Bruchlinien in der Corona-Krise

Martin Lichtmesz analysiert in seinem TAGESSTIMME-Kommentar die österreichischen Corona-Proteste und die laufenden Spaltungen in der Gesellschaft.
Martin Lichtmesz
Kommentar von
22.3.2021
/
4 Minuten Lesezeit
Bruchlinien in der Corona-Krise

Bild: TAGESSTIMME.

Martin Lichtmesz analysiert in seinem TAGESSTIMME-Kommentar die österreichischen Corona-Proteste und die laufenden Spaltungen in der Gesellschaft.

Die österreichische „Corona-Widerstands“-Bewegung, oder wie auch immer man sie nennen möchte, ist ein unerwartetes und einzigartiges Phänomen. Obwohl es international zum Teil massive Proteste gegen die „Corona-Maßnahmen“, insbesondere den „Lockdown“ gibt, scheinen die österreichischen Protestler einen besonders ausgeprägten Grad an Organisiertheit, Beharrlichkeit und Zugkraft entfaltet zu haben. Trotz aller Bemühungen der Regierung und der mit Millionen von Förder- und Werbegeldern gekauften Presse, die Teilnehmer pauschal als „Rechtsextreme, Staatsverweigerer, Hooligans, Alt-Neonazis“ (Innenminister Nehammer), „Verschwörungstheoretiker“ oder als „Demo-Mob“ (oe24) zu diffamieren, handelt es sich hier um eine authentische Volksbewegung, in der Menschen aus allen Schichten und Altersklassen vertreten sind und in deren Rahmen friedensbewegte ehemalige Grüne wie Alexander Ehrlich mit freiheitlichen Patrioten wie Herbert Kickl zusammenarbeiten.

Rot-weiß-rote Solidarität

Dass sich die rot-weiß-rote Nationalflagge als kennzeichnendes Symbol durchgesetzt hat, gibt den Protesten eine auch ästhetisch ansprechende Klarheit und Geschlossenheit, die den eher chaotischen bundesdeutschen „Querdenker“-Demos fehlt, was gewiss auch mit einer größeren Entfremdung der Deutschen zu ihrer Nation zu tun hat. Dabei steht die rot-weiß-rote Fahne auf den Demonstrationen nicht für Nationalismus, sondern betont das übergeordnete und verbindende Ganze, die republikanische Einheit und Solidarität. Sie stellt mit einer gewissen demokratischen Romantik das freie Volk einer autoritäre Regierung gegenüber. Dieses Gefühl, dass es nun wirklich um die Wurst für uns ALLE geht, eint wohl sehr viele Demoteilnehmer, weshalb weltanschauliche und politische Differenzen hintangestellt und auch die auf Großdemos unvermeidlichen Spinner und Käuze unterschiedlichster Couleur toleriert werden.

Dies geschieht freilich zu einem Zeitpunkt, an dem das Volk dank der unablässigen Propagandabeschallung durch die Massenmedien gespalten ist wie nie zuvor, mehr noch als während der „Flüchtlingskrise“. Das „Corona“-Narrativ erklärt den Maßnahmenkritiker oder gar -verweigerer zum asozialen, verantwortungslosen Seuchenverbreiter und hat in manche Köpfe die Vorstellung gepflanzt, dass ein Mensch schon allein dadurch das Leben seiner Mitmenschen gefährden kann, indem er „ungetestet“ ein- und ausatmet. Dieses Säen von wechselseitigem Misstrauen und die Forderung nach physischer Distanzierung wird perverserweise mit Slogans wie „Wir halten zusammen“ vorangetrieben. Es gibt schier keine Brücke mehr zwischen denen, die vor allem Angst vor dem Virus haben und denen, die vor allem Angst vor den Maßnahmen der Regierung haben, insbesondere dem sozialen und wirtschaftlichen Impfungsdruck und den damit verbundenen Programmen wie dem „Grünen Pass“, die mit roboterartiger Zielgerichtetheit durchgesetzt werden.

