Masken-Skandal: Gegenseitige Schuldzuweisung bei „Hygiene Austria“
Der firmeninterne Frieden nach den jüngsten Enthüllungen hielt nicht lange: Nach dem Skandal um offenbar aus China zugekaufte und mutmaßlich als „Made in Austria“ umetikettierte FFP2-Masken beschuldigen sich die beiden beteiligten Firmen Palmers und Lenzing gegenseitig.
Wien. – Dies lässt zumindest ein mediale geführter Schlagabtausch vom Montag vermuten. Um die Mittagszeit preschte die Lenzing Group damit vor, dass sie ihre Manager aus dem Joint Venture abziehe. Dort beschuldigt man Palmers, die zur Aufarbeitung der aktuellen öffentlichen Vorwürfe notwendigen Unterlagen in den eigenen Räumlichkeiten zu horten, selber bekomme man „weder Zutritt noch Zugriff“. Dort wiederum dementiert man diese Anschuldigungen vehement.
Lenzing unterstellt Palmers Blockade und Hauptschuld
Die Lenzing Group, ein Traditionsunternehmen im Rohstoffhandel, hält jedenfalls aufgrund dieses kolportierten Umstandes „die dringend erforderliche rasche Aufklärung mit belastbaren Resultaten“ für „ebenso wenig möglich wie die tatsächliche Ausübung der Geschäftsführung“. Das Unternehmen, derzeit Mehrheitseigentümerin (50,1 Prozent), gibt sich in der Öffentlichkeit demonstrativ als die kooperative Partnerin und sieht das Versagen bei den Geschäftspartnern.
Besonders ärgere man sich darüber, dass „das Versprechen ‚Made in Austria‘ […] offensichtlich nicht durchgehend gewährleistet“ wurde“. In diesem Punkt hatte Unterwäschehersteller Palmers (verfügt über die übrigen 49,9 Prozent der Anteile) bereits den teilweisen Zukauf von China-Masken zugegeben. Die Umetikettierung steht im Zentrum der Vorwürfe der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), ermittelt wird aber auch wegen des Verdachts der Schwarzarbeit.
Palmers dementiert, sieht Lenzing verantwortlich
Bei Palmers verwehrt man sich gegen die Vorwürfe des bisherigen Partners. Man zeigte sich von den Aussagen der Lenzing AG „überrascht“. Die Behauptung, man habe die Untersuchung behindert oder gar die Unterlagen zurückgehalten, sein unwahr. Vielmehr hätte man diese „in voller Transparenz bei der am 2. März 2021 durchgeführten Hausdurchsuchung den ermittelnden Behörden übergeben. Somit entbehre die Unterstellung „jeglicher Grundlagen“.
Die Verantwortung für den Skandal sieht man dort wenig verwunderlich ebenfalls nicht bei sich, sondern beim Noch-Partner. Denn Lenzing zeichne seit Begründung der Zusammenarbeit „für die Beschaffung, die Zertifizierung und das Qualitätsmanagement“ verantwortlich, weiters für die Produktion und die Produktinnovation. Unterlagen hätten dabei stets einer Unterzeichnung beider Geschäftsführer bedurft, selbst sei man vor allem für das Marketing zuständig gewesen…
Schwager von Kurz-Büroleiterin leitet Geschicke
Die Causa um eine der zwei Firmen in Österreich, die FFP2-Masken aus Eigenproduktion liefern können, war von Anfang an auch ein Politikum. Denn Palmers-Geschäftsführer Tino Wieser ist der Schwager der Büroleiterin von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Nach dem Lenzing-Rückzug ist dieser künftig überhaupt alleiniger Geschäftsführer der „Hygiene Austria“. Dem Partner des Joint Venture wirft er vor, sich „davonstehlen“ zu wollen.
Die Masken-Produktion lief längst wieder an, auch wenn der Imageschaden enorm ist. Vorerst, so Wieser, produziert man auf Lager. Verunsicherten Kunden gegenüber beteuert man die angeblich hohe Qualität der in Ungarn geprüften Masken. Dass man überhaupt auf China-Zulieferer zurückgriff erklärt er mit der (durch die Verordnung) hohen Nachfrage sowie mit Kostengründen. Eines Fehlers ist sich der Unternehmer im familiären Kanzler-Dunstkreis nicht bewusst.
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