Bewegungslehre: Denk mit

Wer Köpfchen hat, sollte es auch gebrauchen. Bei politischen Gruppen ist vor, mit und neben der Praxis besonders wichtig, dass gedacht wird. Im Idealmaß der Dinge in einer eigenen Denkwerkstatt.
Heinrich Sickl
Kommentar von
20.4.2021
/
3 Minuten Lesezeit
Bewegungslehre: Denk mit

Symbolbild (CC0)

Wer Köpfchen hat, sollte es auch gebrauchen. Bei politischen Gruppen ist vor, mit und neben der Praxis besonders wichtig, dass gedacht wird. Im Idealmaß der Dinge in einer eigenen Denkwerkstatt.

Die Rechten sind nicht intellektuell. Irgendwie ist das ein Vorurteil, das sich auch in Zeiten ohne Vorurteile gehalten hat. Das Wundersame daran ist, dass es, wie bei fast jedem Vorurteil, einen funken Wahrheit in sich birgt. Nun kennen wir zwar allerhand intelligente bis intellektuelle Jungs und Mädels von rechts, aber der Einzelfall bestätigt vielfach nur, dass viele intelligente Menschen noch nicht unbedingt eine intelligente Bewegung ausmachen müssen.

Die Lage

Das liegt teilweise auch am Stil der unterschiedlichen, politischen Familien in einer Demokratie. Die Linken haben schon wieder eine neue politische Theorie zu irgendeiner sozialen Bewegung, die sie gerade entdeckt und reflektiert haben, um deren Begriffe zu besetzen. Währenddessen trinken die Rechten noch gemeinsam ein Bier am Stammtisch und reden sich in Rage über die da oben und über die, die noch kürzer da sind, und organisieren so eine Bewegung. Freilich, das sind Vorurteile. Und das Fünkchen Wahrheit ist dabei.

Die Tragik, die sich daraus ergibt, ist, dass es heute überall Jobs für linke Leute aus sozialberatenden Berufen und aus geisteswissenschaftlichen Fächern gibt. Kurze Diskussion im eigenen studentischen Umfeld: Alle studieren irgendwelche naturwissenschaftlichen Fächer, um dann zu handfesten Berufen in die Wirtschaft zu wechseln. Dort arbeiten sie dann und zahlen brav Steuern. Mit dem Geld werden auch die diversen Denkwerkstätten und Projekte finanziert, in die linken Studenten gegangen sind. Gegengewichte sind da keine groß mehr zu sehen. Wäre das die Bilanz – der Kampf um die Köpfe wäre längst verloren. Bevor wir aber vom Vorurteil zum Jammern übergehen, müssen wir sagen, dass es so einfach nicht ist. Denn trotz Revolution von 1968, trotz Marsch durch die Institutionen, trotz der ganzen linken Vordenker, hat unsere Gesellschaft hier keine linke Mehrheit. Das sollte uns zu denken geben … 

Noch mehr sollten wir uns denken, wenn sich eine soziale Bewegung – wie etwa die Corona-Proteste – auf den Weg macht. Das Gefühl sagt, da ist eine nicht-linke Protestbewegung, die einen Zorn auf die Straße trägt, der weit mehr Menschen erreicht, als mitmarschieren. Gleichzeitig ist es ein fröhliches Happening, das ein Großerlebnis schafft bei denen, die Eindrücke und Gefühle mit nach Hause nehmen. Nun schwurbelt der Innenminister, es lügt die Presse: da gingen „Verschwörungstheoretiker und Rechtsextreme“ auf die Straße. Wer nicht dabei war, mag das glauben. Wer dabei war, glaubt den zweien nichts mehr … Und gleichzeitig ist es dennoch wichtig darüber nachzudenken, was da passiert, und es auch publizistisch auszudrücken.

Aufbau von Strukturen

Politische Familien leben davon, dass man sich etwas denkt. Dass man gesellschaftliche Dinge analysiert und auch Konzepte für die Zukunft entwickelt. Dazu gehört ein Umfeld, das nachdenken will. Dem man aber auch ein entsprechendes Informationsangebot anbietet. Und dazu muss man diejenigen, die das können und wollen, professionalisieren. Medienprojekte und Denkwerkstätten sind sozusagen die Nerven im politischen Körper. Freilich hat sich die Rolle der Ideologie geändert. Voriges Jahrhundert war das alles noch ganz bitterernst und auch ein Religionsersatz. Soweit sollte man es nicht kommen lassen. Aber in diesem Dschungel an Idiotien und Fake-News ist es wichtig, die Wirklichkeit zu sortieren. Man darf das Gegenüber zwar auch auslachen, aber es tut auch ganz gut, wenn man die Gründe hat, warum etwas ein Blödsinn ist.

Da sind wir dann aber auch bei komplexeren Strukturen, die aufgebaut und gepflegt werden wollen. Think-Tank ist ein modernes Wort dafür. Oder Studiengesellschaft. Denkwerkstatt bringt einen solid handwerklichen Zugang in die Materie. Solche Strukturen bauen sich nicht von heute auf morgen auf, sondern wollen langfristig gepflegt werden. Sie sammeln Menschen, die Lust haben, sich mit der Wirklichkeit auseinanderzusetzen und Konzepte für morgen zu entwickeln. Sie inspirieren andere dazu, etwas zu tun. Sie entdecken Fehler und lösen sie. Sie denken die Freiheit, die wir brauchen und bringen jene politische Vielfalt in diese Gesellschaft, die das ja angeblich haben will.

Wir wissen, Freiheit kann weh tun. So wehrt sich auch die heutige Gesellschaft durchaus gerne gegen jene Kritik, die sie nicht hören will. Wir aber denken mit und tragen kritische Ideen ins Herz der Bestie. Auf dass sich etwas ändere im Land, das Veränderung so dringend braucht.

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Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor
Heinrich Sickl

Heinrich Sickl

Zur Person: Heinrick Sickl wurde 1973 in Kärnten geboren, wo er mittlerweile auch mit seiner Familie lebt. Er leitet die Freilich Medien GmbH als Geschäftsführer.
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