„Nazilieder“ und „Nazistraßen“: Die linke Empörung wächst unaufhaltsam

Gleich zwei ‚Nazi-Debatten‘ beschäftigen die österreichische Öffentlichkeit momentan. Die eine dreht sich um historisch belastete Straßennamen in Graz – die andere rund um die Verwendung böser Wörter wie ‚Freiheit‘ oder ‚Heimatsöhne‘ in Liedern eines patriotischen Musikers mit Kinderstube an der Mur.
Julian Schernthaner
Kommentar von
12.2.2019
/
3 Minuten Lesezeit
„Nazilieder“ und „Nazistraßen“: Die linke Empörung wächst unaufhaltsam

Befindet sich auch unter den 82 Personen, deren Straßenzüge als problematisch gelten: Nobelpreisträger Julius Wagner-Jauregg. Symbolbild Graz: Pixabay [CC0] / Bild Straßenschild Wagner-Jauregg-Straße: لαçkτδ via Wikimedia Commons [CC BY-SA 3.0] (umrandet) / Collage: Die Tagesstimme.

Gleich zwei ‚Nazi-Debatten‘ beschäftigen die österreichische Öffentlichkeit momentan. Die eine dreht sich um historisch belastete Straßennamen in Graz – die andere rund um die Verwendung böser Wörter wie ‚Freiheit‘ oder ‚Heimatsöhne‘ in Liedern eines patriotischen Musikers mit Kinderstube an der Mur.

Kommentar von Julian Schernthaner

Als konservative Journalisten können wir uns glücklich schätzen, uns im Zweifelsfall auf wahre Koryphäen unseres Faches wie den vielseitigen Johannes Gross berufen zu können. Am Höhepunkt seines Wirkens prägte er berühmte Worte, die nunmehr allzu oft ihren Wahrheitsbeweis antreten: „Der Widerstand gegen Hitler und die Seinen wird umso stärker, je länger das Dritte Reich zurückliegt.“

Graz und seine böse Jahngasse

Umso wichtiger ist dieser Widerstand gegen eine nebulöse Gefahr offenbar in der Menschenrechtsstadt Graz, immerhin im Dritten Reich „Stadt der Volkserhebung“. Kein Wunder also, dass Söhne dieser Stadt auf Plattencovers angeblich lupenreine Hakenkreuze darstellen. Immerhin müssen sie tagtäglich an Straßenschildern vorbei, welche an Hetzer, Kriegstreiber und Antisemiten aus fünf Jahrhunderten erinnern.

Denn wer heute im T-Shirt durch die Grazer Jahngasse schlendert, wird gewiss schon übermorgen im Braunhemd am Wiener Heldenplatz marschieren. Hört sich überspitzt an? Möglicherweise. Für linke Akteure aber eine todernste Sache. Ihnen ist der Begründer der Turnbewegung seit jeher ein eherner Dorn im trübseligen Auge. Die historische Forschung geht übrigens bei Jahn von einer für seine Zeit ambivalenten Einstellung zu Juden aus.

„Omas gegen Rechts“ dürfen Experten mimen

Bereits mehrfach tauschten Linksradikale das Straßenschild der Jahngasse. Im Jahr 2016 schaffte es eine solche Fake-Umbenennung sogar in einen Stadtplan mit erklecklicker Auflage. Und auch das ZiB-Magazin verwendete vergangenen Mittwoch just den Straßenzug des 1852 verstorbenen Brandenburgers, um beispielsweise „den Nationalsozialismus verherrlichende“ Straßennamen zu untermalen.

Als ‚Expertinnen‘ im Beitrag kommen dann übrigens nicht etwa Angehörige der zuständigen Historikerkommission zu Wort. Man verlässt sich vielmehr auf die ‚qualifizierten‘ Wortmeldungen der linken Protestgruppe „Omas gegen Rechts“. Der k.u.k.-Feldmarschall Conrad von Hötzendorf ist diesen etwa ein „Kriegstreiber“ und „schlechter militärischer Stratege“, der seine Mannen gezielt in den Tod führte.

