Alter, Geschlecht und Kriminalität
FREILICH hat anhand der Polizeilichen Kriminalstatistik 2022 untersucht, wie sich Geschlecht und Alter auf Kriminalität auswirken.
Die Polizeibehörden registrierten 2022 in Deutschland knapp 2,1 Millionen Straftatverdächtige. Die Altersgruppen mit dem höchsten Anteil an Tatverdächtigen von jeweils 22 Prozent sind laut PKS 2022 die 21- bis 29-Jährigen und die 30- bis 39-Jährigen. 75 Prozent aller Verdächtigen sind männlich und 25 Prozent weiblich.
Der Sozialbiologe Edward Dutton sagte auf Anfrage zu FREILICH, dass dieser Geschlechterunterschied mit den Eigenschaften Gewissenhaftigkeit (conscientiousness) und Verträglichkeit (agreeableness) zusammenhängt. Je gewissenhafter und verträglicher eine Person, so der britische Forscher, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass sie kriminell wird. Geschlechterunterschiede bei der Kriminalität ließen sich damit erklären, dass die genannten Eigenschaften bei Männern und Jungen in der Regel schwächer ausgeprägt sind als bei Mädchen und Frauen.
U14: Kriminelle Kinder
Die Polizeibehörden registrierten 2022 insgesamt 93.095 straftatverdächtige Kinder. Dies entspricht vier Prozent aller Tatverdächtigen. Jungen machen 68 Prozent und Mädchen 32 Prozent aus. Was nach einem klaffenden Unterschied der Geschlechter klingt, ist tatsächlich der geringste Anteil männlicher Verdächtiger von allen sieben Altersgruppen. Edward Dutton weist darauf hin, dass dies mit dem relativ geringen Testosteronspiegel bei Jungen unter 14 Jahren zusammenhänge. Mit Beginn der Pubertät produzierten Jungen mehr Testosteron. Da das Hormon Aggressivität und Risikobereitschaft steigere, nehme auch der Anteil straffälliger Jugendlicher unter Männern zu.
Kinder lassen die anderen Altersgruppen mit 52 Prozent aller Tatverdächtigen in der Herstellung von Kinderpornografie alt aussehen. Auch bei gemeinschädlicher Sachbeschädigung liegen die kleinen Racker vorn: Auf ihr Konto gehen 850 von insgesamt 3.344 Verdachtsfälle, Denkmäler, Kunstwerke und ähnliche Gegenstände beschädigt zu haben. Eltern sei geraten, Streichhölzer und Feuerzeuge sicher zu verwahren: Die kleinen Feuerteufel sind für 994 von 3.553 aller Sachbeschädigungen durch Feuer verantwortlich.
14 bis 20 Jahre: Jugendliche und junge Erwachsene
Die Altersgruppe von 14 bis 20 Jahren macht 17 Prozent aller Tatverdächtigen aus. Von diesen 350.147 Verdächtigen sind 75 Prozent Jungen und 25 Prozent Mädchen. Das Geschlechterverhältnis dieser Altersgruppe entspricht exakt dem bundesweiten Durchschnitt.
Beim Diebstahl von Mopeds und Motorrädern sind Jugendliche und junge Erwachsene den anderen Altersgruppen mit 52 Prozent im wahrsten Sinne des Wortes meilenweit voraus. Sie führen ebenfalls bei der bandenmäßigen Herstellung und Verbreitung von Jugendpornografie (18 von 26 Verdächtige), bei Gewaltdarstellungen an unter 18-Jährigen (126 von 184 Verdächtige) und bei sonstiger räuberischer Erpressung auf Straßen, Wegen oder Plätzen (1.888 von 3.286 Verdächtige).
21 bis 29 Jahre: Speerspitze der Kriminalität?
Die Altersgruppe von 21 bis 29 Jahren macht 22 Prozent aller Tatverdächtigen aus. Von diesen 469.874 Verdächtigen sind 79 Prozent Männer und 21 Prozent Frauen. In keiner anderen Altersgruppe haben Männer einen höheren Anteil an Verdächtigen.
