Eine Chronik der Gewalt: Die Geschichte der RAF

Inspiriert von den Studentenrevolten der 68er-Bewegung bildeten sich innerhalb der außerparlamentarischen Linken schnell gewaltbereite Gruppen. Die bekannteste von ihnen war die Rote Armee Fraktion, kurz RAF. Sie verübte zahlreiche Anschläge und versetzte der jungen Bundesrepublik einen schweren Schlag. FREILICH-Redakteur Mike Gutsing zeichnet die wichtigsten Ereignisse rund um die Gruppe von ihren Anfängen bis zu ihrem vermeintlichen Ende nach.

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Eine Chronik der Gewalt: Die Geschichte der RAF

Ein altes Fahndungsplakat

© IMAGO / Gottfried Czepluch

Von der Kommune in die Schlagzeilen (1968-1970)

Die Studentenunruhen von 1968 brachten eine Vielzahl linker Organisationen, Aktivistengruppen und ambitionierter Projekte hervor, die sich jedoch bald untereinander zerstritten. Als zentral wurde die Frage nach der Legitimität von Gewalt zur Durchsetzung von Zielen diskutiert. Die „Kommune 1“, ein linkssozialistisches Wohnprojekt, erregte durch einen angeblich geplanten Sprengstoffanschlag große öffentliche Aufmerksamkeit. Das große Medienecho rief schnell Nachahmer auf den Plan. Nach zwei Brandanschlägen auf Frankfurter Kaufhäuser am 2. April und einer kurzen Fahndung der Polizei werden zwei Verdächtige festgenommen: die späteren RAF-Gründer Andreas Baader und Gudrun Ensslin. Trotz umfangreicher juristischer Vertretung durch den damaligen Sozialisten Horst Mahler werden Baader und Ensslin zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt.

Hier hätte die Geschichte der RAF schon vor ihrer Gründung enden können. Nachdem Ensslin, Baader und ein weiterer Komplize nach einer gescheiterten Revision kurzzeitig untergetaucht und Baader durch den Verrat eines V-Manns wieder in staatliche Obhut geraten waren, schlug eine Unterstützergruppe der beiden einen radikalen neuen Kurs ein. Angeführt von der linken Journalistin Ulrike Meinhof überfielen sie am 14. Mai 1970 den Gefangenentransport Baaders und verletzten die eingesetzten Beamten zum Teil schwer. Obwohl die Gruppe die Grenzen Berlins nicht verließ, gelang es den Behörden nicht, die Flüchtigen aufzuspüren. Diese Befreiungsaktion gilt gemeinhin als Geburtsstunde der RAF.

Der Kampf für das „Ende der Bullenherrschaft“ beginnt (1970-1972)

Im linken Agitationsmedium Agit 883 veröffentlichte Andreas Baader am 5. Juni 1970 ein Pamphlet, in dem er zum Aufbau einer „Roten Armee“ aufrief. Der Kampf gegen die Bundesrepublik und die Ablehnung des sozialdemokratischen „Reformismus“ bildeten einen Eckpfeiler der neuen Ideologie der künftigen Guerillakämpfer. Die Bundesrepublik setzte eine Belohnung von 10.000 Mark auf Meinhof aus, die erste Fahndung nach Kriegsende. Die Aufbauphase der RAF beginnt. Über linke Journalisten wurde die Kritik der „intellektuellen Schwätzer“ in der Linken abgewehrt, im Juni des gleichen Jahres reisten Baader, Meinhof, Ensslin, Mahler und weitere Unterstützer nach Jordanien. Dort erhielten sie eine Grundausbildung bei der Fatah, dem bewaffneten Arm der palästinensischen Befreiungsbewegung.


Linksextremisten verüben brutale Anschläge auf politische Gegner. Trotzdem wird das Problem in der öffentlichen Debatte noch immer verharmlost. In dieser FREILICH-Ausgabe zeigen wir, wie sich die Antifa-Szene radikalisiert und wie groß die Gefahr wirklich ist, die von ihr ausgeht.

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Doch die Zusammenarbeit mit den arabischen Genossen gestaltete sich bald schwierig. Die Revolutionäre lehnten die geschlechtergetrennte Unterbringung ab, meckerten über die Essensrationen und forderten sogar einen Coca-Cola-Automaten in den jordanischen Bergen. Nach knapp einem Monat kehrten die Mitglieder der „Stadtguerilla“, wie sie sich selbst nannten, in die Bundesrepublik zurück und machten sich sofort daran, ihre revolutionären Pläne in die Tat umzusetzen. Dazu brauchten sie vor allem eines: Geld. Zu diesem Zweck überfiel die Gruppe am 29. September 1970 mit dem sogenannten „Dreierschlag“ mehrere Banken und erbeutete bis Ende 1971 mehr als eine halbe Million Mark. Immer wieder forderten ihre Aktionen Todesopfer, das erste Opfer war der Polizist Norbert Schmid.

