Kolumne: „Kahlschlag gegen Patrioten als Eigentor für Facebook und Linke“

Am Donnerstag begann ein nie dagewesener Kahlschlag gegen patriotische Angebote auf sozialen Medien. Besonders betroffen waren die Seiten der österreichischen und deutschen Identitären. Wie ein Lauffeuer waren deren Präsenzen in Facebook und Instagram nacheinander unerreichbar. Einen Gefallen haben sich die Etablierten damit allerdings keinen getan.
Julian Schernthaner
Kommentar von
6.6.2018
/
4 Minuten Lesezeit
Kolumne: „Kahlschlag gegen Patrioten als Eigentor für Facebook und Linke“

Symbolbild: mkhmarketing via Flickr [CC BY 2.0]

Am Donnerstag begann ein nie dagewesener Kahlschlag gegen patriotische Angebote auf sozialen Medien. Besonders betroffen waren die Seiten der österreichischen und deutschen Identitären. Wie ein Lauffeuer waren deren Präsenzen in Facebook und Instagram nacheinander unerreichbar. Einen Gefallen haben sich die Etablierten damit allerdings keinen getan.

Kommentar von Julian Schernthaner

Beinahe wäre es ein ganz normaler Feiertag gewesen. Während ich mich an zarten Bäckerwaren und am freien Tag  meiner Liebsten erfreute, lief draußen die festliche Fronleichnamsprozession mit schallendem Blech und Krach vorbei. Plötzlich flattert die Neuigkeit hinein, dass über Nacht diverse Instagram-Konten insbesondere im Umfeld der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ) und Identitären Bewegung Deutschland (IBD) gelöscht wurden. Angeblich seien auch einzelne AfD-Accounts betroffen.

Umfassender Kahlschlag in sozialen Medien

Hastig entschuldige ich mich, die ewige Weisheit hat zugeschlagen. Als Journalist ist man – ähnlich wie als Polizist – bekanntlich niemals wirklich außer Dienst. Noch während meiner Recherche verschwindet zunächst die Facebook-Präsenz der IBD, wenig später jene der IBÖ. Durch Rückfragen bei meinen Informationsquellen erfrage ich, die Seiten mit zehntausenden Abonnenten wurden wegen „Hassrede“ gesperrt. Freilich ließ der verstärkte Gegenwind gegen die Gruppe – darunter die umstrittene Anklage wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung – vermuten, dass auch die sozialen Medien irgendwann nachziehen. Mit einem derart durchdringenden Kahlschlag konnte aber niemand rechnen.

Doch es blieb nicht dabei. Nach der – offenbar von Facebook initiierten oder zumindest goutierten – Löschungswelle rochen diverse linksgerichtete Kritiker der Gruppe einige Morgenluft. In einschlägigen Portalen dokumentierten sie erfolgreiche Meldeaktionen gegen die Seiten der Landesgruppen. Am Freitagabend existierte schließlich keine offizielle IB-Präsenz im deutschsprachigen Raum mehr.  Aus Identitären-Kreisen erfuhr die Tagesstimme, dass offenbar auch Privatpersonen in ihrem Umfeld gesperrt wurden. In den Folgetagen betraf es dann plötzlich auch weitere Portale aus dem patriotischen Lager wie „Offensive gegen Links“ oder „Einzelfälle in Österreich“.

Meinungsfreiheit als hohes Gut

Als rechtschaffener Bürger, dessen liebste Beschäftigung es auch im Freundeskreis ist, über Gott und die Welt zu fachsimpeln, betrachte ich die freie Meinungsbildung als höchste Errungenschaft unserer Demokratie. Auch die öffentliche Gerichtsbarkeit ist der Ansicht, dass Einschnitte in diese Richtung nur im Ausnahmefall zulässig sind. Auch deshalb darf man straflos FPÖ-Politikerinnen als „Kellernazi“ und Flüchtlings-NGOs als „Schlepper“ bezeichnen – und zwar unabhängig davon ob die Anschuldigungen objektivierbar über ein Wahrheitssubstrat hinausgehen.

Vor diesem Hintergrund stellen besonders die Meldeaktionen gegenüber politisch Andersdenkenden eine besorgniserregende Entwicklung dar. Wer bereit ist, Menschen wegen einer unliebsamen Meinung zu verpfeifen, hätte vermutlich auch vor 75 Jahren seinen Nachbarn wegen des Hörens von ‚Feindradio‘ und vor 30 Jahren seinen Bruder wegen geplanter ‚Republikflucht‘ an die jeweiligen autoritären Regimes ausgeliefert. Aber auch aufgrund der – ebenfalls gerichtlich festgestellten – Wichtigkeit sozialer Medien für die öffentliche Meinungsbild, ist die einseitige Löschaktion problematisch. Bereits mehrmals klagten Nutzer erfolgreich gegen die Löschung ihrer Beiträge.

