Reportage: Bei den Pennälern

Burschenschaften gibt es nicht nur an den Universitäten, sondern auch an den Mittelschulen. Für manche Lehrer sind sie ein Ärgernis, für viele Jugendliche hingegen ein spannendes Abenteuer und eine prägende Charakterschule.

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Reportage: Bei den Pennälern

Eine gemütliche Runde.

© FREILICH

Die ersten korporativen Zusammenschlüsse gab es bereits in den Lateinschulen des Mittelalters, und die nach der Gründung der ersten deutschen Universität in Prag 1348 entstandenen Bursen übernahmen das Erbe der Mittel- und Lateinschulen. Das wesentlich Gemeinsame aller Pennalverbindungen ist die Zugehörigkeit zu einer Höheren Schule, die aber noch keine Hochschule ist. Der Begriff „Pennalie“ leitet sich von penna (lat. „Feder“) ab, die der „Pennal“ in der Büchse sorgsam an seinem Gürtel mit sich herumtrug.

Doch was bringt junge Schüler heute zu einer pennalen Burschenschaft? „Ich hatte schon einige Zeit vor meinem Einsprung den Wunsch, in einer Burschenschaft aktiv zu werden“, betont Ulrich (17), Mitglied der p.c.B! Arminia Graz. Bereits Vater und Bruder waren Burschenschafter, und so wusste er schon vorher über Verbindungen Bescheid. „Besonders gereizt haben mich der Zusammenhalt und das politische Engagement, aber auch das Fechten.“ Andere wiederum kommen zufällig über Freunde und Schulkollegen zur Verbindung. Wie das oftmals abläuft, erklärt Ulrich im Gespräch: „Die meisten meiner Schulkollegen haben recht bald von meinem Einsprung erfahren, ich habe daraus auch kein Geheimnis gemacht. Einen großen Teil meiner Klasse habe ich sogar schon auf unsere Bude mitgebracht und dort mit ihnen gefeiert.“

Gegenüber Lehrern hält er sich jedoch bedeckt. Das Bildungssystem mitsamt der Lehrkräfte ist aktuell linksgeprägt, und da kommen Burschenschaften insgesamt selten gut an. Es ist eine Konstante und zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Pennalien, dass sie von den jeweiligen staatlichen Behörden, den Obrigkeiten, der Kirche und den politischen Verantwortlichen oftmals bis aufs Äußerste bekämpft wurden. Die gegenwärtige Ablehnung des Verbindungswesens in der öffentlichen Meinung ist daher keine Ausnahmeerscheinung.

Bereits im Mittelalter wurden Schülerverbindungen von den Schulherren bekämpft. Deshalb wandelten sich viele in Geheimbünde um und nahmen die Form von Orden an. Mönche sahen diese Schülerverbindungen als eine „andere Form der Pest“ an. Weil die Pennäler ein der Obrigkeit äußerst suspektes Eigenleben führten, beschloss der Regensburger Reichstag 1793 ein Verbot aller geheimen Schüler- und Studentenverbindungen. 1819 schlossen die Karlsbader Beschlüsse Schülerverbindungen ausdrücklich in ihr Verbot mit ein. Trotz der strengen Maßnahmen gab es zu dieser Zeit im Untergrund Schülerverbindungen, denen Persönlichkeiten wie Richard Wagner, Otto Bismarck, Franz Schubert und viele weitere angehörten.

Bis 1918 waren dann Pennalien in Österreich und im Deutschen Reich ausdrücklich verboten. Verstöße wurden mit Karzer und im Wiederholungsfalle mit der Relegation von der Schule bestraft.

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Im April 1919 zogen ca. 5000 Pennäler vor den Wiener Stadtschulrat und forderten vehement die Koalitionsfreiheit, da die Schulbehörden die verfassungsmäßige Freiheit verhinderten. Schließlich wurde die Verordnung zur Koalitionsfreiheit durch einen österreichischen, sozialistischen Staatssekretär für Unterricht unterzeichnet. Es folgten darauf Jahre der Freiheit und die Möglichkeit, studentisches Brauchtum in der Öffentlichkeit leben zu können. Mit der Machergreifung von Engelbert Dollfuß in Österreich und den Nationalsozialisten im Deutschen Reich wurde dem ein jähes Ende gesetzt. Sowohl Ständestaat als auch „Drittes Reich“ hatten kein Interesse daran, das Pennalleben bestehen zu lassen, da man einerseits dadurch keine Kontrolle über die Schüler hatte und anderseits es der Ideologie des Kollektivismus widersprach. Individualität, wie sie in den Korporationen gepflegt wird, passte nicht in die Gedankenwelt dieser Regime.

