Bauordnungsnovelle: Zahlreiche ‚Last-Minute-Abrisse‘ in Wien sorgen für Unmut

In Wien sollen Abrisse von Altbauten künftig schwieriger werden. Für viele Hausbesitzer ein Anlass, quasi „auf den letzten Drücker“ tätig zu werden. 
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Bauordnungsnovelle: Zahlreiche ‚Last-Minute-Abrisse‘ in Wien sorgen für Unmut

Der Abriss historischer, auch gründerzeitlicher Bausubstanz sorgt vielerorts für Diskussionen – neuerdings auch in Wien. Symbolbild (Abriss Gründerzeithaus in Chemnitz): Sandro Schmalfuß, Germany via Wikimedia Commons [CC BY-SA 3.0]

In Wien sollen Abrisse von Altbauten künftig schwieriger werden. Für viele Hausbesitzer ein Anlass, quasi „auf den letzten Drücker“ tätig zu werden. 

Dabei handelt es sich um einen in seiner Wirkung vorgezogenen Abschnitt einer Novelle der Wiener Bauordnung. Diese sieht ab 1. Juli vor, dass Häuser, welcher vor 1945 erbaut wurden, auch außerhalb sogenannter „Schutzzonen“ nicht mehr ohne gesonderte Genehmigung zur Abtragung kommen. Und zwar unabhängig von einem allfälligen Denkmalschutz. Damit will die Stadt verhindern, dass Bauspekulanten mit Abrissen viel Geld verdienen.

Gesetzeslücke erlaubte niederschwellige Abrisse

Bislang war es nämlich durchaus möglich, Objekte außerhalb der entsprechenden Zonen so lange leerstehen zu lassen, bis diese in einem baulich desolaten Zustand waren und eine „technische Abbruchreife“ erreicht war. Anschließend konnte man an diesen Ort einen Neubau setzen. Aufgrund der umstrittenen Schutzzonen-Regelung mussten bislang innerhalb einer Bauzone drei schützenswerte Objekte vorliegen, um dies zu verhindern. Folglich waren viele historische Häuser bislang weder im Denkmalrecht noch durch die Bauordnung geschützt.

In diesem Zusammenhang sorgte im Februar der Abriss eines Landhauses in Ottakring für erhitzte Gemüter, etwa beim Verein Initiative Denkmalschutz. Dieser setzt sich sich österreichweit für den Erhalt gefährdeter Kulturgüter ein. Beim vor wenigen Monaten abgerissenen ebenerdigen Gebäude handelte es sich etwa um ein ehemaliges Restaurant. Es galt bis zu seinem Abriss als eines der letzten verbliebenen Exemplare gründerzeitlicher Vorortkultur. An dessen Stelle soll nun zukünftig ein moderner Wohnkomplex mit 20 Wohnungen treten.

Viele Abrisse historischer Häuser

Für viele Anwohner kam die plötzliche Entfernung des altehrwürdigen Gemäuers damals überraschend. Daraufhin beschloss die Stadtregierung, die maßgebliche Lücke in der Bauordnung zu schließen. Womit die Stadtpolitik allerdings nicht rechnen konnte, war der plötzliche Ansturm auf die Abrissbirnen. In der Radetzkystraße (Wien-Landstraße) soll etwa ein 170 Jahre altes Haus abgerissen werden. Vor wenigen Tagen protestierten die Grünen gegen Schließung und Abriss eines Traditionsgasthauses auf der Wieden.

Die ebenfalls grüne Planungsstadträtin Maria Vassilakou sprach in diesem Zusammenhang von einem „Wettlauf gegen die Zeit“. Aktuell seien „sehr viele“ Abrisse von „wunderschönen historischen Häusern“ geplant – quasi im letzten Augenblick, bevor es einer verschärften Genehmigung für die Schleifung von Altbauten bedarf. Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal (SPÖ) versprach indes, bei bereits laufenden ‚Last-Minute-Projekten‘ hart durchgreifen zu wollen.

Ewige Debatte um Denkmalschutz

Auch heimische Regeln zum Denkmalschutz führen regelmäßig zu Kritik. Bemängelt wird etwa, dass die Sanierungs- und Ausbaumöglichkeiten teils empfindlichen Einschränkungen unterstehen. Dadurch bedeuten für die Immobilienbesitzer alte Häuser oftmals erhebliche finanzielle Nachteile. Als Folge ergibt sich eine Interessenskluft zwischen dem öffentlichen Auftrag zur Erhaltung historischer Bausubstanz und der mangelnden Rentabilität für Hausbesitzer. Oftmals ergeben sich jahrelange Rechtsstreite über die Machbarkeit einer Maßnahme.

Folglich lassen viele Besitzer ihre Altbauten lieber verfallen, als diese kostspielig zu renovieren. Mit teils verheerenden Folgen – in der unter Emsembleschutz stehenden Altstadt von Hall in Tirol brannte erst am Samstagmorgen ein spätgotisches Bürgerhaus lichterloh. Obwohl dieses Insiderinformationen zufolge im Besitzverhältnis einer wohlhabenden Industriellenfamilie stehen soll, stand es seit Jahrzehnten leer.

Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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