patriotischen Mosaik zu billigen.

„Schlammschlachten“ versus „Sturm auf Berlin“

Den absoluten Vogel in diesem Sektor schießt allerdings einmal mehr der Publizist David Berger ab. Zuletzt bereits Architekt eines erbitterten Grabenkampfs im einwanderungskritischen Lager, glaubt er nun gar an eine Art Kriegserklärung des Flügels. Eine Infoveranstaltung eines konkurrierenden patriotischen Magazins, welches nicht in die „Bom Aye“-Rufe der West-AfD einstimmen will, verklärt er gar zum „Sturm auf Berlin“.

In Wirklichkeit summiert der auslösende Artikel nur die Problematik der jüngsten Geschehnisse. Völlig zurecht kritisiert Compact darin die drohenden „Schlammschlachten“ mit Erfahrungswerten. Ebenso treffend ist die Feststellung dass ein internes Schriftstück, welches unterstellt, die Partei würde „von Rechtsextremisten unterwandert”, in Wahrheit „wie eine Bestätigung der Nazi‐Vorwürfe der Altparteien wirkt”.

AfD muss drei Kardinalfehler vermeiden

Auch weiterhin darf die AfD folgende drei Kardinalfehler keinesfalls machen: Sie darf sich freilich nicht nach dem Prinzip des ruinierten Rufes radikalisieren. Aber genauso wenig soll sie auf die Gabe von Bonbons hereinfallen, in der Hoffnung, mit dem Ruck in die weit nach links verschobene Mitte irgendwelche Bonuspunkte zu kassieren. Es funktioniert auch deshalb nicht, weil die Diskurswächter die Torpfosten nach Belieben verschieben können. Und drittens – und das ist der wichtigste Punkt: Sie darf einen Richtungsstreit nicht öffentlich austragen.

Schon gar nicht, indem man interne Infos an feindlich gesinnte Akteure spielt. Das einzige, was das Volk noch mehr verachtet als Wendehälse, sind nämlich Streithähne. Dies gilt doppelt vor wichtigen Landtagswahlen – und schon dreimal, wenn dabei genau jene Landesverbände zur Wahl stehen, gegen die man nun intrigiert. Öffentliche Grabenkämpfe bedrohen das Projekt der patriotischen Wende. Gauland und Weidel haben das bereits verstanden und zu Mäßigung aufgerufen. Bei etwa hundert Mitstreitern fehlt diese Erkenntnis noch.


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Verfassungsschutz: Diese drei Fehler muss die AfD nun vermeiden (17.1.2019)

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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