Herumgedoktert, runtergewirtschaftet und zu Tode reformiert
Der akute und massive Lehrkräftemangel zeigt, welche Rolle die Bildungspolitik bei den Altparteien einnimmt: das manchmal aus Reputationsgründen nach vorne geschobene, dennoch ungeliebte, stets unverstandene und chronisch verwahrloste Stiefkind.
Denn man kann das Blatt drehen und wenden, der Lehrermangel an unseren Schulen ist seit Jahren virulent. Die Bertelsmann Stiftung prognostizierte im Jahr 2018 bis zum Jahr 2025 einen Mangel von 35.000 Lehrkräfte, während Bildungskritiker Josef Kraus für die kommenden zehn bis zwanzig Jahre einen Mehrbedarf an bis zu 76.000 Lehrern und einen Ersatzbedarf an rund 190.000 Lehrern eruiert hat. Die ARD Online-Redaktion schreibt im April dieses Jahres: „Bis 2035 werden mindestens 23.800 Lehrkräfte fehlen, prognostiziert die Kultusministerkonferenz.“ Genaues weiß man nicht und der Regierungssender hat auch gleich zwangsgebührenfinanziert die Ursachen für den Lehrermangel herausgefunden. Es sollen unter anderem die von der „jungen Generation“ vermutete mangelnde Flexibilität im beruflichen Alltag sein, die den Lehrerberuf unattraktiv macht; fehlende Aufstiegschancen und Weiterentwicklungsmöglichkeiten sowie vorausgesehener Ärger mit den Kollegen und mit überambitionierten Eltern kommen hinzu.
Klappt die Qualitätsoffensive?
„Dennoch“, schreiben die Staatsfunker, „stieg die Zahl derer, die ein Lehramtsstudium beginnen, laut Statistischem Bundesamt in den vergangenen Jahren durchaus. Andererseits ging die Zahl der Lehramtsabsolventinnen und -absolventen aber deutlich zurück. Sie sank von 2018 bis 2020 laut Kultusministerkonferenz um 13 Prozent. Denn auch die, die ein Lehramtsstudium beginnen, machen dann viel zu selten einen Abschluss. […] Die Uni Potsdam hat intern ermittelt, dass nur 50 Prozent der Studienanfänger bis zum Ende durchhalten. Fatalerweise war gerade in den Mangelfächern Mathematik und Physik das Verhältnis besonders schlecht: Von den 42 Studierenden, die 2015 ein Lehramtsstudium der Mathematik aufnahmen, machten 2021 nur neun einen Abschluss, von den 17 Physikanfängern ganze zwei.“ Und daran ist wiederum und natürlich der Personalmangel an den deutschen Hochschulen schuld. Und die haben kein Geld für eine Aufstockung. Mit einer Qualitätsoffensive will man diese Zirkelkausalität beheben. Ob das klappt?
Die genannten Zahlen sind – unabhängig von ihrer tatsächlichen Größe – auch deshalb evident, weil die Qualität der Schulausbildung von der Präsenz der Lehrkräfte abhängt. 2011 konnte die Bild noch schreiben: „Bundesweit werden jede Woche rund eine Million (von insgesamt 12 Mio.) Unterrichtsstunden nicht stundenplangemäß gegeben. Rund die Hälfte davon wird sogar ersatzlos gestrichen. Das berichtet WELT am SONNTAG unter Berufung auf Berechnungen des Deutschen Philologenverbands. Am schlimmsten ist die Lage an Berufsschulen. Hier fällt rund jede zehnte Schulstunde aus. An den Gymnasien sind es acht, an den Grundschulen vier Prozent der Stunden.“ Da Bildung Ländersache ist, liegen der Bundesregierung zu ausgefallenen Stunden aktuell keine Zahlen vor. Es werden auch keine eingeholt, die Misere könnte zu offenbar werden! Überhaupt haben die Corona-Krise mit den erzwungenen Schulschließungen, die kriminelle Grenzöffnung 2015 durch Merkel und die Flüchtlinge aus der Ukrainer das ganze Bild verfälscht.
Schulsystem vor Implosion
Das beamten-infoportal.de schreibt: „Experten und Fachleute waren sich zu Beginn des letzten Jahrzehnts darin einig, dass sich die Geburten in Deutschland rückläufig entwickeln würden. Diese Annahme hat sich nicht bestätigt und zusätzlich kamen mit den Folgen der Flüchtlingskrise eine Vielzahl an Kindern in die Bundesrepublik, die es ebenso an den Schulen zu unterrichten gilt.“ Da kann auch der digitale Weg nicht das leisten, was Politiker und Reformpädagogen versprechen und was die physische Anwesenheit mit direkter Betreuung durch Lehrer in den Schulen leistet.
Empfehlungen aus der Krise gibt es viele: Wiedereingliederung pensionierter Lehrer, Förderung von Seiten- und Quereinsteigermodellen, Reputationsverbesserung des Berufs durch bessere Bezahlung und attraktivere Umfelder. Doch das Absenken der Bildungsqualität und der Anforderungsstandards für Schulabschlüsse, die hohen Zuwanderungsraten in das Bildungssystem, reformpädagogische Irritationen statt Pflege bewährter Lehrmodelle und Curricula und auch die auffallend ungleiche Bezahlung von Lehrkräften verschiedener Schultypen sind sicherlich der falsche Weg, um das deutsche Schulsystem vor einem kompletten braindrain, einer Implosion zu bewahren.