AfD-Politiker Udo Stein: „Der Wolf muss auf den Schwarzwald beschränkt werden“
Der baden-württembergische AfD-Landtagsabgeordnete Udo Stein war passionierter Jäger und verfolgt in der Landespolitik vor allem die Themen Wolf, Jagdrecht und Wildbestand. Mit FREILICH sprach er über diese Themen.
Udo Stein wurde im Jahr 1983 in Schwäbisch Hall geboren. Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Der gelernte Einzelhändler sitzt seit 2016 im Landtag von Baden-Württemberg.
FREILICH: Herr Stein, mehr als ein Drittel der Landesfläche Baden-Württembergs ist von Wald bedeckt, der aktuelle Wildtierbericht des Landes von 2021 verweist auf die große Artenvielfalt im Wildbestand, aber auch auf einige gefährdete Arten wie Wildkatzen und Auerhuhn. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation der Wildbestände in Baden-Württemberg und welche Maßnahmen halten Sie für eine nachhaltige Regulierung für notwendig?
Udo Stein: Das Jagd- und Wildtiermanagementgesetz Baden-Württemberg schreibt gesunde und stabile Wildtierpopulationen vor. Dabei sind ökonomische und ökologische Belange zu berücksichtigen. Momentan ist die Jägerschaft im Zuge des klimabedingten Waldumbaus besonders gefragt, die wiederkäuenden Schalenwildarten, insbesondere das Rehwild, auf ein tragbares Maß zu reduzieren.
Dabei sind aber auch wildtierökologische Belange zu beachten. Wir sehen das Rehwild generell nicht als Schädling an. Wir wollen einen Wald mit Wild. Schlimm sieht es beim Rotwild aus, dem in Baden-Württemberg nur ein Lebensraum auf vier Prozent der Landesfläche zugestanden wird. Die Rotwildgebiete müssen dringend aufgehoben werden.
Stichwort „Wald mit Wild“: Im Zusammenhang mit der Wildtierregulierung spielt auch der Begriff der Hege eine zentrale Rolle. Hege bezeichnet in der Jagdwirtschaft alle Maßnahmen, die darauf abzielen, Wildtiere zu pflegen und zu schützen, um gesunde und stabile Wildtierpopulationen zu erhalten. Welche Rolle spielen Kitze und Jungtiere bei der Hege? Sollte es für diese Gruppen besondere Schutzmaßnahmen geben?
Der Muttertierschutz ist im Gesetz verankert. Wer dagegen verstößt, begeht eine Straftat. Eine wichtige Rolle spielt die Jungwildrettung mit Drohnen. Dies ist eine Maßnahme der Hege, aber auch des praktizierten Tierschutzes. Ich persönlich bin seit vielen Jahren in der Rehwildrettung mit Drohnen tätig.
Das Jagdrecht ist eng mit der Hegepflicht verbunden. Welche konkreten Maßnahmen würden Sie in Baden-Württemberg ergreifen, um den Wildbestand im Sinne eines ökologischen Gleichgewichts zu regulieren?
Wie schon gesagt, ist eine Regulierung im Zuge des notwendigen Waldumbaus beim wiederkäuenden Schalenwild notwendig. Dazu arbeitet derzeit die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt in Abstimmung mit Verbänden notwendige Maßnahmen aus, die auf der Fläche kommuniziert und umgesetzt werden sollen. Dazu gehören zum Beispiel die Schwerpunktbejagung an besonders Verbiss gefährdeten Stellen, die in der Intervalljagd in besonders erfolgversprechenden Zeiten oder der Einsatz neuer Jagdtechniken.
Inwieweit sehen Sie überhöhte Wildbestände und Wildverbiss als Gefahr für stabile Mischwälder? Welche Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht notwendig, um dies zu verhindern?
Überhöhte Wildbestände gefährden zweifellos das Entstehen stabiler Mischwälder. Allerdings ist die Regulierung des Wildbestandes nur ein Baustein des Gelingens. Der Waldeigentümer bzw. der Bewirtschafter muss ebenso seinen Teil der entsprechenden forstlichen Maßnahmen umsetzen. Insbesondere eine Umsetzung des Betriebsumbaus einseitig zu monetären Lasten der Jagdausübungsberechtigten ist abzulehnen. Einige Maßnahmen habe ich schon oben genannt.
Oft werden Schutzmaßnahmen wie Zäune eingesetzt, um die Verjüngung der Hauptbaumarten zu sichern. Halten Sie dies für eine sinnvolle Lösung oder gibt es wirksamere Alternativen?
Zäune sind immer das schlechtere Mittel gegenüber dem Einzelschutz, weil sie den Lebensraum des Wildes einengen und die Schadproblematik oft nur räumlich verlagern. Die Hauptbaumarten sollten sich ohne Schutz verjüngen können. Dazu muss der Jäger beitragen. Wenn der Wald jedoch mit sogenannten Nebenbaumarten oder besonders hitzeresistenten neuen Baumarten aus dem Mittelmeerraum umgebaut wird, kann dies nur mit Schutz gelingen, für den der Jagdausübungsberechtigte nicht aufkommen muss.