Zwangsexodus als Facebook-Eigentor?

Gleichzeitig tut sich keiner der Akteure damit irgendeinen Gefallen. Wer heute von Linksaußen als willfähriger Löschhelfer fungiert und damit gefährliche Präzedenzfälle schafft, kann schon morgen unter umgekehrten Vorzeichen selbst betroffen sein. Denn: ein Pendel schwingt immer in beide Richtungen aus. Und da weite Teile der heutigen Linken – insbesondere der radikalen Linken – ihre Daseinsberechtigung maßgeblich im Kampf gegen einen vermeintlichen „Rechtsruck“ der Gesellschaft beziehen, sind sie abhängig von der Rechten. Noch jubeln sie über ihre neu wiedergewonnene Deutungshoheit – bald schon werden sie ihren Erzfeinden aber in deren Alternativen wie VK.com folgen. Und dabei den Nachteil des Nachkommenden erfahren, den Letzten beißen bekanntlich die Hunde.

Und ein de facto Duopol-Unternehmen, welches – möglicherweise auf Druck von außen – einen ganzen Themen- und Meinungskomplex zensiert, droht seine Marktführerposition irgendwann zugunsten anderer Angebote einzubüßen. Es könnte sich also für den US-Riesen noch als peinliches Eigentor entpuppen. Denn auch der Niedergang von MySpace wurde durch die großzügigen Zensurmechanismen der Plattform massiv beschleunigt. Hauptprofiteur war damals paradoxerweise Facebook.

Medieninteresse an Identitären enorm

Außerdem sind die Identitären nicht auf Facebook oder Instagram angewiesen, um ihre Botschaften an den Mann zu bringen. Die Gruppe ist zu sehr im öffentlichen Interesse, um dadurch ernsthaften Schaden zu nehmen. Auch, weil sich 17 ihrer Aktivisten ausgerechnet im medialen Sommerloch in einem mit Spannung erwarteten Prozess vor Gericht verteidigen müssen. Außerdem bewiesen die Identitären in der Vergangenheit eine hohe Reaktionsfreudigkeit:

Wer es vermag, mit kurzer Vorbereitungszeit öffentlich wirksame Impulse und Aktionen zu setzen, weiß auch mit Rückschlägen umzugehen. Wer einer Protestbewegung wie den Identitären gezielte Steine in den Weg wirft, darf sich – frei nach Goethe – nicht wundern, wenn sie daraus tatsächlich ihre Festung Europa baut. Denn mit jedem Schlag wird auch das Narrativ der linken Hegemonie und Zensur patriotischer Meinungen für politisch völlig unbedarfte Bürger immer glaubwürdiger.

Ineffektive damnatio memoriae…

Es zeigt bereits die Geschichte: Weder Scherbengerichte noch Gedenkverbote konnten Menschen aus dem öffentlichen Wahrnehmung oder der kollektiven Erinnerung tilgen. Repression, Zensur und Verbannung gelten als Mittel der Verzweiflung, wenn unliebsame Akteure eine zu wichtige Position einnehmen. Auch deshalb hatten sie oftmals sogar einen gegenteiligen Effekt und das Schaffen der betroffenen Personen wurden für die Nachwelt erst umso deutlicher.

Im Fall von Themistokles, Domitian und Theoderich stehen sie heute exemplarisch für die jeweiligen Epochen. Bei Tutenchamun sorgte die damnatio memoriae dafür, dass 3.200 Jahre niemand nach seinen Gebeinen suchte. Als einziges Königsgrab blieb es nahezu unversehrt – und der Kinderpharao wurde zum bekanntesten Herrscher der Antike am Nil. Die Mythen rund um Ernesto „Che“ Guevara und Leo Trotzki – beide eigentlich grausame Zeitgenossen – entstanden überhaupt erst durch deren politische Beseitigung.

…und unmögliches Verbot von Ideen

Noch schwieriger gestaltet sich die Verbannung von Ideen, da Menschen diese weitertragen. Obwohl frühe Christen jahrhundertelang verfolgt wurde, stieg es zur wichtigsten Weltreligion auf und ist heute auf allen Kontinenten vertreten. Die Reichsacht über Martin Luther setzte dem Protestantismus kein Ende – im Gegenteil. Und auch das österreichische Verbot der Sozialdemokratie in gleich zwei Diktaturen konnte deren Siegeszug nicht stoppen.

Der Hausarrest von Renner und die Inhaftierungen von Schärf und Kreisky hielten diese nämlich nicht davon ab, die Zweite Republik maßgeblich zu prägen. Vielleicht sollte sich die nunmehrigen Jubelchöre überlegen in welcher Tradition sie stehen wollen.  In jener, welcher uns diese Staatsmänner weitergaben – oder in jener, welche dieselben einst unterdrückte.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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