Der Neustart der waffenstudentischen Verbindungen nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in Österreich ebenfalls mit allen Mitteln erschwert, weil ihre nationale Gesinnung der neuen Staatsdoktrin nicht entsprach. Die zunehmende Übernahme des Schul- und Bildungswesens durch die ’68er-Generation führte jedoch zu keiner Verbesserung. Waren es seit dem Mittelalter bis Anfang der 1950er-Jahre eher konservative, klerikale Schulleitungen, denen die Pennalien ein Dorn im Auge waren, so sind es jetzt die „fortschrittlichen“ Kreise, die die Korporationen auf allen Ebenen bekämpfen wollen.

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Im Laufe der Jahrhunderte waren und sind Wesensmerkmale aller Korporationen die intern ausgeübte Basisdemokratie, die generationenübergreifende Freundschaft, das Lebensbundprinzip und vor allem die daraus folgende Individualität ihrer Mitglieder. Junge Schüler werden von Beginn an dazu angehalten, sich selbst zu verwalten und die Gestaltung des Bundeslebens zu übernehmen. Jeder Jugendliche hat in dem Gestaltungsgremium „Convent“ das gleiche Rede- und Stimmrecht wie die älteren Mitglieder. Die Leitung obliegt einem vorher gewählten Aktiven. Früh erlernen die jungen Schüler, sich zu artikulieren und zu überzeugen, um die Mehrheit in diesem Gremium zu bekommen. Diese Basisdemokratie ist eines der Geheimnisse für den langfristigen Erfolg von Schülerverbindungen.

Nach einer kurzen Probe- und Lehrzeit unterziehen sich die jüngsten Mitglieder, die Fuxen, der Burschenprüfung. Bei den schlagenden Verbindungen kommt noch eine Pflichtmensur hinzu. Damit ist für den jungen Schüler eine Art Probezeit beendet, in der er selbst entscheidet, ob er auf Dauer Mitglied dieses Lebensbundes sein will.

Viele Bräuche und Sitten der studentischen Verbindungen scheinen für Außenstehende antiquiert und geheimnisvoll zu sein. Die Traditionen und die studentische Tracht stammen in der heutigen Form aus dem 19. Jahrhundert und wurden großteils von den akademischen Korporationen übernommen. Auch die Pflege des studentischen Liedgutes, das zu einem Gutteil aus der Zeit der Romantik stammt, wird hochgehalten. Ebenfalls ein fester Bestandteil des Bundeslebens ist das Schlagen einer studentischen Kneipe – eine genau geregelte Zeremonie nach überlieferten Regeln. Hintergrund ist, Disziplin zu wahren, auch wenn man dem jugendlichen Bierdurst frönt. Entgegen einer landläufigen Meinung ist der Alkoholkonsum der jungen Bundesbrüder bei Weitem geringer, als man dies bei diversen Veranstaltungen und Partys beobachten kann. Drogen wird man bei den Pennälern vergeblich suchen. Ein fixer Programmpunkt ist dabei der Vortrag eines Bundesbruders zu einem aktuellen Thema. Auf diese spielerische Art und Weise erlernen junge Männer das Sprechen vor einer Versammlung. Das prägt und formt nachhaltig die Bundesbrüder und gibt ihnen ein Rüstzeug für ihr späteres Berufsleben.

Das bestätigt auch Ulrich. Die erste Rede auf einer Kneipe sei ein besonderer Moment für ihn gewesen. „Ich habe mich intensiv darauf vorbereitet – es war ein großartiges Gefühl, vor meinen Bundsbrüdern zu referieren“, erinnert er sich.

Ein wesentlicher Brauch ist auch das studentische Fechten, das schwer erklärbar ist und einer gewissen Selbsterfahrung bedarf, damit man es verstehen kann. Auf pennalem Boden fechten die meisten Verbindungen mit stumpfem Säbel. Alle gefährdeten Körperteile, wie Kopf, Ellbogen und Unterleib, werden entsprechend geschützt, sodass keine gefährlichen Wunden und Narben entstehen können. Es gibt auch noch regional unterschiedliche Fechtbräuche, in Wien fechten Mittelschulverbindungen mit Schlägern, ähnlich dem akademischen Fechten, jedoch mit Gesichtsschutz.

