Seit Jahren: Ukraine führt Todesliste gegen Oppositionelle

Die Enthüllungen der TAGESSTIMME über einen ukrainischen Regierungsberater, der vermeintlichen Kollaborateuren in zurückeroberten Gebieten damit droht, sie „wie Schweine zu erschießen“, schockieren viele Bürger ebenso wie die Ermordung mehrerer pro-russischer Politiker seit Ausbruch des aktuellen Konflikts. Allerdings handelt es sich dabei um keine Einzelfälle – denn schon seit Jahren goutiert die Kiewer Regierung ein Portal, auf dem Oppositionelle im wahrsten Sinne des Wortes zum Abschuss freigegeben werden.
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Seit Jahren: Ukraine führt Todesliste gegen Oppositionelle

Symbolbild: Freepik

Die Enthüllungen der TAGESSTIMME über einen ukrainischen Regierungsberater, der vermeintlichen Kollaborateuren in zurückeroberten Gebieten damit droht, sie „wie Schweine zu erschießen“, schockieren viele Bürger ebenso wie die Ermordung mehrerer pro-russischer Politiker seit Ausbruch des aktuellen Konflikts. Allerdings handelt es sich dabei um keine Einzelfälle – denn schon seit Jahren goutiert die Kiewer Regierung ein Portal, auf dem Oppositionelle im wahrsten Sinne des Wortes zum Abschuss freigegeben werden.

Kiew. – Im Sommer 2014 ging ein schauriges ukrainisches Portal ins Netz. Es lautet auf den zynischen Namen Mirotworez („Friedensstifter“). Dort findet sich unter anderem ein Reiter „Fegefeuer“, der zu Jahresbeginn bereits 187.000 Personen listete, welche die Seite als „Feinde der Ukraine“ ansieht. Es finden sich oppositionelle und russischsprachige ukrainische Journalisten und Politiker ebenso darauf wie solche aus dem Ausland. Dem Portal werden Verbindungen zum Geheimdienst SBU und sogar ins ukrainische Innenministerium nachgesagt.

Bekanntheit durch Oppositionellen-Morde

Zu trauriger internationaler Bekanntheit brachte es „Mirotworez“ erstmals im April 2015. Damals wurden der Journalist Oles Busyna und der Politiker Oleg Kalaschnikow in ihren Wohnhäusern niedergeschossen. Nur einen Tag zuvor hatte ein anonymer Autor die beiden Kritiker der Regierung in Kiew in der „Fegefeuer“-Rubrik eingetragen. Der Twitter-Account des Portals glorifizierte diese brutalen Morde damals als „erfolgreichen Abschluss des Kampf-Auftrages.“

Faktisch wurden sie wegen ihrer Gesinnung dort eingetragen. So verfocht Busyna die These eines „dreieinigen russischen Volkes“ und sah sich sowohl als Ukrainer als auch als Russe. Er war ein lauter Gegner der Maidan-Proteste und des aus den folgenden Wirren als Präsident hervorgehenden Petro Poroschenko. Er kandidierte im selben Jahr erfolglos für eine panslawische Liste. Bis heute weigern sich viele Buchhandlungen in Kiew seine provokanten geschichtlichen Bestseller-Sachbücher zu verkaufen.

Mysteriöse Todesfälle in der Ukraine

Tags zuvor hatte bereits der Mord an Kalaschnikow statt gefunden. Der frühere Abgeordnete war ebenso ein lauter Gegner der Maidan-Revolution und trat sogar auf der Gegenveranstaltung auf. Sowohl Busyna als auch Kalaschnikow hätten als Zeugen einer Untersuchung der Eskalation auf dem Maidan auftreten sollen. Insgesamt kam damals innerhalb weniger Wochen ein Dutzend ukrainischer Oppositioneller auf teils höchst mysteriöse Umstände zu Tode. Offiziell wurden viele als Selbstmord abgetan.

Auch nach den Morden an Busyna & Kalaschnikow weigerte sich Seitengründer Georgij Tuka, das Seitenkonzept zu ändern. Man veröffentlichte weiterhin die Daten von Personen aus dem Inland und Ausland, die man als russische Kollaborateure ansah. Im Zuge einiger ausländischer Söldner auf Seiten der sogenannten „Volksrepubliken“ im Donbass folgten auf die Datenveröffentlichungen Ermittlungen der jeweiligen Justiz. Auch europäische Politiker wie Schröder oder Orban landeten auf der „Todesliste“.

Justiz nutzt Liste – sogar Bauarbeiter darauf

Die Seite sorgte weiterhin für Schlagzeilen: So wurden im Jahr 2016 die Daten von nicht weniger als 4.508 Journalisten aus aller Welt veröffentlicht, die im Donbass berichtet hatten. Ihnen warf man, sofern sie nicht 100 Prozent pro-ukrainisch berichteten, vor, sich mit „Terroristen“ gemein zu machen. Die offizielle Ukraine hatte aber kein Interesse, die Seite einzustellen. Im Gegenteil: In einer Analogie zu deutschen Behörden, die sich auf Antifa-Recherchen berufen, nutzen ukrainische Gerichte freimütig die auf „Mirotworez“ zusammengetragenen Daten in Prozessen gegen vermeintliche „Landesverräter“.

Die Wege, um auf der Seite zu landen, sind mannigfaltig. Sogar die ehemalige Ex-Premierministerin Julia Timoschenko landete wegen „illegalen Grenzübertritts“ darauf. Dabei ist sie alles andere als ein Freund der russischen Separatisten, die sie laut des geleakten Mitschnitts eines Telefonats am Liebsten mit Atomwaffen bekämpft hätte. Als Russland die bei einem ukrainischen Selbstmordanschlag unlängst beschädigte Kertsch-Brücke in Auftrag gab, sammelte „Mirotworez“ die Daten von Bauarbeitern, die am Bau der Brücke beteiligt waren.

Auch ermordete Dugina befand sich auf Liste

Zuletzt sorgte die Liste für Aufregung, als die deutsche Journalistin Alina Lipp, die im Donbass lebt und arbeitet, plötzlich auf dieser Liste landete. Im Zuge dessen wurde bekannt, dass auch die russische Journalistin und Globalismuskritikerin Daria Dugina auf dem Portal gelistet war. Letztere wurde im August in einem Mordanschlag nahe Moskau durch eine Autobombe getötet. Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass die Tat eigentlich ihrem Vater, dem bekannten Politologen Alexander Dugin, galt. Vor wenigen Tagen identifizierte die CIA die offizielle Ukraine als Drahtzieherin des Attentats.

Wie groß der Einfluss von „Mirotworez“ tatsächlich ist, ist umstritten. Eines ist allerdings klar: Ein von Behörden seit Jahren toleriertes und sogar befragtes „Todesportal“, das Daten von Regierungskritikern auflistet, sollte im Westen eigentlich mehr Personen schockieren, als dies aktuell der Fall ist. Ob damit wirklich „demokratische, westliche Werte“ verteidigt werden, darf hinterfragt werden. Denn selbst dort gelten etwa die „Schwarzen Listen“ der McCarthy-Ära heutzutage als Negativbeispiel. Und auch diese zielten „nur“ auf berufliche Ausgrenzung und nicht das Ableben der Betroffenen ab.

Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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