„Die alten Germanen“: Das ist die Geschichte des berüchtigten Liedes
Bereits zum zweiten Mal in jüngerer Vergangenheit gereicht das Spottlied „(Es lagen) Die alten Germanen“ zu einem medialen und politischen Skandal. Wir haben uns die Geschichte des Liedes genauer angesehen.
Die Debatte rund um die Inklusion des Liedes in einem Liederbuch im Besitz des FPÖ-Politikers Wolfgang Zanger beherrschte die öffentliche Debatte der vergangenen Tage. Dabei wird dieses als vermeintlich das Dritte Reich glorifizierendes Liedgut dargestellt, der Kurier spricht sogar von einem „Heil-Hitler-Lied“. Tatsächlich greift eine solche Darstellung zu kurz.
Wurzeln von „die alten Germanen“ im 19. Jhd.
Bereits im Februar arbeitete der AK Nautilus, dem auch die Tagesstimme angehört, die ursprüngliche Liederbuch-Affäre auf 80 Seiten und mit über 400 Belegen minutiös in einer kritischen Studie auf. Dazu gehörte auch eine Würdigung der Entstehungsgeschichte sämtlicher inkriminierter Weisen. Schnell stellte sich dabei heraus, dass das Lied alles andere als tatsächlich nationalsozialistisches Gedankengut beförderte.
In seinem Ursprung geht das Lied auf eine ältere Weise von 1872 zurück. Zwei Autoren dichteten drei respektive sechs der damals neun Strophen. Unabhängig voneinander erschien das ursprünglich als „Tacitus und die alten Germanen“ bezeichnete Kneiplied in der „Bierzeitung“ der Leipziger Burschenschaft Dresdensia sowie mit leicht anderem Text in der humoristischen Wochenschrift Fliegende Blätter unter dem Titel „Auf Deutschlands hohen Schulen“. Es persiflierte dabei etwa die Geschehnisse des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71.
Heutiger Text entstand unter NS-Kritikern
Somit hatte bereits die Urversion des Liedes einen satirischen Hintergrund. Ab etwa 1939 erfuhr das bereits seit dem 19. Jahrhundert zumeist mit der gleichen Melodie wie „Wenn alle untreu werden“ gesungene Lied seine größte Bearbeitung. Dies geschah unter Personen, welche dem Dritten Reich kritisch gegenüberstanden – und zwar im Untergrund unter Studenten ehemaliger, damals aufgelöster katholischer Studentenverbindungen.
Erst seitdem ist das Lied auch unter dem gegenwärtigen Titel bekannt. Bei den Urhebern soll es sich um die Münsteraner KStV. Monasteria handeln, die im Oktober 1939 in Göttingen gestiftet wurde. Diese hielt im Untergrund den Rumpfbetrieb aufrecht, fusionierte dann 1950 mit der Altherrenschaft der „Mutterkorporation“ Markomannia-Tuiskonia, welche derzeit im Kartellverband katholischer deutscher Studentenvereine (KV) organisiert ist.
Auch in katholischen Liederbüchern
Auch nach dem Krieg blieb das Lied deshalb im bürgerlichen studentischen Milieu beliebt, fand Einzug ins Liederbuch „Der Bettelmusikant“ des Franziskanerordens. Aus diesem übernahmen es der Österreichische Cartellverband (ÖCV) und der Mittelschul-Kartellverband (MKV) für ihre Liederbücher, aus denen es aber vor 2015 wieder verschwand. Diese beinhalteten auch den Hinweis, es handle sich um parodistisches Liedgut.
Das Allgemeine Deutsche Kommersbuch wiederum – früher in allen Korporationsformen verbreitet, heute vor allem Standard bei schlagenden Studentenverbindungen – beinhaltet es hingegen übrigens nicht. Selbst das Vorgängerlied geriet dort früh in Wegfall und kehrte erst lange nach dem Krieg zurück. Die im Liederbuch der pB! Germania zu Wiener Neustadt gefundene Zusatzstrophe („Gebt Gas, ihr alten Germanen…) dürfte Recherchen unter Zeitzeugen zufolge wohl die Debatten um deutsche Reparationszahlungen in den 1950ern persiflieren.
Stück fehlte in NS-Liedersammlungen
Darüber hinaus existiert eine Alternativversion, welche sich sogar weitaus kritischer gegenüber Granden des Dritten Reiches äußert. Dort gibt es dem Volksliederarchiv zufolge Strophen, die etwa Goebbels gar als „Bock von Babelsberg“ veräppeln – also weit von einer Verherrlichung der NS-Zeit entfernt sind. Die Studie des AK Nautilus verweist zudem auf das völlige Fehlen des vorliegenden Liedes in einschlägigen, zeitgenössischen Liedersammlungen der Nationalsozialisten.
In einem späteren Kapitel gehen die Autoren auch auf die konkreten damaligen Vorwürfe ein. Dabei üben sie Kritik an fehlenden wissenschaftlichen Definitionen, wodurch sich sogenannte „Nazi-Liederbücher“ überhaupt auszeichnen würden. Diese Problematik belaufe sich „sowohl auf die quantitative Relation zum Gesamtfundus als auch auf qualitative Merkmale“.
Die vollständige Studie des AK Nautilus mit dem Titel „Die Liederbuch-Affäre: Der Skandal um Udo Landbauer und die p.B! Germania“ finden Sie >>hier<< zum kostenlosen Download.