Drei Bruchlinien

Man erkennt indes in der laufenden Spaltung Bruchlinien wieder, die Caroline Sommerfeld und ich in unserem Buch Mit Linken leben (HIER bestellen) beschrieben haben, und die nur vektorenhaft eine Frage von „links“ und „rechts“ sind. Wir stellten erstens „Utopisten“ gegen „Realisten“, was in Bezug auf die „Coronakrise“ etwas modifiziert werden muss. Beide Seiten, die Maßnahmenanhänger wie auch -kritiker, beanspruchen, die Wissenschaft auf ihrer Seite zu haben, und auf beiden Seiten finden wir gelegentlich entweder offene oder versteckte sektiererische Tendenzen und magisches Denken.

Allerdings muss klar gesagt werden, dass die Maßnahmenkritiker trotz aller offiziellen Gaslichterei in den wesentlichen Punkten die besseren sachlichen Argumente auf ihrer Seite haben, während man den „Lockdown“ allenfalls als politischen Mythos oder Kollektivwahn bezeichnen kann. Zweitens nannten Sommerfeld und ich die Bruchlinie „Vertrauen/Misstrauen in politische Eliten und Mainstreammedien“, die an dieser Stelle wohl keiner weiteren Erläuterung bedarf. Als „Verschwörungstheoretiker“ gilt heute, wer daran zweifelt, dass die Superreichen und Supermächtigen dieser Welt irgendetwas anderes im Sinn haben könnten als philantropische Zielsetzungen, und bizarrerweise haben sich auch viele Linke entsprechende Affekte einimpfen lassen, insbesondere seit die Großkonzerne des Westens „woke“ geworden sind.

Die dritte Bruchlinie ist etwas spezifischer. Sie stellt „Globalisten“ gegen Identitäre, Souveränisten, Separatisten, Regionalisten, Föderalisten, Verteidiger des Nationalstaates, und so weiter, also gegen alle, die sich gegen die Entgrenzungen und die Maßlosigkeit globalistischer Politik stellen, wozu eben auch die Agenda des „Great Reset“ und sonstige politische Nutzen der Schein-Pandemie zählen. Auch unter diesem Aspekt ist es sinnfällig, wenn sich die Protestler unter der österreichischen Nationalflagge versammeln. Sie antwortet damit auf den Pseudo-Patriotismus, den der opportunistische Globalist Kurz schon lange vor „Corona“ genutzt hat, um die Wahlen zu gewinnen, und der nun eingesetzt wird, um dem Volk seine eigene Freiheitsberaubung, Entrechtung, ökonomische Vernichtung und ideologische Gleichschaltung schmackhaft zu machen; manche werden sich vielleicht daran erinnern, wie während des ersten Lockdowns vor einem Jahr Patrouillen von Polizeiautos durch leere Straßen fuhren und „I am from Austria“ aus den Lautsprechern erschallen ließen.

Aufbäumen gegen die Globalisten

Was nun die Reaktion der Regierung und der Leitmedien auf die Protestbewegung betrifft, so kann man es nicht anders bezeichnen, als dass hier ein propagandistischer Bürgerkrieg gegen große Teile des eigenen Volkes geführt wird. Die tausenden, die Kickl, Ehrlich oder Martin Rutter auf die Demonstrationen folgen, hoffen hingegen auf einen basisdemokratischen Frühling, der die „Corona-Diktatur“ zu Fall bringen wird. Auch ich wünsche mir, dass dieser Sand im Getriebe ausreichen wird, um die Maschine zu stoppen, aber ich fürchte, dass die Menschen, die mit bewundernswertem Einsatz auf die Straße gehen, das Monstrum unterschätzen, gegen das sie angetreten sind. Schlimmstenfalls erleben wir gerade das letzte ehrenhafte, aber naive Aufbäumen einer überholten Idee namens „Demokratie“, ehe die globalistischen Eliten in Davos und anderswo den „Reset“-Knopf drücken, um in der westlichen Welt ein Herrschaftsmodell nach chinesischem Vorbild zu installieren.

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Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor
Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz

Zur Person: Martin Lichtmesz wurde 1976 in Wien geboren. Nach Jahren in Berlin lebt er inzwischen wieder in seiner Heimat und arbeitet als freier Publizist.

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