Wie hat dieser Burschenschafteralltag Ulrich geprägt? „Indem ich von Anfang an immer wieder kleinere Aufträge zugeteilt bekam, lernte ich, mit Verantwortung umzugehen. Durch den Aktivenalltag wurde also mein Pflichtbewusstsein gestärkt.“

Gegenwärtig gibt es Schülerverbindungen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und in Flandern. Die waffenstudentischen pennalen Korporationen in Deutschland sind großteils im APR (Allgemeiner Pennälerring) und in Österreich im ÖPR (Österreichischer Pennälerring) zusammengeschlossen. Nach wie vor pflegen all diese Verbindungen die Pflichtmensur und das Tragen von Band und Mütze.

Für den ÖPR-Vorsitzenden Udo Guggenbichler ist das eine Erfolgsgeschichte. „Die Pennalien geben den jungen Menschen viel positives Rüstzeug für die Zukunft mit. Junge Aktive bekommen früh Verantwortung als Chargen übertragen. Das ist eine Art der Ausbildung, von der jeder Aktive sein Leben lang profitieren kann“, betont er. Viele Manager müssten sich mit teuren Kursen weiterbilden, um das zu erlernen, was junge Pennäler während ihrer Aktivzeit verinnerlichen.

Guggenbichler ist Alter Herr der technischen Verbindung Hollenburg zu Ferlach. Zu seiner Schulzeit habe es für Schüler in Ferlach nur ein Lokal oder eben die Bude der Hollenburg gegeben. „Bei der Hollenburg wars lustiger und wilder, das hat mir als 14-Jährigem zugesagt, und so wurde ich aktiv“, erinnert sich der heutige FPÖ-Landtagsabgeordnete. Das Leben in der Pennalie sei sehr wichtig für ihn gewesen, und er profitiere heute noch davon. „Ich bin meinem Altherrenobmann und väterlichen Freund Gerhard Egger, aber auch meinen Konaktiven sehr dankbar für viele prägende Momente, korrektive Ratschläge und ausgelassene, schöne waffenstudentische Stunden“, so Guggenbichler.

Derzeit befindet sich das Couleurleben in einem langsamen, jedoch beständigen Wandel. Aufbauend auf den alten Traditionen des Waffenstudententums werden durchaus alte, nicht mehr zeitgemäße Traditionen hintangestellt und verlieren sukzessive ihre Bedeutung. Andererseits beschäftigen sich junge Pennäler verstärkt mit den Herausforderungen der Gegenwart. Das heißt nicht, dass sich die Schülerverbindungen von ihren Grundwerten verabschiedeten. So, wie sich auch die Gesellschaft im Laufe der Zeit verändert, passt sich das Leben auf den studentischen Buden der Gegenwart an.

Der Aktivbetrieb gestaltet sich in erster Linie durch fröhliches Beisammensein, Schulungen in allen Richtungen von der Geschichte bis zu naturwissenschaftlichen Themen, gegenseitige Unterstützung beim Studium und dem Pauken, wie das Üben des studentischen Fechtens genannt wird. Es werden aber auch Ausflüge und studentische Reisen organisiert.

Man erlebt einiges im Laufe der Zeit und entwickelt mit den Herausforderungen seine Persönlichkeit. Als Burschenschafter versucht man natürlich, sich auch gesellschaftlich einzubringen. So nahm Ulrich während des „Corona-Lockdowns“ im Frühling 2020, als die Schulen in Österreich geschlossen hatten, am Hilfseinsatz der Arbeitsgemeinschaft Steirischer Burschenschaften teil. Für mehrere Tage ging es dort u. a. in die Südsteiermark, wo er mit anderen Burschenschaftern ehrenamtlich in einem Weingarten half. „Auch das war eine außergewöhnliche Erfahrung für mich.“

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Die gesamte Reportage von Elmar Podgorschek lesen Sie in der FREILICH-Sonderausgabe zur Deutschen Burschenschaft.

Über den Autor

Gastautor

Stellenausschreibugn - AfD Sachsen

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