Zwischen Symbolismus und Syphilis — Künstlerportrait Hugo Simberg

Hugo Simberg (1873-1917) gilt als einer der wichtigsten finnischen Symbolisten. Sein makaberes von der Krankheit beeinflusstes Werk zeigt oft Teufel, Dämonen oder den Tod. Ein kurzer Überblick über sein Schaffen bis zu seinem frühen Ableben.
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Zwischen Symbolismus und Syphilis — Künstlerportrait Hugo Simberg

The Devil by the Pot (1897) Hugo Simberg [Public domain] (Ausschnitt)

Hugo Simberg (1873-1917) gilt als einer der wichtigsten finnischen Symbolisten. Sein makaberes von der Krankheit beeinflusstes Werk zeigt oft Teufel, Dämonen oder den Tod. Ein kurzer Überblick über sein Schaffen bis zu seinem frühen Ableben.

Hugo Simberg, geboren im Jahre 1873 als Sohn eines Offiziers, war ein finnischer Maler und ist vor allem für seine mystischen Darstellungen von Engeln, Teufeln und dem Tod bekannt. Nach dem zweijährigen Besuch einer Abendschule für Kunst in seiner Heimatgemeinde und dem Abbruch der Schule zog er 1893 zusammen mit seinem Bruder nach Helsinki, um sich an der dortigen Kunstakademie zu bewerben. Nach einem Probesemester wurde er dort auch angenommen.

Neue Einflüsse in Finnland

In seinem zweiten Jahr auf der Akademie fühlte sich der junge Künstler vom trockenen und altmodischen Lehrbetrieb auf der Akademie zunehmend eingeengt und auch durch Mangel an positiver Kritik begannen in Simberg Selbstzweifel zu keimen. Mitte der 1890er schwappten zunehmend neue künstlerische Einflüsse in Form des Symbolismus nach Finnland, welche von Simberg mehr als nur willkommen geheißen wurden.

Symposium (1894 ) Akseli Gallen-Kallelahhh [Public domain]

Ermutigt von seiner Tante kontaktierte er schließlich Akseli Gallen-Kallela, den führenden Verfechter des finnischen Symbolismus, um bei ihm in die Lehre zu gehen. Er zog daraufhin nach Ruovesi, einer ländlichen Gemeinde im Westen Finnlands, wo Gallen-Kallela sein privates Atelier unterhielt. Der bisher das Leben der Hautevolee gewöhnte Simberg zeigte sich vom einfachen und friedlichen Leben am Land und der Nähe der Natur tief beeindruckt. Später sollten hier einige seiner bekanntesten Werke entstehen.

Erste eigene Werke

Doch allzu bald ist er gezwungen, seine Meinung vom friedlichen Landleben zu ändern, als ihm auch hier die dunklen Seiten auffallen. So bezeichnet er seine Hauswirtin, in einem Brief an seinen Bruder, als schlichtweg verrückt und ihren Mann als mehrmals die Woche betrunken. Auch seine ersten Beiträge zum Herbstsalon der Finnischen Kunstgesellschaft werden von den Kritikern geschmäht. Dennoch entstehen hier weitere vom Lauf der Natur inspirierte symbolistische Werke.

Autumn II (1895) Hugo Simberg [Public domain]

Nur sein Mentor Gallen-Kallela war weiterhin vom Talent des jungen Künstlers überzeugt. Sein Stil entspräche dem Zeitgeist und „dekorative Einfachheit“ sowie „idealisierte Primitivität“ entsprächen den zeitgemäßen Idealen des Symbolismus. Kallela ist es auch, der Simberg seine erste größere Reise, und zwar nach London, ans Herz legt.

Syphilis im Gepäck

Doch bereits zu Beginn der Reise ist Simberg in schlechter Stimmung. Ob wegen des mangelnden Erfolgs seiner Kunst oder aus privaten Gründen, nach seinem Eintreffen in London klagt Simberg in Briefen über Einsamkeit, das schlechte Wetter und darüber „ziellos in hoffnungsloser Sehnsucht umherzutreiben“. Bereits nach einem Monat verlässt er London wieder mit nichts weiter als einem merkwürdigen kleinen Aquarell im Gepäck. Darauf dargestellt ist ein nackter Männerkörper, der in einer wüstenartigen Umgebung liegt und dessen Lenden von einem schlangenartigen Wesen zerdrückt werden. Im Hintergrund entfernt sich eine Frau mit gesenktem Kopf.

Simberg wird, abgesehen von seiner oft dem Tod zugewandten Kunst, von seinen Zeitgenossen als impulsiv und humorvoll beschrieben und soll über ein aktives, wenn nicht sogar ausschweifendes Sozialleben verfügt haben. Aber auch dieses bleibt für ihn nicht ohne negative Konsequenzen. Nach heutigen Erkenntnissen ist davon auszugehen, dass Hugo Simberg an Syphilis litt, die vermutlich auch die Ursache für seinen frühen Tod ist. Die schlangenartige Kreatur auf Simbergs einzigem Werk aus der Zeit in London wird von vielen als Verkörperung der sexuell übertragbaren Erkrankung, an der er litt, gesehen.

