Personalie polarisiert stark: Lauterbach wird deutscher Gesundheitsminister
Nachdem die grüne und gelbe Parteibasis ihren Sanktus zum 186-seitigen Koalitionsvertrag der neuen „Ampel“-Regierung gaben, nimmt die Ressortverteilung immer konkretere Formen an. Zu den am meisten umstrittenen Personalentscheidungen gehört sicherlich Karl Lauterbach (SPD).
Berlin. – Noch vor wenigen Tagen nahm man an, dass die wahrscheinliche Auswahl von Annalena Baerbock für die Leitung des Auswärtigen Amts für den meisten Gesprächsstoff sorgen wird. Nun setzte sich die Sozialdemokratie aber über ihren eigenen Parteiproporz hinweg, um Lauterbach ins Amt des Gesundheitsministers zu hieven. Der regelmäßige Talkshow-Gast fiel in den vergangenen 20 Monaten häufig mit mahnenden und nach Ansicht mancher Zeitgenossen panischen Warnungen auf. Beim Corona-Thema gilt er als Hardliner, forderte immer wieder schärfere Maßnahmen.
Forderte immer wieder harte Maßnahmen
Damit bekommt nach Österreich auch Deutschland einen Gesundheitsminister, der auf dem Papier „vom Fach“ ist, wie seine Befürworter argumentieren. Er hat aber auch viele Gegner. Ein offener Brief kritischer Ärzte beklagte etwa im März, dass Lauterbach oft „mit extremen Meinungsbekundungen im Zusammenhang mit SARS-CoV2-Infektionen“ auffalle. Dabei nehme er „zumindest billigend in Kauf, in der Bevölkerung den Irrtum auszulösen“, seine Äußerungen gründeten auf ärztlicher Kompetenz oder ärztlicher Verpflichtung gegenüber dem Allgemeinwohl“. Er möge daher seine ärztliche und politische Betätigung öffentlich sichtbarer Trennungen. Über 13.000 Bürger unterzeichneten den Aufruf.
Tatsächlich polarisieren seine Aussagen stark – und oftmals lag er mit übervorsichtigen Warnungen falsch. Eine von ihm infolge der Fußball-Europameisterschaft prognostizierte Welle im Sommer blieb zumindest auf dem Kontinent aus. Als die Afghanistan-Krise im August mit der Machtübernahme der Taliban wieder Fahrt aufnahm, sorgte er sich zuvorderst um die Schließung dortiger Impfzentren. Im Jänner entsetzte er viele Bürger, als er einen unbefristeten Lockdown für das ganze Volk forderte. Zuletzt redete er sich auf Twitter den Mund fusselig, um für die bundesweite 2G-Regel und die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht zu werben.
Etwas Freude, viel Ärger über Lauterbach als Minister
Entsprechend zwiegespalten waren auch die Reaktionen, als die Besetzung des in der aktuellen Lage als Kernressort zu bezeichnenden Ministeriums mit seiner Person bekannt wurde. Als Liebling etablierter Medien konnte so mancher Journalist, in diesem Fall ein Welt-Redakteur, seine Freude über Lauterbach nicht verhehlen.
Auch so mancher Politiker des Mitbewerbers konnte sich für diese Auswahl erwärmen. So etwa Norbert Röttgen, der sich aktuell zum zweiten Mal für den CDU-Vorsitz bewirbt.
Weniger erfreut zeigte man sich bei Vertretern der AfD. Für Fraktionschefin Alice Weidel hätte es „nicht schlimmer kommen können.“
Auch kritische Journalisten wie Boris Reitschuster zeigten sich über die Auswahl entsetzt.
Die innerhalb ihrer Linkspartei zunehmend isolierte Sahra Wagenknecht, die allerdings für ihre kritische Haltung über die Lagergrenzen hinweg Popularität genießt habe ebenfalls ihre Zweifel. Sie stört insbesondere, dass Lauterbach bereits mehrmals seine Meinung zu Corona-Kernfragen änderte.
So mancher Beobachter verwies auf mutmaßliche Netzwerke des designierten Gesundheitsministers und den Umstand, dass sich Deutschlands bekanntester Fliegenträger in der Vergangenheit für die Schließung von Spitälern stark machte.
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