Schmissige Perspektiven (7): Zwei Burschenschafter im Weißen Haus – und ein Kreis, der sich schließt
Mit Joachim Paul war Anfang der Woche ein AfD-Politiker, der auch ein prominenter Burschenschafter ist, ins Weiße Haus in Washington eingeladen, auch zahlreiche alternative Medien berichteten.
Ein Burschenschafter im Weißen Haus, ist das denn einmalig? Nein, das ist kein Novum! Vor ihm war es Carl Schurz, der im Weißen Haus ein und aus ging – immerhin brachte er es zum US-Innenminister. Man könnte es Ironie der Geschichte nennen, denn beide, Schurz wie Paul, sind Opfer der fragwürdigen und undemokratischen Verfolgung durch die Herrschenden in ihrer deutschen Heimat geworden, oder ist das eine zu waghalsige Sicht der Geschehnisse?
Wer war dieser Carl Schurz?
Carl Schurz (1829–1906) war eine politisch herausragende Persönlichkeit des 19. Jahrhunderts, das dürften selbst unsere Freunde von der anderen Feldpostnummer nicht anders sehen. Sein Lebensweg führte von den Kämpfen der Revolution von 1848/49 in Deutschland über das Exil bis in die Regierung der Vereinigten Staaten, wo er sogar als Innenminister amtierte. Schurz wuchs im Rheinland auf und studierte in Bonn – wie zufälligerweise auch Joachim Paul. In der Stadt am Rhein kam Schurz früh mit freiheitlichen und demokratischen Ideen in Berührung, die damals unter Studentenverbindungen stark verbreitet waren und trat 1847 der Bonner Burschenschaft Frankonia bei. Als 1848 die Revolution ausbrach, schloss er sich den demokratischen Kräften an, die für nationale Einheit, Freiheitsrechte und eine republikanische Verfassung kämpften.
Revolutionär und demokratisch
Als die Revolution 1849 in Baden und der Pfalz (!) in eine letzte Phase eintrat, war Schurz aktiv an den Kämpfen beteiligt. Nach dem Scheitern floh er vor der Verfolgung. Besonders bekannt wurde er, weil er seinen Mitstreiter Gottfried Kinkel in einer geheimen Aktion aus der Haft befreite – ein Beispiel dafür, wie Schurz nicht nur theoretisch für seine Überzeugungen eintrat, sondern auch mit riskanten Taten untermauerte – eben ein echter Revolutionär.
Flucht und Exil
Nach der Niederlage der kurzlebigen Revolution fand Schurz zunächst Zuflucht in Frankreich, dann in der Schweiz und schließlich in Großbritannien. Diese Jahre des Exils prägten ihn nachhaltig: Er pflegte enge Kontakte zu anderen politischen Flüchtlingen und hielt an seiner Vorstellung einer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft fest. 1852 wanderte er dann in die Vereinigten Staaten aus. Wie viele der sogenannten „Forty-Eighters“ brachte er seine politischen Ideale, das burschenschaftliche Gedankengut, in die neue Heimat mit, wo die Debatte um Demokratie und Bürgerrechte bereits das politische Leben bestimmte.
Aufstieg in den USA
In Amerika arbeitete Schurz zunächst als Journalist und Redner. Seine Fähigkeit, politische Zusammenhänge klar darzustellen und mitreißende Reden zu halten, verschaffte ihm Einfluss in den deutschsprachigen Gemeinden und darüber hinaus. Er unterstützte die republikanische Partei, die damals übrigens für die Abschaffung der Sklaverei eintrat. Während des Bürgerkrieges trat er in die Unionsarmee ein und stieg bis zum Generalmajor auf. Damit zeigte er erneut, dass er seine politischen Überzeugungen nicht nur mit Worten, sondern auch durch persönliche Beteiligung verteidigte.