Die Altersgruppe macht 43 Prozent aller Verdächtigen bei Landfriedensbrüchen aus. 91.206 von 267.808 aller Drogendelikte gehen auf das Konto dieser Altersgruppe. 21- bis 29-Jährige kommen bei der Abgabe von Drogen an Minderjährige auf 831 von insgesamt 1.661 Verdächtigen.
30 bis 39 Jahre: Meister im Meth-Konsum
Die Altersgruppe von 30 bis 39 Jahren kommt mit 461.791 Fällen ebenfalls auf 22 Prozent aller Verdächtigen. Die Altersgruppen von 21 bis 29 Jahren und von 30 bis 39 Jahren machen zusammen über 44 Prozent aller Verdächtigen aus. Laut Destatis betrug der Anteil von 20- bis 40-Jährigen an der Gesamtbevölkerung 2021 lediglich 24,4 Prozent. Man kann also sagen, dass Personen von 21 bis 39 Jahren etwa doppelt so häufig straffällig werden wie der Durchschnitt. Ein trauriger Rekord der 30- bis 39-Jährigen ist ein Verdächtigenanteil von 45 Prozent bei Drogendelikten im Zusammenhang mit Crystal Meth.
40 bis 49 Jahre: Midlife Crisis
Die Altersgruppe von 40 bis 49 Jahre macht 15 Prozent aller Tatverdächtigen aus. Von diesen 318.417 Verdächtigen sind 74 Prozent Männer und 26 Prozent Frauen. Ein Mann in dieser Altersgruppe steht, wenn er alles richtig gemacht hat, in der Blüte seines Lebens: Hohes Gehalt, Auto, Hund, Kinder, Haus, Frau. Scheidungsquoten von derzeit 40 Prozent und die folgenden Daten deuten jedoch darauf hin, dass bei zahlreichen Männern aus dieser Altersgruppe einiges im Argen liegt.
Die 40 bis 49-Jährigen führen die Kategorie Bankrott mit 28 Prozent aller Verdächtigen an. Diese Altersgruppe führt ebenfalls im Bereich der Verletzung von Unterhaltspflichten (34 Prozent aller Verdächtigen), illegalem Glücksspiel (28 Prozent) und Insolvenzverschleppung (27 Prozent).
50 bis 59 Jahre: Wutposting bis die Polizei kommt
Die Altersgruppe von 50 bis 59 Jahren macht elf Prozent aller Tatverdächtigen aus. Von den 228.665 Verdächtigen sind 73 Prozent Männer und 27 Prozent Frauen. Diese Altersgruppe ist alles andere als politikverdrossen: Sie führt bei Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung von Politikern mit 31 Prozent aller Verdächtigen.
Ü60: Neugierig und brandgefährlich
Über 60-Jährige machen acht Prozent aller Tatverdächtigen aus. Von den 171.793 Verdächtigen sind 70 Prozent Senioren und 30 Prozent Seniorinnen. Edward Dutton erklärt diesen verhältnismäßig geringen Unterschied zwischen Männern und Frauen damit, dass der Testosteronspiegel im Alter rapide sinkt. Die Folge ist, dass Senioren weniger Aggressivität und Risikobereitschaft an den Tag legen als jüngere Altersgruppen. Wenig überraschend: Bei einem Anteil von 29,3 Prozent an der Gesamtbevölkerung ist die Generation Ü60 3,6-mal seltener tatverdächtig als der Bundesdurchschnitt.
Über 60-Jährige sind aber keine Unschuldslämmer: Sie führen mit 27 Prozent aller Verdächtigen bei fahrlässiger Brandstiftung. Bei der Verletzung des Briefgeheimnisses sind sie mit 22 Prozent aller Verdächtigen gleichauf mit der Altersgruppe von 30 bis 39 Jahren. Wer also in einem Haus voller Senioren wohnt, tut gut daran, den Briefkasten zu verriegeln und sich funktionsfähige Rauchmelder anzuschaffen.