Bürgerliche Mischkulturen: Die Einseitigkeit der Empörungsmaschinerie

Sowohl in Deutschland als auch in Österreich zeigt sich diese Woche wieder deutlich: Es ist wichtiger, wer etwas über wen sagt – und nicht was gesagt wird.
Julian Schernthaner
Kommentar von
3.9.2019
/
4 Minuten Lesezeit
Bürgerliche Mischkulturen: Die Einseitigkeit der Empörungsmaschinerie

Symbolbild: By Rainer Surrey (Mediengruppe Madsack) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Sowohl in Deutschland als auch in Österreich zeigt sich diese Woche wieder deutlich: Es ist wichtiger, wer etwas über wen sagt – und nicht was gesagt wird.

Kommentar von Julian Schernthaner.

Am Sonntag jährte sich zum 80. Mal jener leidvolle Tag, als der Angriff auf den Gleiwitzer Sender eine Abfolge von Geschehnissen in Gang setzte, welche die europäischen Völker in einen erbitterten Bruderkrieg stürzte. Es war unglaubliches Gemetzel, an dessen Ende Millionen Tote die verbrannte Erde unseres Kontinents säumten. Aber wenn man die jüngsten Debatten beobachtet, könnte man meinen, wir wären in eine Zeitmaschine gefallen.

Aufgebauschter Skandal um „Mischkulturen“-Sager

Den Anfang machte hierbei ein Krone-Interview mit einem oberösterreichischen FPÖ-Politiker. Dieser sprach sich gegen Multikulti aus und bekundete, Zuwanderung über assimilierbare Maßen hinaus abzulehnen. Sein großer Fehler: Er gebrauchte dafür den unorthodoxen und holprigen Begriff ‚Mischkulturen‘.

Mehr brauchte es nicht, linksgerichtete Tugendwächter waren auf den Plan gerufen. Sie kramten sofort irgendwelche Belege hervor, wonach dieses heute vor allem wertfrei in der Botanik gebrauchte Wort bereits im Dritten Reich vorgekommen sei. Schnell war der allgegenwärtigen Kampf gegen Hitler und die Seinen, fast 75 Jahre nach dessen Tod, also wieder aktuell.

Unterschiedlicher Maßstäbe

Fast bezeichnend ist dabei, dass eine NEOS-Politikerin sich an ein „zweites Rattengedicht“ erinnert fühlte. Freilich wollte sie damit den Freiheitlichen eine systematische Nähe zu braunem Gedankengut nahelegen. Dumm nur, dass keine 48 Stunden später die Staatsanwaltschaft Ried feststellte: Das laut ÖVP-Altkanzler Kurz „abscheuliche und rassistische Gedicht“ ist weder verhetzend noch verletzt es religiöse Gefühle. Und so bekommt diese Aussage eine gänzlich andere Note.

Denn neuerlich skandalisierten Medien und Politik im Doppelpass eine ungeschickte, aber letztendlich harmlose Aussage eines FPÖ-Politikers zu opportuner Zeit. Und erneut ging ihnen die Freiheitlichen auf den Leim, distanzierten sich in der Hoffnung, aus den Schlagzeilen zu kommen. Was in Oberösterreich übrigens keinen Skandal wert war: die Karikatur von Identitären als mit Giftgas zu bekämpfendes Ungeziefer in der größten Zeitung des Bundeslandes. Ist ja auch die „falsche“ Täter-Opfer-Verteilung.

Auch Beschimpfung von Wählern plötzlich en vogue

Noch viel bezeichnender als die regelmäßige Feststellung, dass in Österreich das Parteibuch darüber entscheidet, was „widerlich“ ist und was nicht, ist aber die bundesdeutsche Reaktion auf den Ausgang der Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg. Seitdem die patriotische AfD dort am Sonntag zur zweitstärksten Kraft wurde, scheint, glaubt man der medialen Endzeitstimmung, quasi das Vierte Reich ausgebrochen.

Eine Kolumnistin der Zeit, welche einst Thilo Sarrazin als „lispelnde, stotternde, zuckende Menschenkarikatur“ bezeichnete, ist sich sicher: Wer heute AfD will, nimmt Gasöfen in Kauf, denn der – freilich imaginierte -„Faschismus“ habe „keinen moderaten Flügel“. Ein Politologe der Uni Göttingen unterstellt den männlichen AfD-Wählern in Sachsen überhaupt, „Scheiße im Kopf“ zu haben, und eine „Drecksnazipartei“ zu wählen.

„Bürgerliche Koalition“: Moderatorin unter Beschuss

Man würde annehmen können, angesichts derartig jenseitiger Bewertung demokratischer Wahlergebnisse und der Beschimpfung hunderttausender Wähler aller Lebenswege, wäre der Teufel los. Ist es auch. Allerdings nicht deshalb, sondern weil eine MDR-Moderatorin eine rechnerisch mögliche CDU/AfD-Regierung als „bürgerliche Koalition“ bezeichnete.

Plötzlich schossen selbstberufene Sprachpolizisten aus allen Ecken. Ein Moderator des öffentlich-rechtlichen Rundfunks befand, dass auf die AfD „nur noch eine Bezeichnung“ passe und zwar „rechtsextrem“. Auch der Generalsekretär einer bundesweit eher strauchelnden Regierungspartei maßregelte die Journalistin ob ihres Sprachgebrauchs. Der obengenannte Politologe hingegen durfte für das ZDF zur Wahlanalyse als Experte ran.

Das Gegenüber macht die Spielregeln

Man sieht: Als Patriot kann man es einer durchwegs nach links ausscherenden Diskurshoheit einfach niemals recht machen. Markige und überspitzte Aussagen führen zu Forderungen nach Köpferollen. Zahmere Sprache wird als vermeintliche Tarnstrategie ausgelegt. Und sich anzubiedern und von den eigenen Leuten zu distanzieren, schafft kein bisschen Geländegewinn, sondern dient als Katapult für neue Anwürfe.

Denn die Spielregeln macht das Gegenüber, für welches natürlich keine Sprachregelung gilt – und jeden beiseite schieben will, der Patrioten auch nur einen Strohhalm der Legitimation zubilligen möchte. Und freilich könnte man sich fügen und entweder nach Prinzip anecken oder immer weiter sein Personal und seine Standpunkte für einen Platz am Katzentisch opfern. Oder aber man denkt eine patriotische Wende endlich zu Ende.

Linke Hegemonie ist kein Naturgewächs

Die gegenwärtige, weit nach links verschobene Hegemonie ist nämlich kein Naturgewächs. Über Jahrzehnte schafften diese sich eigene Strukturen, aus denen sie an wichtige Hebel der Gesellschaft kamen, sobald ihre Gegenöffentlichkeit zur Öffentlichkeit geworden war. Die Biographie eines Georg Restle – vom linksradikalen Piratenradio in die ARD – spricht Bände. Auf der anderen Seite sind heute schon Preisverleihungen an latent patriotische Künstler eine halbe Staatsaffäre.

Will man irgendeine Chance haben, diesen Zustand irgendwann zu ändern, muss man begreifen: Nur mit patriotischer Zivilgesellschaft und Gegenöffentlichkeit wird es gelingen. Eine besondere Rolle erfüllen dabei unabhängige patriotische Medien. Es ist unsere Aufgabe, jene Lücken zu schließen, die der herkömmliche Blätterwald hinterlässt. Es ist auch unsere Aufgabe, ihrem einseitig gefärbten Narrativ eine zweite Sichtweise entgegenzustellen. Wenn Sie diese Arbeit als ebenso wichtig ansehen, können Sie uns >>hier<< unterstützen.


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Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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