Umbenennungswahn mit historischen Parallelen

Die linken Aktivistinnen sähen deshalb offenbar lieber eine Umbenennung der Straße in „Bertha-von-Suttner-Straße“. Zwar gedenken in Graz bereits eine Schule und eine Brücke an die Friedensnobelpreisträgerin. Aber im Zweifelsfall nützt man halt die Reichweite des öffentlichen Rundfunks, um eine ähnliche, seit Jahren umher geisternde Forderung der Stadtgrünen aufzuwärmen.

Personen mit einer ‚problematischen‘ Vita dürften ihrer Ansicht nach keine Würdigung erhalten. Ironischerweise fand der bislang größte Kahlschlag an Straßennamen im deutschsprachigen Raum ausgerechnet im Dritten Reich statt. In Wien verloren dutzende Juden ‚ihre‘ Straßen. In Coburg musste in historischer Unkenntnis sogar die an den Hl. Mauritius im Stadtwappen erinnernde Mohrenstraße dem Eifer des damaligen Zeitgeistes weichen.

Zusatztafeln als elegante Lösung

Umso erfreulicher, dass die türkis-blaue Stadtregierung nicht über das Stöckchen der Umbenennung von bis zu 82 Straßen springt. Man möchte wie etwa in Innsbruck lieber erklärende Zusatztafeln anbringen, die an den historischen Kontext der Benennung erinnern. Eine Entscheidung, die ich nicht nur deshalb begrüße, weil sich meine Diplomarbeit mit der Anordnung und Systematik von Innsbrucker Straßennamen beschäftigte.

Denn es ist eine erinnerungspolitisch sinnvolle Lösung. Gerade allfällige Verfehlungen der Vergangenheit löscht man nicht durch Totschweigen und Unsichtbarkeit. Aus diesem Grund erhalten wir übrigens weitaus gruseligere Gedächtnisstätten – und die Allgegenwart von Adressen kann dabei sogar mithelfen. Tausende Grazer werden zudem händeringend danken, weil sie ihre Anschrift nun nicht amtlich abändern müssen.

Auch Freiheit gilt bereits als ‚rechter‘ Begriff

Nicht zuletzt dürfte es aber auch die Nerven der linken, sogenannten Zivilgesellschaft schützen. Denn unweigerlich fände sich ein so Ewiggestriger, dass er eine der zahlreichen ‚problematischen‘ Straßen qua Gewohnheit beim alten Namen nannte. Immerhin sorgen ja Söhne der Stadt unterm Schlossberg schon für Skandale, wenn sie Bundeshymnen derart intonieren, wie in der Schule erlernt.

Womit wir wieder bei Andreas Gabalier wären. Nach dem Aufsehen rund um seine vermeintlich braune Fluchtwegpose muss dieser sich derzeit neuerdings mit Vorwürfen zutiefst bösen Gedankenguts herumärgern. Denn ein deutscher Liederforscher stellte kürzlich fest: Weil er Gipfelkreuze besingt und das Wort ‚Freiheit‘ verwendet, streift er hart am rechten Rand.

Problematische Aspekte teils kaum vermeidbar

Was lehrt uns dieser Slapstick-Versuch, der hart an der Selbstparodie der Wissenschaft vorbeischrammt, für die Straßennamen-Debatte? Richtig: Manche Leuten werden in ihrer Tugendhuberei immer nach weiteren Konzepten, Wörtern und Straßennamen suchen, die ihnen zu „altbacken“, „überholt“ oder „problematisch“ sind – und diese dann skandalisieren.

Und auch deshalb applaudierte ich der Grazer Stadtregierung für ihren mutigen Entschluss, auf die althergebrachten Straßennamen zu beharren. Denn was heute Turnvater Jahn ist, könnte morgen Martin Luther sein, übermorgen Karl Renner. Denn wer suchet, der findet – und auch die großen Namen der Geschichte waren keine Insel im Strom ihrer Zeit. Und mal ehrlich: Wenn Straßennamen unser größtes Problem sind, geht’s uns gut.


Weiterlesen:

Deutscher Liederforscher hält Gabalier-Lieder für „reaktionären Kitsch“ (11.2.2019)

Keine Umbenennungen: Grazer Straßennamen bekommen Erklärtafeln (11.2.2019)

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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