Schmissige Perspektiven (3): Palim, Palim – aber mit Rückgrat
Wenn Dieter Hallervorden heute für Skandale sorgt, dann nicht wegen Klamauk, sondern weil er Rückgrat zeigt. In seiner Kolumne zeigt Norbert Weidner wie der Ex-Burschenschafter ausspricht, was andere nicht mal denken dürfen.
Dieter Hallervorden ist vielen Menschen im deutschsprachigen Raum ein Begriff. Dennoch dürfte eine bestimmte Information über ihn vielen unbekannt sein.
© IMAGO / Frank GaethUnd er hat es wieder geschafft: Dieter Hallervorden sorgte jüngst erneut für einen Skandal, oder das, was die Mainstreammedien und die linkslinke Kulturschickeria dafür halten. Sein jüngstes „Vergehen“ aus Sicht unserer Kulturelite? In der Sendung „75 Jahre ARD“ führte der beliebte Komödiant seinen bekannten „Palim, Palim“-Sketch auf, in dem das berühmtberüchtigte N-Wort sogar ausgesprochen Verwendung fand. Das N-Wort? „Der Begriff N-Wort umschreibt eine früher übliche, aber rassistische Bezeichnung schwarzer Menschen. Sein Gebrauch zielt darauf ab, das eigentliche Wort nicht unnötig zu reproduzieren, da es beleidigend und diskriminierend ist“, klärt uns vorsorglich t-online im Rahmen der Berichterstattung zum aktuellen Fall nochmals auf.
Wir wissen alle, was gemeint ist. Jemand wagt es also, sich gegen sämtliche Kulturschaffenden des Landes zu stellen und einen Tabubruch zu begehen? Ist es nur ein Einzelfall eines alten weißen Mannes, der aus der Zeit gefallen ist, oder vielleicht doch eine dezidiert geplante Grenzverletzung eines ausgewiesenen Freigeistes?
Mediengewitter erwartbar
Dass darauf ein Medien-Shitstorm einsetzte, war zu erwarten: Der Stern schrieb, Hallervorden sorge für „Aufregung“, die FAZ schrieb wenigstens von einem „vermeintlichen Rassismus Skandal“, Focus online titelte „Didi Hallervorden sorgt erneut für Ärger“ und der Musikexpress warf ihm vor, er „provoziert mit rassistischen Begriffen“, um nur einige ausgesuchte Beispiele zu nennen. Dass in dem Sketch auch noch das Z-Wort fiel, machte die Anklagen der Mainstreammedien, die wie pawlowsche Hunde sofort auf den Zug aufsprangen, noch durchschaubarer.
Nicht mit Hallervorden gerechnet?
In der Regel verhält es sich so, dass Prominente recht schnell um Entschuldigung bitten, wenn sie sehen, dass die gesamte Einheitspresse gegen sie schießt. Erinnert sei beispielsweise an die Herren Xavier Naidoo, Michael Wendler und Percy Hoven. Selbst Margot Käßmann oder die Politiker Friedrich Merz und Anne Spiegel baten die Öffentlichkeit schon um Entschuldigung. Aber Dieter Hallervorden ging erfreulicherweise zum Gegenangriff über und veröffentlichte auf Facebook eine Stellungnahme, die es in sich hat:
„Satire wird nicht mehr verstanden, diesmal betrifft es die gestrige Ausstrahlung der Jubiläumssendung '75 Jahre ARD'.
Es werden Fragen wie diese gestellt: 'Warum hat der Sender die Entgleisungen Hallervordens gesendet?' Es herrscht Verwunderung darüber, wieso die ARD diesen Moment unzensiert zuließ.
Gut so.
1. Ich will auf kein Gleis gestellt werden.
2. Ich möchte nicht zensiert werden.
DANKE, ARD.
