Keine schwarzen Bundesliga-Tormänner: Uni-Studie ortet Rassismus
Tina Nobis, Juniorprofessorin für „Sport, Integration und Migration“ an der Humboldt-Uni in Berlin, und ihre Kollegen lassen mit einer kühnen These aufhorchen. Demnach sei es ein Zeichen von Diskriminierung, dass es keine schwarzen Tormänner in der deutschen Fußball-Bundesliga gäbe.
Berlin. – Man würde meinen, wenn es einen Ort gibt, an dem die Rassismus-Debatte nicht hinkäme, wäre es das Fußballfeld. Seit Jahren gibt es offizielle Anti-Rassismus-Programme. Für Spieler, die sich auch nur vermeintlich gegenüber einem Mitspieler im Hinblick auf ihre Herkunft verächtlich äußern, hagelt es lange Sperren. Und die besten Profi-Mannschaften vereinen längst Kicker aus der ganzen Welt in ihrem Kader. Dann kam die Debatte über „Racist Stacking“.
Spielpositionen angeblich nach Hautfarbe vergeben
Unter diesem Begriff versteht die Forschergruppe die Verteilung von Feldpositionen nach Hautfarbe. So seien Hellhäutige dann überdurchschnittlich oft auf spielstrategisch wichtigen Positionen zu finden – und Dunkelhäutige eher auf Positionen, wo athletische Merkmale eher eine Rolle spielen. Die These geht auf ein Paper aus dem Jahr 1975 zurück, das sich ursprünglich auf die viel stärker nach Position trennbare Sportart American Football bezog.
Erst in den vergangenen Jahren nahm die Debatte aber wieder so richtig Fahrt auf. Die Untersuchungen gehen mittlerweile sogar bis in die französische Basketball-Profiliga, also erstrecken sich sogar bis in Sportarten, in denen schwarze Spieler weltweit und auf höchstem Niveau eher überrepräsentiert sind. Die Forscher monierten, dass Weiße häufig als Point Guard spielen. An der wichtigen Aufbauposition befinden sich oft die Spieler mit dem besten Ballhandling und der höchsten Spielintelligenz.
Derzeit kein schwarzer Bundesliga-Torwart
Kurzum: Wer in der Suppe ein Haar sucht, wird es wohl auch finden. Und im Fall der Berliner Studie fand man den statistischen Ausreißer auf der Tormann-Position. Diese gelten zwar selten als die technisch besten Fußballer, aber ihre Leistung entschiedet sehr oft über Sieg oder Niederlage. Einen Fehler, den der Torhüter macht, kann oft keiner mehr ausbügeln, weil der Ball zumeist im Netz zappelt. Es ist also ein besonders verantwortungsvoller Posten.
Und es ist eine Position, auf der in der deutschen Bundesliga – Ersatztorleute eingenommen – 117 Weiße und vier „People of Colour“ spielen. Vollständig schwarz ist keiner der Spieler. Der Ligaschnitt auf allen Positionen steht hingegen bei 20 Prozent – freilich ein Vielfaches des Bevölkerungsanteils von Menschen mit afrikanischen Wurzeln. Im Sturm sind es aber vergleichsweise hohe 24 Prozent, auf den offensiven Außenbahnen sogar 37 Prozent.
Amateursport als Sündenbock für „Racist Stacking“
Anstatt darin ein Indiz für die Überwindung jeglichen Rassismus zu sehen, weil schwarze Spieler oft auf Positionen spielen, die für Tore verantwortlich zeichnen und somit leichter zu Publikumslieblingen werden, geht das Forscherteam in die andere Richtung. Es sieht in der unterschiedlichen Besetzung rassistische Zuschreibungen und Vorstellungen, die auch unbewusst auftreten könnten. Die Annahme, dass weiße Spieler spielintelligent, schwarzer ehe körperlich überlegen seien, wäre rassistisch.
Auch einen Schuldigen für das vermeintliche „Racist Stacking“ fanden Nobis & Co. schnell. Dieses setze sich womöglich schon im Amateursport fest. So würden schwarze Nachwuchsspieler für bestimmte Positionen gar nicht erst in Betracht gezogen, weil es an den besagten Positionen „an schwarzen Vorbildern fehlt“. Das ist eine zentrale These des Projektes, das drei Monate lang am „Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung“ forschte.
Schwarze Ex-Tormänner über Studie uneinig
Kaum war die umstrittene Studie in aller Munde, fanden sich sowohl Personen, welche die These stützten als auch solche, die sie vehement ablehnten. Der Jungen Freiheit zufolge sieht sich der Ex-Stammtormann des Zweitligisten Greuter Fürth, Stephan Loboué als Opfer von ‚Racial Stacking‘, weil ihn die Bundesliga-Clubs trotz guter Leistung auch ablösefrei nicht wollten: „In Deutschland wir dunkelhäutigen Torhütern mit großer Skepsis entgegengetreten. Ich glaube, man hat mir das dadurch nicht zugetraut.“
Gänzlich anders sieht das David Yelldell, der nach einem Engagement für die U18-Nationalmannschaft bis zum Vorjahr derzeit als Torwarttrainer des Drittligisten Dynamo Dresden fungiert. Obwohl der Sohn eines schwarzen US-Amerikaners und einer Deutschen in seiner langen Profizeit selbst nur in einem Bundesligaspiel für Bayer Leverkusen zwischen den Pfosten stehen durfte, stellt er fest: „Ich habe in meiner gesamten Zeit nie erlebt, dass jemand davon abgehalten wurde, auf einer bestimmten Position zu spielen.“