Ökonom Hans-Werner Sinn warnt vor Wohlstandsverlust
Im Gespräch mit dem Münchner Merkur zeichnet der Ökonom Hans-Werner Sinn ein düsteres Bild der wirtschaftlichen Zukunft Deutschlands. Jungen Menschen empfiehlt er die Rückbesinnung auf traditionelle Werte.
Der ehemalige Präsident des ifo Institut für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn, ist einer der bekanntesten Kritiker des modernen Finanzkapitalismus. Er fordert eine streng stabilitätsorientierte Wirtschaftspolitik, in der der Staat eine aktive Rolle übernimmt.
In einem Interview mit dem Merkur bereitet Sinn die Deutschen auf schwere Zeiten vor. Er warnt davor, die Folgen von Inflation, Überalterung und Energiewende zu unterschätzen. Gerade ein möglicher Energiemangel sei ein großes Problem. Die Strategie der letzten Jahre, Probleme mit Geld zuzuschütten, würde in diesem Falle nicht funktionieren. Stattdessen müsse Deutschland anfangen, langfristige Strukturpolitik zu betreiben. Um der Energieabhängigkeit zu entkommen, schlägt der Ökonom einen Weiterbetrieb der verbliebenen Atomkraftwerke und eine teilweise Wiederinbetriebnahme der kürzlich abgeschalteten vor.
Weniger Schulden, mehr Kinder
Das Problem der Stunde ist die hohe Inflation, die nicht nur in der Eurozone, sondern in der ganzen westlichen Welt Wohlstand vernichtet. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat bisher kaum Maßnahmen ergriffen, um die Preissteigerungen einzudämmen. Die Zentralbanker fürchten, dass eine Leitzinsanhebung das Wirtschaftswachstum im Euroraum abwürgen könnte. Solchen Erwägungen erteilt Sinn eine klare Absage: „Die EZB muss die Preise stabil halten und darf keine Abwägung mit anderen Zielen wie zum Beispiel Wachstum oder Vollbeschäftigung vornehmen.“ Das Zögern der EZB habe neben der Inflation zu einer Abwertung des Euros geführt. Europäische Produzenten müssen deshalb für Import-Güter tiefer in die Tasche greifen. Ein weiteres großes Problem sieht Sinn in der neuen Lust am Schuldenmachen. Hehre Ziele allein würden die inflationäre Wirkung, die Schulden nun einmal haben, nicht ausgleichen. Statt Geldgeschenke zu verteilen, solle der Staat zu einer sinnvollen und langfristigen Struktur- und Energiepolitik zurückkehren.
Auch im Bereich der Sozialpolitik hat der Staat in Sinns Augen versagt. Der demographische Wandel werde unweigerlich zu einer Überlastung der Sicherungssysteme führen. Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, sei es Sinn zufolge wichtig, Kinder – vor allem Migrantenkinder – besser auszubilden. Für junge Menschen hat er eine klare Empfehlung: „Besinnt euch auf traditionelle Familienbilder, seht zu, dass ihr Kinder habt, damit ihr mit diesen Kindern alt werden könnt. Der Zusammenhalt in der Familie wird angesichts der Schwierigkeiten des Staates immer wichtiger werden.“
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