Kolumne: „Özil-Debatte zeigt gescheiterte Integration vieler Deutschtürken“

Am vergangenen Sonntag verkündete der 92-fache deutsche Nationalspieler Mesut Özil medienwirksam seinen Rücktritt. Seitdem blieb kein Stein auf dem anderen – das Thema polarisiert zusehends.
Julian Schernthaner
Kommentar von
27.7.2018
/
3 Minuten Lesezeit
Kolumne: „Özil-Debatte zeigt gescheiterte Integration vieler Deutschtürken“

Verabschiedete sich mit einem Rundumschlag aus dem DFB-Nationalteam: Der 92-fache Internationale Mesut Özil. Bild (Özil 2011): Steindy via Wikimedia Commons [CC BY-SA 3.0]

Am vergangenen Sonntag verkündete der 92-fache deutsche Nationalspieler Mesut Özil medienwirksam seinen Rücktritt. Seitdem blieb kein Stein auf dem anderen – das Thema polarisiert zusehends.

Kommentar von Julian Schernthaner

Alles begann im Mai mit einem vermeintlich harmlosen Bild des mit Integrationspreisen überhäuften Spielers aus Gelsenkirchen mit dem türkischen Machthaber Recep Tayyip Erdogan. Ihr wisst schon, dass ist derselbe ’nette Despot von nebenan‘, der nach Bedarf „osmanische Ohrfeigen“ an seine Gegner verteilt. Derselbe Erdogan, welcher willkürlich tausende Richter, Lehrer, Oppositionelle und Journalisten inhaftiert. Und auch derselbe, welcher diese Woche Israel als „faschistischstes Land der Welt“ bezeichnete, in welchem der „Geist von Hitler“ umgehe – Die Tagesstimme berichtete.

Özil-Rundumschlag nach zweimonatigem Schweigen

Während sein Kollege Emre Can den Weitblick hatte, die instrumentalisierende Einladung abzuweisen, ließen sich bekanntlich Ilkay Gündogan und Mesut Özil auf das infame Treffen ein. Entgegen dem allgemeinen Stimmungsbild ließ der DFB – sonst für kleinliche Team-Rauswürfe bekannt – Gnade walten und nahm die beiden sogar mit nach Russland. Es folge eine historisch vermurkste Weltmeisterschaft. Das Publikum quittierte dabei beinahe jeden von Özils Ballkontakten mit einem gellenden Pfeifkonzert.

Schnell war klar: die Milde half weder ihm selbst, noch den Fans, noch der notwendigen Ruhe im Mannschaftsgefüge. Am Ende dauerte es dann allerdings beinahe zwei Monate, bis Özil sein Schweigen brach. In einem dreiteiligen Rundumschlag rechnete der türkischstämmige Spieler schließlich mit Medien, Sponsoren und der DFB-Führung ab. Das ominöse Erdogan-Bild erklärte mit dem Respekt vor dem höchsten Amt im Lande seiner Familie. Einen Respekt, den er andererseits nie aufbrachte, wenn seine Mannschaftskameraden reihum die deutsche Hymne intonierten. Denn Özil bat stets um Verständnis, stattdessen zu beten.

Özil-Rücktritt startet Rassismusdebatte

Was folgte, war eine selten dagewesene Lagerbildung. Während sich einige Stimmen kritisch äußerten, zeigten sich etliche Journalisten und linksgerichtete Politiker solidarisch mit dem Spieler. Denn Özil sah sich nicht als Täter, sondern als Opfer einer Rassismus-Kampagne. Er unterstellte seinen Kritikern in der Öffentlichkeit sogar, „rechte Propaganda“ zu schüren. An dieser Stelle sei erinnert – auch andere Spieler der Mannschaft haben ein Migrationshintergrund. Mangels ähnlicher Entgleisungen ersparen sie sich freilich die Pfiffe.

Die ungefragte Solidaritätsbekundungen führten letzten Endes sogar zu einem neuen Trend auf Twitter. Unter dem Hashtag #MeTwo erzählen Personen von tatsächlichen oder vermeintlichen eigenen Rassismuserlebnissen. Aus dem Rasenjungen, welcher sich – unbedacht oder beabsichtigt – mit der Antipode des europäischen Freiheitsgedanken ablichten ließ, wurde der Strohmann, welcher als Heldenbild aller abgehängten und ausgegrenzten Migranten herhalten darf. Denn der größte Feind für die offene, multikulturelle Gesellschaft bleibt der nicht näher bezeichnete ‚rechte Rassist‘.

Integrationsdefizit vieler Deutschtürken

Ein gewisses Mitgefühl sollte man mit Özil allerdings vielleicht tatsächlich entgegenbringen: denn er weiß es vermutlich nicht besser. Denn bei allem kolportierten, persönlichen Näheverhältnis zu AKP-Politikern in der Heimatregion seiner Familie – es ist ein allgemeines Stimmungsbild. Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigte, dass sich türkischstämmige Migranten in Deutschland im Schnitt mehr mit der alten als der neuen Heimat verbunden fühlen. Dass der schüchterne Arbeiterbub aus der Großstadt dabei keine Ausnahme ist, dürfte also kaum verwundern. Die Özil-Debatte zeigt als vor allem eines: die gescheiterte Integration vieler Deutschtürken.

Ein städtischer Türkenbub geht oft erst in einen muslimisch geprägten Kindergarten. In der Schule und im Sportklub machen die Kinder mit demselben Hintergrund oftmals bereits die Mehrheit aus. Danach tritt er vielleicht die Lehre im Handwerksbetrieb des väterlichen Freundes an. Seine Lebensmittel kann er im türkischen Supermarkt kaufen, die Haare vom türkischen Friseur schneiden lassen. Nach Erledigungen bei der türkischen Bank kann er abends mit seinem rein türkischen Freundeskreis in die türkische Bar gehen. Am Ende steht dann oft die endogame Heirat zu einer türkischstämmigen Frau. Die Integration in die Mehrheitsgesellschaft ist für ein glückliches Leben damit schlichtweg nicht nötig.

Deutschland muss Integration einfordern

Wenn Deutschland in Hinkunft verhindern will, dass türkischstämmige Identifikationsfiguren aufgrund ihrer Loyalitäten in Ungnade fallen, muss sie die Integration einfordern. Es ist die Bereitschaft zur Einfügung ins neue Umfeld eine Bringschuld des Einwanderers – nicht der Eiertanz um dessen Befindlichkeiten die Holschuld der autochthonen Bevölkerung. Die Integration ist eine individuelle Entwicklung, deren Geschwindigkeit maßgeblich von der Anpassungsbegeisterung des Neuankömmlings abhängt. Die Schaffung eigener Parallelgesellschaften hingegen fördert dies nicht.

Anleihen, welche Impulse zu setzen sind, könnte man sich indes beim kleinen Bruder holen. In Österreich hat sich die neue Regierung zur Aufgabe gemacht, nicht länger wegzuschauen. Moscheevereine werden auf ihre Nähe zum politischen Islam durchleuchtet, das Kopftuch für Kindergarten- und Volksschulmädchen soll der Vergangenheit angehören. Und, auch um die Sprachkompetenz in der deutschen Umgangssprache zu fördern, fällt demnächst auch die bislang nur durch ein Entgegenkommen gedeckte Möglichkeit, seine Führerscheinprüfung in türkischer Sprache abzulegen.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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