Der Tod als Begleiter

In der Zwischenzeit fährt Simberg fort, weiter makabre Bilder mit Bezug zum Tod zu produzieren, bevor er 1898 eine weitere große Reise nach Italien antritt, aus der er mit gebrochenem Herzen zurückkehrt. Daraufhin zieht er sich im nächsten Jahr zu Pferde in den Kaukasus zurück und besucht dort seinen Halbbruder, der in dem an der Grenze Europas gelegenem Gebirge als Eisenbahningenieur arbeitete.

The Garden of Death (1896) Hugo Simberg [Public domain]

Langsam stellt sich aber bei Simberg auch beruflicher Erfolg ein. 1903 präsentiert er sein bis heute bekanntestes Werk „The Wounded Angel“ (dt. „Der verwundete Engel) auf dem Herbstsalon, der ihm zu Beginn seiner Karriere so vernichtende Kritiken eingebracht hat. Dieses neue Werk wird aber bereits damals als Triumph gefeiert. Infolgedessen erhält er den Auftrag, die Fresken für den neu erbauten Dom von Tampere zu malen. Um sich auf diese Aufgabe vorzubereiten, reist er erneut nach Italien, der Wiege der Freskenmalerei.

The Wounded Angel (1903) Hugo Simberg [Public domain]

Nachdem er diese Mammutaufgabe beendet hatte, schlägt jedoch erneut die Krankheit zu und Simberg reist nach Wiesbaden, um sich in dem alten Kurort zu erholen. Bei der Weihe des Doms befindet sich Simberg weiterhin in einem Sanatorium. Das Fresko selbst löste mit seiner Verbindung zwischen künstlerischen und religiösen Ambitionen als für Finnland neue Art von Gesamtkunstwerk eine Kontroverse aus. Aufgrund der dargestellten Nacktheit wird sogar die Forderung nach einer Zensur des Kunstwerks laut. Dieses Vorhaben scheitert jedoch und das Fresko wird für Simberg zum Erfolg, für den er mit Glückwünschen überschüttet wird.

Ein lang gehegter Traum

1907 folgt für Simberg der nächste Karrieresprung. Er nimmt eine permanente Lehrtätigkeit an der Kunstakademie, auf der er einst selbst studiert hatte, an. Im folgenden Jahr verliebt er sich in eine seiner Studentinnen, die er zwei Jahre später auch heiratet. Sie schenkt ihm zwei Kinder. So erfüllt sich für Simberg, nach gebrochenem Herzen und dem Leiden an einer Geschlechtskrankheit, der lang gehegte Traum einer glücklichen Ehe und einer Familie doch noch.

Diese Veränderung macht sich auch in den Werken Simbergs bemerkbar. Dominierten früher symbolistische Darstellung von Krankheit und Tod sein Schaffen, so treten nun vermehrt Portraits in den Vordergrund. Unter anderem auch von seiner Familie wie in „Towards the Evening“ (dt. „In Richtung Abend“), welches Vater und Sohn von Simberg zeigt. Vier Jahre nach „Towards the Evening“, und ohne ein weiteres bekanntes Werk geschaffen zu haben, erreicht Simberg schließlich 1917 seinen eigenen Lebensabend, den er mit dem Titel eines seiner letzten bekannten Werke in prophetischer Weise voraussah.

Towards the Evening (1913) Hugo Simberg [Public domain]

Später Ruhm

Zwar erzielte Simberg auch Zeit seines Lebens einige beachtliche Erfolge, aber wie bei so vielen Künstlern stellte sich auch bei ihm der Großteil des Ruhmes erst posthum ein. Knapp 90 Jahre nachdem Simberg von der Syphilis dahingerafft wurde, gewann sein Meisterwerk „The Wounded Angel“ eine von der finnischen Nationalgalerie abgehaltene Wahl zum „Nationalgemälde Finnlands“.

Sogar in der zeitgenössischen Popkultur konnte Simberg Einfluss entfalten. Die finnische Symphonic Metal-Band Nightwish, welche international bekannt und die weltweit erfolgreichste finnische Band ist, veröffentlichte 2007 ein von Simberg inspiriertes Musikvideo. Das Video zur Single „Amaranth“ basiert auf seinem Werk „The Wounded Angel“.

Vereint mit dem so oft von ihm dargestellten Tod wurde ihm endlich auch der in jungen Jahren erträumte Ruhm zuteil und er kann mit Fug und Recht als einer der größten Maler Finnlands bezeichnet werden. Möge der Tod als Simbergs treuer Begleiter auch dieser späten Hommage an den finnischen Künstler lauschen.

Death Listens (1897) Hugo Simberg [Public domain]

Über den Autor

Tino Taffanek

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