Tatvorwurf: Ich spiele einen Knasti, der die nicht mehr korrekten Ausdrücke „Zigeunerschnitzel“ und „Negerkuss“ benutzt und deshalb im Bau sitzt.
Pressevertretern, die eine Stellungnahme forderten, habe ich folgendes geantwortet:
Woke Menschen von heute versuchen ängstlich, nicht aus der Reihe zu tanzen, befolgen akribisch alle SocialMedia Gebote, um keine Likes aufs Spiel zu setzen und verstehen keine Satire mehr, weil Satire aus Angst vor Missverständnissen nicht mehr vorkommt.
Bei Pressevertretern scheint das Satire Gen auch schon ausge-Merz-t zu sein, es gab Zeiten, da konnte sich ein Journalist diese Fragen selbst beantworten, Satire-Verständnis gehörte zur geistigen Grundausstattung der schreibenden Zunft.
In Ermangelung von Mut, sich über die wirklichen Missstände zu erregen, weil diese anzuprangern, grade nicht in Mode ist, ereifert man sich über einen Komiker, der auf einem Knastbett sitzt und einen berühmten Sketch mit neuem Text beginnt: 'Uiuiuiui, ich habe dies gesagt und das gesagt und das darf man heute alles nicht mehr tun, das hab ich irgendwie verpeilt und nun sitze ich im Bau.'
Wer weiß, vielleicht könnte das durchaus bald passieren, weil solche Bestrafung von den wirklichen Verfehlungen unserer Zeitenwende ablenkt.
Wenn Wokeness bedeutet: 'Wachsamkeit für Missstände' so wäre es wünschenswert, dass sie ihre Aufmerksamkeit auf die eine oder andere Realsatire unserer Zeit lenkt, die leider gar nicht satirisch gemeint ist, sondern mit feierlichem Ernst verkündet wird:
Die Bundesregierung nimmt gerade den Tod von tausenden von jungen Menschen billigend in Kauf, denkt darüber nach, dass die Streitkraft um 70.000 Soldat:innen erweitert werden müsste, denn die Nato hat letzte Woche ausgerechnet, dass an der 'Ostfront' täglich 5000 Soldat:innen sterben werden.
Ich gehe jede Wette ein, dass eine Satire mit Regierungsbeamten im Knast auf dem Index stünde und dass man 'Kanonenfutter an der Ostfront' im Zuge unseres neuen Demokratie-Verständnisses nicht sagen darf.
Dieter Hallervorden“
Plötzlich anti-woke?
Was mag da in Dieter Hallervorden gefahren sein, mag der eine oder andere stille Beobachter gedacht haben. Ist der lustige „Didi“, der aus unzähligen unpolitischen Sketches, Filmen und einigen Serien bekannt ist, plötzlich antilinks geworden? Von „plötzlich“ kann allerdings keine Rede sein. Dieter Hallervorden ist seit jeher ein Freigeist, der von oben diktierte Tabus gerne infrage stellt. Erinnert sei beispielsweise an seine Kritik am Gendern. Nun könnte man sagen: Kein Wunder, immerhin war er einmal Burschenschafter, denn das ist eher wenigen bekannt, oder?
Die Berliner Burschenschaft Rugia
Hallervorden, der 1958, noch vor dem Mauerbau, aus dem realexistierenden Sozialismus nach West-Berlin übersiedelte, schloss sich während seines Studiums der Romanistik an der dortigen Freien Universität der Berliner Burschenschaft Rugia an. Die 1886 gegründete schlagende Burschenschaft hatte eine lange Tradition in Berlin. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem 34 Mitglieder fielen, gelang es der Burschenschaft, ein Haus zu erwerben und einen regen Aktivenbetrieb zu führen. Im Jahr 1952 wurde man erneut Mitglied im Akademikerverband Deutsche Burschenschaft und gründete im Wintersemester 1954/1955 mit den heute noch bestehenden Burschenschaften Thuringia zu Braunschweig, Schlägel und Eisen zu Clausthal und Teutonia zu Aachen den „Schwarz-Weißen Ring“.