Das 10-Punkte-Programm zur Schwarzwildbejagung soll die Schäden in der Landwirtschaft reduzieren. Halten Sie dies für ausreichend oder sehen Sie weiteren Handlungsbedarf?
Obwohl das Thema durch einen ASP-Ausbruch im Rhein-Neckar-Kreis eine zusätzliche Brisanz bekommen hat, halte ich die Maßnahmen im Zuge des 10-Punkteprogramms im großen Ganzen für ausreichend. Das Land hat auch viel für die Vermarktung und Verwertung im Rahmen des Infrawild-Projektes getan. Sollte sich die ASP weiter ausbreiten, muss das Land endlich verbindliche Regelungen zur Entschädigung der Jagdgenossenschaften und Jagdausübungsberechtigten erlassen.
Außerdem brauchen wir dringend das weitere Schwarzwildgewöhnungsgatter im Rheintal zur Einarbeitung brauchbarer Jagdhunde. Leider schafft es das Land nicht, endlich die dazu notwendige Gehege-Genehmigung zu erteilen. In diesem Kontext fordern wir bereits seit mehreren Jahren eine Abschussprämie für Schwarzwild, um den Bestand im Sinne der ASP-Prävention zu reduzieren.
Wie beurteilen Sie die Praxis der Wildfütterung? Sollte sie stärker reglementiert werden, um das ökologische Gleichgewicht zu fördern?
Die Wildfütterung ist mit Ausnahme der Hochlagen des Schwarzwaldes und der Schwäbischen Alb weitgehend verboten und in den genannten Gebieten nur noch im Rahmen strenger Ausnahmegenehmigungen erlaubt. Eine weitere Reglementierung halte ich für nicht zielführend; im Gegenteil sollte den Jagdausübungsberechtigten hier wieder mehr Eigenverantwortung übertragen werden.
Einige Wildtierarten, wie z. B. der Waschbär, sind in unserer Region ursprünglich nicht heimisch. Wie sollten diese Arten Ihrer Meinung nach behandelt werden?
Der Waschbär entwickelt sich, übrigens wie auch manch andere Neozoen, immer mehr zur Plage und muss im Rahmen weidgerechter Jagd bekämpft werden. Insofern ist es für mich völlig unverständlich, dass die Jagd erst ab dem 1. August erlaubt ist und bereits am 15. Februar endet.
Es muss darüber genau nachgedacht werden, die Stadtjäger hier mit mehr Handlungsmöglichkeiten auszustatten, wobei mir völlig klar ist, dass die Waschbär-Population auf diese Weise allein wegen der hohen Vermehrungsrate nur sehr schwer in den Griff zu bekommen ist. Beim Waschbären halte ich eine staatliche Erleger bzw. Fangprämie für dringend erforderlich.
Das Auerhuhn ist vom Aussterben bedroht, während andere Wildarten zunehmen. Wie könnte eine ausgewogene Strategie zum Schutz bedrohter Arten und zur Regulierung überhöhter Bestände aussehen?
Hier existiert ja bereits der sogenannte Aktionsplan Auerhuhn, in den das Land und die Verbände eingebunden sind. Der Forstwirtschaft und der Prädatoren Regulierung kommt hier eine entscheidende Rolle zu. Außerdem muss die Windkraft, die ich im Wald generell ablehne, zumindest im Bereich der Auerwild relevanten Gebiete außen vor bleiben.
Die Rückkehr des Wolfs nach Baden-Württemberg wird kontrovers diskutiert. Welche Maßnahmen halten Sie für notwendig, um eine Balance zwischen Artenschutz und Sicherheit der Weidetiere zu gewährleisten?
Die wichtigste Maßnahme ist die Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht, das über kurz oder lang eine Bestandsregulierung ermöglicht. Die EU-rechtliche Umgruppierung von „streng geschützt“ auf „geschützt“ und eine damit verbundene Neufassung der Berner Konvention sind ein erster Schritt in die richtige Richtung, reichen aber bei Weitem nicht aus. Die bisherige Anwendung des Naturschutzrechts ist bei der Umsetzung der notwendigen Managementmaßnahmen in der Praxis nicht das richtige Instrument.
Wie beurteilen Sie die derzeitigen Entschädigungszahlungen aus dem „Ausgleichsfonds Wolf“? Sind diese ausreichend oder sehen Sie Nachbesserungsbedarf?
Sogenannte Prävention und Ausgleichszahlungen sprengen mit fast sechs Millionen Euro im Jahr 2023 allein in Baden-Württemberg jegliches Maß. Letztlich handelt es sich hier um Steuergelder, die zur Ruhigstellung der verunsicherten Weide- und Nutztierhalter in die Hand genommen werden müssen. Selbstverständlich müssen diese entschädigt werden, die Entnahme auffälliger Wölfe und mittelfristig eine Regulierung der Population sind aber weitaus effektiver.
