Kolumne: Der Verrat der Freiheitlichen an den berufstätigen Studenten

Kommende Woche beginnt an vielen Universitäten des Landes das neue Semester. Erstmals können berufstätige Langzeit-Studenten keine Befreiung von der Studiengebühr mehr beantragen. Für die Freiheitlichen könnte das ersatzlose Auslaufen der alten Regelung ein Schuss vor den eigenen Bug sein. 
Julian Schernthaner
Kommentar von
27.9.2018
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4 Minuten Lesezeit
Kolumne: Der Verrat der Freiheitlichen an den berufstätigen Studenten

Symbolbild (Karl-Franzens-Universität Graz): Pixabay [CC0]

Kommende Woche beginnt an vielen Universitäten des Landes das neue Semester. Erstmals können berufstätige Langzeit-Studenten keine Befreiung von der Studiengebühr mehr beantragen. Für die Freiheitlichen könnte das ersatzlose Auslaufen der alten Regelung ein Schuss vor den eigenen Bug sein. 

Kommentar von Julian Schernthaner

Grundlage für die Problematik ist diesmal kein Impuls der türkis-blauen Regierung – sondern das Ausbleiben eines selben. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) gab im Dezember 2016 der Klage einer Studentin statt, welche trotz Berufstätigkeit nach Abzug ihrer Sonderausgaben unter die maßgebliche Geringfügigkeitsgrenze fiel. Dies, so das Gericht, verletze den Gleichheitsgrundsatz. Und weil sich niemand um eine stichhaltige Erneuerung der Passage kümmerte, konnte sich mit Wirksamkeit des 30. Juni 2018 niemand mehr auf seine Berufstätigkeit berufen.

Berufstätige Studenten leisten Beitrag

Freilich ist es strategisch sinnvoll für ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann, im Vorfeld einer größeren Gesetzesreform kein Stückwerk zu fabrizieren. Völlig nachvollziehbar ist auch aus volkswirtschaftlicher Sicht, dass die Allgemeinheit keine tatsächlichen Bummelstudenten samt mitunter zahlreicher Studienwechsel durchfüttern soll. Von daher war es bereits bislang zurecht üblich, Studenten, welche die Mindestzeit grundlos erheblich überschreiten, zur Kasse zu bitten.

Ebenso akzeptabel wäre ein Ansatz, welche den Betrieb zwar durch generelle Studiengebühren finanziert – diese aber durch einen Ausbau des Stipendiensystems abfedert. Völlig unverständlich ist dem neutralen Beobachter allerdings die Situation, wo die ersten Leidtragenden jene Studenten sind, welche bereits während ihrer Ausbildung zur Volkswirtschaft beitragen. Durch ihre diverse Berufserfahrung gelten sie zudem nach ihrem Abschluss in der Regel als leichter am Arbeitsmarkt vermittelbar als reine „Fachdeppen“.

Arbeiterkinder besonders betroffen

Der Aufschrei der SPÖ kam bereits im Winter – und diesmal kam er völlig zurecht. Denn es betrifft vor allem Kinder aus weniger betuchten Familien ohne große gesellschaftliche Beziehungen. Diese sind meist nämlich aus zweierlei Hinsicht auf den Zuverdienst angewiesen. Einerseits, damit die Ausbildung und Lebenskosten finanzierbar bleiben. Und andererseits weil sie mangels gemachten Bettes ihre beruflichen Perspektiven aufbessern wollen.

Auch ich musste mir mangels reicher Eltern einen Gutteil aus der eigenen Tasche zahlen. Zeitweise leistete ich wöchentlich vier Nachtdienste und fiel nach einer Zehn-Stunden-Schicht volley ins Proseminar um. Für die einen war ich der „faule Student“ – für die anderen der „asoziale Arbeiter“. Dass man dabei dann vielleicht nicht alle Kurse belegen kann und deshalb ein paar Semester länger braucht, liegt in der Natur der Sache. Auch weil Branchen, in denen berufstätige Studierende bevorzugt arbeiten, selten hohe Stundenlöhne zahlen.

Positionen-Slalom bei den Freiheitlichen

Die kurioseste Rolle in diesem Theater spielen allerdings die Freiheitlichen. Nachdem sich diese in den Nullerjahren von der ÖVP die generellen Studiengebühren aufschwatzen ließ, brachte sie dieselben mit SPÖ und Grünen später zu Fall. Noch vor einem Jahr warb der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) für den freien Hochschulzugang. Sie bezogen sich in einer Aussendung explizit auf die Studienmöglichkeit für sozial Schwächere. Nun goutiert die Mutterpartei erneut deren mutmaßliche Wiedereinführung auf Raten.