Im Zuge der aufkommenden 1968er-Bewegung, gerade Berlin war neben Frankfurt am Main Kristallisationspunkt der alle Konventionen infrage stellenden linksradikalen Bewegung, blieb der Nachwuchs bei Rugia aus. Man suspendierte am 1. Oktober 1969 zunächst die Aktivitas, die traditionsreiche Burschenschaft löste sich dann im Jahr 1982 endgültig auf. Aktive der Rugia gehörten zum Kreis einiger Berliner Burschenschafter, die sich nach dem Mauerbau 1961 im Tunnelbau nach Ostberlin betätigten und Ostberliner auf diese, aber auch andere Weise nach Westberlin schmuggelten. Ob Dieter Hallervorden an solchen Aktivitäten beteiligt gewesen ist, ist nicht bekannt. Aber sein Bundesbruder Kurt Eberhard beteiligte sich an solchen Fluchthilfe-Aktionen.
Geplanter Anschlag auf Walter Ulbrich
Und genau mit diesem Bundesbruder, einem später bekannten Psychotherapeuten und Hochschullehrer, plante Dieter Hallervorden einen Anschlag auf das verhasste SED-Regime. Konkret sollte es DDR-Regierungschef Walter Ulbrich in Ostberlin treffen. „Die Pläne waren recht präzise: Sie wollten aus der fahrenden S-Bahn schießen, zwischen den Bahnhöfen Greifswalder Straße und Zentralviehhof in Prenzlauer Berg. Ulbricht spielte in der Nähe öfter Tennis. Hallervorden sollte die Waffen besorgen“, berichtete der Tagesspiegel im Jahr 2009. Aus dem Attentat wurde aber nichts, man entschied sich, wieder antikommunistische Flugblätter zu verteilen.
Hallervorden hat, das kann man ihm zweifelsfrei attestieren, eine antikommunistische, ja eine antiautoritäre Haltung – seit jeher. Das verbindet ihn mit Konservativen, mit der demokratischen Rechten. Aber auch ein Rechter will er nicht sein. Er ist eher ein Freigeist, der seine Haltung offen ausspricht und das ohne Angst zu haben, dem Zeitgeist zu widersprechen. Und dass der 89-Jährige mit dieser Haltung noch einiges in petto hat, zeigt sich am nächsten Skandal.
Nun auch noch Kontaktschuld-Opfer
Wenige Tage nach seinem angeblichen N-Wort-Skandal sprach er am Karfreitag per Videoschalte auf der Dresdner Friedensprozession. Darin sprach er sich gegen Krieg und Aufrüstung aus, kritisierte Israel wegen dessen Umgang mit der Bevölkerung in Gaza. Aber nicht der Inhalt seiner Grußbotschaft wurde Gegenstand der Berichterstattung, sondern die übliche Kontaktschuld. Angeblich sei es eine Veranstaltung von Querdenkern und Rechtsextremen gewesen.
Die Videoschalte vermittelte indes der ehemalige Bundestagsabgeordnete der Linken, Dieter Dehm. Zum Vorwurf, zu diesem Kontakt zu pflegen, antwortete Hallervorden gewohnt bissig: „Irgendwann hatte ich den Eindruck, dass es relativ unergiebig ist, sich nur mit Menschen auszutauschen, die meine Meinung ohnehin teilen.“ Damit zeigt er erneut, was er davon hält, kritisiert zu werden. Auch wenn er kein Rechter/Konservativer sein mag, für die herrschende Elite ist er ein Stachel im Fleisch der Etablierten – so wie es solche Freigeister wie Dieter Nuhr, Thomas Gottschalk, Harald Schmidt und Uwe Steimle ebenfalls sind. Möge Dieter Hallervorden daher noch viel Zeit haben, den woken Etablierten den Spiegel vorzuhalten!