Die AfD fordert die Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht. Welche Auswirkungen hätte dies aus Ihrer Sicht auf die Wolfspopulation und den Naturschutz in Baden-Württemberg?
Wie schon gesagt, ist insbesondere zunächst die Entnahme auffälliger Individuen auf Grundlage des Jagdrechts erforderlich. Mittelfristig sollte für Deutschland eine Wolfsobergrenze angestrebt werden, wie dies zum Beispiel in den skandinavischen Ländern der Fall ist. Baden-Württemberg sollte zur wolfsfreien Zone zum Schutz unserer Weidetierhalter ausgewiesen werden, da Baden-Württemberg zu dicht besiedelt ist. Die Aufnahme in das Jagdrecht bietet hierfür, hinsichtlich des Schutzes, aber auch zur Entnahme, die einzig richtige Grundlage.
Halten Sie eine friedliche Koexistenz von Wölfen und Weidetieren in Baden-Württemberg für realistisch oder sehen Sie hier Grenzen?
Eine friedliche Koexistenz im dicht besiedelten Baden-Württemberg kann ich mir nur äußerst schwer vorstellen. Der Wolf muss hier, wenn überhaupt, auf wenig besiedelte Bereiche in den großen Waldgebieten des Schwarzwaldes beschränkt bleiben, wobei wir auch in dieser Region viel zu dicht besiedelt sind. Der Wolf muss auch möglichst schnell wieder lernen, dass von Menschen Gefahr ausgehen kann.
Wie sehen Sie die Rolle von Allianzen zwischen Naturschützern, Landwirten und Jägern im Wildtiermanagement? Welche Initiativen könnten diese Zusammenarbeit stärken?
Hier bestehen ja bereits erfolgreiche Initiativen wie die „Allianz für das Niederwild“, an der neben dem Land auch der Landesjagdverband, Revierinhaber, Landwirte und der Naturschutz beteiligt sind. Solche Allianzen müssen gestärkt und gefördert werden.
Wie könnte Ihrer Meinung nach der zunehmende Flächenverbrauch und die Zerschneidung von Lebensräumen, die Wildtiere beeinträchtigen, in Baden-Württemberg besser kontrolliert werden?
Der nahezu ungebremste Ausbau von Fotovoltaik, aber auch Windkraftflächen, bei denen bisherigen Genehmigungsstandards weitgehend außer Kraft gesetzt wurden, führen zu einem erheblichen Flächenverbrauch und zur Zerschneidung von Lebensräumen. Hier kann bestenfalls mit wildtierökologische Maßnahmen nachgesteuert werden, um die Eingriffe abzumildern. Auch der weiteren Zersiedelung der Landschaft muss Einhalt geboten werden.
Kritiker sehen im Wolf eine Bedrohung für Weidetierhalter. Welche konkreten Schritte schlägt die AfD vor, um den Schutz von Weidetieren zu verbessern?
Ein nachhaltiger Schutz von Weidetieren ist nur dann möglich, wenn es den Jägern im Land möglich ist, Wölfe zu entnehmen und dem Wolf so eine Furcht vor der Nähe zu Menschen anzutrainieren. Dies ist aber nur dort möglich, wo Wolfsrudel generell genügend Platz zum Leben haben. Dies ist in Deutschland wenig bis gar nicht möglich. Daher hat die AfD bereits auf Bundesebene ein wolfsfreies Deutschland gefordert.
Im Jahr 2023 hat sich das erste Wolfsrudel in Baden-Württemberg gebildet, auch wenn es tragische Zwischenfälle wie den Tod des einzigen Welpen gab. Sehen Sie die Rudelbildung eher positiv oder negativ für die Region?
Generell ist die Bildung von Wolfsrudeln in Baden-Württemberg eher negativ zu betrachten, da die Schäden durch den Wolf in keiner Relation zum Nutzen der Wolfswiederkehr stehen. Wir stehen daher für ein wolfsfreies Baden-Württemberg.
Der NABU unterstützt Herdenschutzhunde und Zäune, um Weidetiere vor Wolfsübergriffen zu schützen. Halten Sie diese Maßnahmen für ausreichend?
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Zäune für Wölfe im Normalfall kein Problem darstellen. Sofern diese hungrig sind, können sie einfache Zäune problemlos überwinden. Auch Herdenschutzhunde sind gegen ein Wolfsrudel unterlegen und bieten daher nur einen bedingten Schutz vor Wolfsübergriffen.
Wie beurteilen Sie die Informationspolitik der Landesregierung in Bezug auf das Wolfsmanagement und die Verhaltensweisen bei Wolfsbegegnungen?
Die Informationspolitik in Bezug auf Verhaltensweisen ist nach meinem Dafürhalten mehr als dürftig, da dort kaum Informationen nach außen dringen. Ich selbst bin bei der Jagd in Brandenburg mehrfach auf Wölfe getroffen und kann daher aus eigener Erfahrung sagen, dass Wölfe alles andere als scheu sind, wie uns die Informationspolitik der Landesregierung Baden-Württemberg weismachen will.
Herr Stein, vielen Dank für Ihre Antworten!