Arbeiter wählen Blau – Akademiker oft Rot/Grün

Dabei ist die stille Zustimmung zum Ende der Ausnahmeregelung für Berufstätige in Wahrheit der größte Verrat an der eigenen Stammwählerschaft. Denn wenn man dem Wahlverhalten der jüngsten Wahlen glauben schenken darf, kommen Blauwähler selten aus Akademikerfamilien. Bei der ersten Bundespräsidenten-Stichwahl 2016 votierten gar 86 Prozent aller Arbeiter für den freiheitlichen Wahlwerber.

Was ebenso auffällt, ist der traditionell geringe Zuspruch für blaue Kandidaten unter Studenten und Akademikern gleichermaßen. Ganz egal, ob ÖH-Wahlen oder Bundeswahlen: die Freiheitlichen sind unter ‚ferner liefen‘ zu finden. Dabei ist der Befund, dass tendenziell linke Professoren den Kindern rot-grüner Akademiker eine linke Einstellung vermitteln, keinesfalls ein Naturgewächs. Er ist vielmehr das Resultat eines Marsches durch die Institutionen.

Arbeiterfamilien tendenziell Blauwähler

Ändern wird sich das vermutlich erst, wenn patriotisch denkende Menschen bereits einigermaßen gefestigt in die Unis drängen. Und das geschieht am ehesten dort, wo sie bereits aufgrund familiärer Sozialisierung oder eigener Erfahrungen an diesen Punkt gelangten. Dies wiederum passiert erfahrungsgemäß in einem Milieu, welches die Probleme der Jetztzeit am ehesten zu spüren bekommt.

Das sind die, deren elterliches Einkommen nicht zum Auskommen reichte. Jene, die in einem ethnisch stark durchmischten Grätzel aufwachsen mussten und den Bevölkerungsaustausch täglich erlebten. Dieselben, welche das Schwinden der heimischen Identität bereits in der Schule miterlebten. Sie alle hätten das Potenzial, wie zahlreiche rote Akademiker einst, aus dem Gemeindebau in meinungsbildende Positionen zu gelangen.

Grüne Akademikerkinder wenig betroffen

Wenn man diesen jungen Menschen nun den Weg an die Unis erschwert, werden sie seltener eine akademische Ausbildung genießen. Diese wiederum befähigt erst, selbst in die Lehre zu drängen, und die Deutungshoheit an den Unis zurückzugewinnen. Die einzigen studentischen Körper, welche noch ausgewiesen patriotischer Prägung sind, sind die schlagenden Korporationen. Auch diesen entzieht man folglich den Nachwuchs – und in weiterer Folge sich selbst den beliebtesten politischen Personalpool.

Wenig stören Studiengebühren oder die Aufforderung, weniger zu arbeiten und schneller zu studieren hingegen die „Anderen“. Die wohlsituierten Kinder rot-grüner Akademiker, die auf Privatschulen gingen, können sich leisten, als Nebenberuf Sohn beziehungsweise Tochter zu sein. Wenn sie schnell studieren, weil sie nicht arbeiten müssen, greifen sie die Leistungsstipendien ab. Wenn sie langsam studieren, zahlt’s das Elternhaus. Und danach winkt zumeist die väterliche Bekanntschaft für einen schnelle Laufbahn – ein perpetuum mobile linken Tiefenstaats.

Kein Marsch durch die Institutionen

Auch mit diesen Hintergedanken warnte ich in meiner Festrede, die ich anlässlich meiner Sponsion halten durfte, vor der Wiedereinführung von Studiengebühren. Vermeintlich berichtigt hat mich damals ein gewisser Tilmann Märk, Rektor der Innsbrucker Universität – dies sei nicht Gegenstand politischer Debatte. Dieser, eigentlich offenbar ein Vertrauter seines Vorgängers und ehemaligen Wissenschaftsministers Karlheinz Töchterle (ÖVP), machte sich nun für ein innovatives Rückererstattungssystem an meiner alma mater stark – und streift dafür zurecht auch Lorbeeren ein.

Lorbeeren, die sich so einfach die Regierung hätte aufsetzen können. Lorbeeren, für welche die Blauen ihr Profil innerhalb der Koalition hätten schärfen können. Auch weil die Faßmann-Nichtverlängerung die offizielle ÖVP-Position eigentlich glasklar machte. Stattdessen ist man nun mitschuldig und zurecht der Buhmann aller arbeitenden Studenten. Von denen auch ganz sicher niemand in Bälde ‚die Fronten wechseln‘ wird. So, liebe Freiheitliche, wird’s mit dem eigenen Marsch durch die Institutionen jedenfalls nix.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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