Wegen ‚Geschlechterautonomie‘: Island weicht strenges Namensrecht auf

Bislang entschied die Namensbehörde in Island über die Zulassung von Vornamen anhand einer Liste streng nach biologischem Geschlecht. Bei den patronymischen Nachnamen soll es eine Option für das dritte Geschlecht geben.
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Wegen ‚Geschlechterautonomie‘: Island weicht strenges Namensrecht auf

Das Alþingi, das Parlament von Island, in Reykjavík. Bild: Sikeri/Alþingi via Wikimedia Commons [CC BY 2.0] (Bild zugeschnitten)

Bislang entschied die Namensbehörde in Island über die Zulassung von Vornamen anhand einer Liste streng nach biologischem Geschlecht. Bei den patronymischen Nachnamen soll es eine Option für das dritte Geschlecht geben.

Reyjkavík. – Bereits Ende Juni verabschiedete das Alþingi – das isländische Parlament benennt sich weiterhin nach seinem altnordischen Vorbild – die Gesetzesvorlage. Bislang mussten die Vornamen von Kindern und Eingebürgerten nicht nur mit isländischer Grammatik und Phonetik harmonieren, sondern auch deklinierbar sein und eindeutig einem Geschlecht zuordenbar. Letzterer Passus fällt nun – jeder Name der bestehenden Liste ist somit für beide Geschlechter theoretisch offen.

Debatte um unisländische und geschlechtsneutrale Namen

Die alte Gesetzeslage führte unter anderem zu einer Situation, in welcher beispielsweise der Name „Alex“ für ein Mädchen abgelehnt wurde. Ein 15-jähriges Mädchen mit dem nicht offiziell registrierten Vornamen Blær musste sich ihr Recht, ihren Namen zu behalten einst erstreiten, hieß auf Dokumenten zuvor „Stúlka“ – Mädchen. Dieser Fall stieß im nordeuropäischen Inselstaat eine Debatte zur Novellierung der strengen Namensgesetze an.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Isländer ihr Namensrecht lockern. Vor einigen Jahrzehnten galt sogar: Einbürgerungswillige Einwanderer mussten früher ihren gesamten Namen nach isländischem Vorbild abändern. Aus Salvatore Torrini – dem aus Italien stammenden Vater der Sängerin Emilíana Torrini (Davíðsdóttir) – wurde so etwa Davíð Eiríksson.

„-bur“ als Patroynm für ‚drittes Geschlecht‘

Eine weitere Neuerung des sogenannten ‚Geschlechtsautonomiegesetzes‘ (Lög um kynrænt sjálfræði) ist dem Iceland Review zufolge eine dritte Möglichkeit für Patronyme. Island kennt mit wenigen Ausnahmen keine formellen Nachnamen – man trägt traditionell den Namen seines Vaters oder seiner Mutter mit dem Zusatz „-son“ oder „-dóttir“. Telefonbücher sortieren nach dem Vornamen.

In Zukunft kommt mit der Endung „-bur“ (wörtlich „Nachkomme“) eine geschlechtsneutrale Bezeichnung für Menschen mit dem Geschlechtseintrag „X“ dazu. Diese können sich aber auch entscheiden, ihr Patronym ohne Endung zu tragen. Ererbte Nachnamen im kontinentalen Sinne sind übrigens seit 1925 nicht mehr erwerbbar – und tauchen in jüngerer Vergangenheit deshalb vor allem bei Einwanderern auf.

Island: Sprachpflege als traditionelles Kulturgut

Auch abseits der Namensgesetze unterhält der isländische Staat bereits historisch – die ersten puristischen Gesellschaften entstanden vor Jahrhunderten – eine rigorose Sprachpflege. Seit 1964 erstellt die staatlich unterstützte Íslensk málnefnd als Sprachkommission eigene, verbindliche Neuwortkataloge. Worte für neue Konzepte werden dabei durch sechs verschiedene Mechanismen der isländischen Sprache angepasst.

Am häufigsten sind dabei beschreibende Lehnübersetzungen, aber auch Agens-Ableitungen von Tätigkeiten oder die Reaktivierung abgegangener Wörter sind beliebt. Da dies mitunter originelle Stilblüten treiben kann, erschwert dies das Erlernen der Sprache für Ausländer erheblich. So heißt ein Generalkonsulat etwa aðalræðisskrifstofa – wörtlich „Oberratsschreibstube“.

Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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