Nach dem Krieg begann Schurz eine politische Laufbahn, die ihn in den US-Senat führte. Dort setzte er sich wiederum entschieden für Bürgerrechte, Verwaltungsreformen und die Bekämpfung von Korruption ein. 1877 berief ihn Präsident Rutherford B. Hayes zum Innenminister. In dieser Position reformierte Schurz die Verwaltung und versuchte, Verschwendung zu verringern. Er starb 1906 in New York. Sein Leben verband zwei Welten: die demokratische und freiheitliche Bewegung in Deutschland und den Aufbau einer politischen Karriere in den Vereinigten Staaten. Bis heute ist er eine Symbolfigur für Freiheitsstreben, politische Integrität und den transatlantischen Austausch von Ideen.
Der aktuelle Besuch in Washington
Und nun wird ausgerechnet ein Burschenschafter und Politiker nach Washington ins Weiße Haus eingeladen, um der US-Regierung Auskunft darüber zu erteilen, wie undemokratisch die heute in der Bundesrepublik Herrschenden mit der Opposition umgehen. Wie Joachim Paul dem Verfasser dieser Zeilen, man ist immerhin in der gleichen Burschenschaft, noch aus Washington mitteilte, war man auf US-Seite insbesondere daran interessiert, wie stark die Freiheits- und Bürgerrechte hierzulande sukzessive eingeschränkt werden – wenn man denn der falschen Partei angehört.
Die Opposition von Wahlzetteln zu entfernen, mag bislang eher mit Entwicklungsländern assoziiert worden sein. Seit der Ludwigshafener Wahlposse, die hinlänglich bekannt sein dürfte, ist das auch im SPD-geführten Rheinland-Pfalz möglich, immerhin Hauptsitz der US-Streitkräfte auf deutschem Boden. Kein Wunder, dass die US-Regierung da – durchaus besorgt – genauer hinschaut.
Das durch Schurz geprägte Gedankengut lebt weiter
Gerade jenes Gedankengut, das Carl Schurz und die sogenannten „Forty-Eighters“ in die Politik der Vereinigten Staaten einbrachten, hat dort bis heute einen festen Stellenwert: Für die US-Regierung zählen Freiheitsrechte wie die uneingeschränkte Wahlteilnahme und insbesondere die Meinungsfreiheit zu den zentralen Fundamenten – ein Punkt, den JD Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz unmissverständlich hervorhob, wobei er zugleich die Schwachstellen der aktuellen Politik in der Bundesrepublik offenlegte.
Es lässt sich zurecht konstatieren, dass die US-Administration das freiheitlich-demokratische Denken, wie es Schurz verkörperte, gewissermaßen nach Deutschland zurückgeführt hat. Dass mit Joachim Paul ebenfalls ein Burschenschafter betroffen ist, rundet diesen ideologischen Rücktransfer in auffälliger Weise ab. Aber es gibt natürlich mittlerweile auch zahlreiche andere Verfolgungsopfer des hiesigen polit-medialen Komplexes.
Schurz und die Geschichte
Aber warum weiß man heute über einen drogensüchtigen Schwerstkriminellen wie George Floyd mehr als über Carl Schurz? Würde die bundesrepublikanische Elite anders agieren, wenn historische Persönlichkeiten wie Carl Schurz, die für die Demokratiegeschichte zweifelsfrei von großer Bedeutung sind, erinnerungspolitisch mehr gewürdigt würden? Das ist natürlich eine spekulative Frage. Aber historische Beispiele wie Carl Schurz machen deutlich, dass Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und echte Zivilcourage keine abstrakten Werte sind, sondern immer wieder erkämpft werden müssen. Und gerade darin liegt die Chance: Unsere Demokratiegeschichte bietet eine Vielzahl an positiven Persönlichkeiten, die Orientierung geben können und den Vorwurf entkräften, man sei mit den Forderungen, wie sie beispielsweise die AfD erhebt, auf dem Weg in den Faschismus. Carl Schurz ist das ideologische Bindeglied, um zu beweisen, dass die Herrschenden auf dem undemokratischen Holzweg sind!