Die „Maioffensive“ und die revolutionäre Haft (1972-1975)

Als wäre der erste Tote eine Art Startschuss gewesen, intensivierten sich im Mai 1972 die Aktionen der RAF. Im Folgenden seien nur einige genannt: Bombenanschlag auf das Hauptquartier des V. US-Corps (ein Toter, 13 Verletzte), Bombenanschlag auf ein Polizeipräsidium (17 Verletzte), Bombenanschlag auf den Axel-Springer-Verlag (17 Verletzte), Anschlag auf das Europa-Hauptquartier der US-Army (drei Tote, fünf Verletzte). Gleichzeitig forderten die Terroranschläge immer mehr Opfer unter den RAF-Mitgliedern. So wurden im Juni die führenden RAF-Kader Ensslin und Meinhof verhaftet, Baader folgte noch im selben Monat.


Buchempfehlungen der Redaktion:

➡️ Sven Felix Kellerhoff – Eine kurze Geschichte der RAF*

➡️ Florian Jeßberger und Inga Schuchmann – Die Stammheim-Protokolle: Der Prozess gegen die erste RAF-Generation*


Auch in der Haft setzten die Linksextremisten neue Maßstäbe. Die bis heute sehr aktive „Rote Hilfe“ warb mit einer Reihe von Schriften um Solidarität mit den Gefangenen. So beklagte Gudrun Ensslin: „Eine Sprechblase, DIN A2 groß, etwa ´Lieber einen Richter umlegen als ein Richter sein´, habe ich in der Dokumentation umsonst gesucht“. Im Frühjahr 1973 gründeten sich die ersten „Komitees gegen Folter an politischen Gefangenen in der BRD“. Diese Sprachrohre der RAF sollten das Ansehen der Gruppe weiter verbessern und die Freilassung der inhaftierten Mitglieder als politische Forderung formulieren. Gleichzeitig wurde der eigene Körper als Waffe eingesetzt: Mehrere kollektive Hungerstreiks folgten in den Jahren 1973-1975 und forderten im September 1975 mit Holger Meins das erste Todesopfer.

„Deutscher Herbst“ und „Stammheimer Todesnacht“ (1975-1977)

Mit der Verhaftung der führenden Köpfe übernahmen jüngere Mitglieder die Führung der RAF. Die Anschläge wurden brutaler, im April 1975 folgte die Geiselnahme von Stockholm, bei der die deutschen Gesandten Heinz Hillegaart und Andreas von Mirbach in der bundesdeutschen Botschaft mit einigen anderen festgehalten und später erschossen wurden. Während des Geiseldramas explodierten versehentlich zwei der angebrachten Sprengsätze, wobei auch zwei der RAF-Terroristen ums Leben kamen. Einen Monat später begann der Prozess gegen Baader, Ensslin und Meinhof, die sich knapp ein Jahr später im Gefängnis erhängte. Der „Stammheimer Prozess“ ist zäh, immer wieder stören die Angeklagten die Verhandlung, immer wieder muss der Vorsitzende Richter sie von den Verhandlungen ausschließen.

Die Entschlossenheit der „ersten Generation“, ihren Kampf auch im Gefängnis fortzusetzen, war für die Justiz der jungen Bundesrepublik eine völlig neue Erfahrung. Schließlich wurden Baader, Ensslin und ihr Mitverschwörer Jan-Carl Raspe im April 1977 zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt. Dies kann als Anlass für die Vergeltungsaktion des RAF-Kommandos „Siegfried Hausner“ gesehen werden, die als „Schleyer-Entführung“ in die Geschichte eingehen sollte. Die Entführung und Erschießung Schleyers im Oktober 1977 markierte den Beginn des „Deutschen Herbstes“, der letzten Hochphase des linksextremistischen Terrors bis in die 1980er-Jahre. Höhepunkte dieser Phase waren neben der spektakulären Entführung des Flugzeugs „Landshut“ im Oktober 1977 vor allem der kollektive Selbstmord von Baader, Ensslin und Raspe am 18. Oktober 1977, der der Bundesrepublik, die um jeden Preis den Schein der Ordnung aufrechterhalten wollte, empfindliche Schläge versetzte.

Selbstauflösung (1977-1992)

Mit der zunehmenden Verhaftung von Mitgliedern, dem Selbstmord einzelner inhaftierter Terroristen und gescheiterten Aktionen schwand auch der Rückhalt der RAF in der linken Szene. Mit wiederholten Hungerstreiks sollte nicht mehr die Freilassung, sondern die Zusammenlegung aller RAF-Gefangenen erreicht werden. Davon erhoffte man sich einen neuen Organisationsschub, wenn auch hinter Gittern. Durch Zufall werden mehrere Nachschubdepots der RAF entdeckt, Christian Klar, eine der Schlüsselfiguren der „Zweiten Generation“, wird im November 1982 verhaftet. Für die Mitglieder der Terrororganisation scheint es nur zwei Möglichkeiten zu geben: das hohe Risiko, gefasst zu werden, oder die Ausreise in die DDR. Im April 1992 erklärten die versprengten Reste der Gruppe, dass es künftig keine „Anschläge auf Repräsentanten von Wirtschaft und Staat“ mehr geben werde. Damit wurde das militante Prinzip aufgegeben, was das vorläufige Ende des organisierten Linksterrorismus bedeutete.


Buchempfehlungen der Redaktion:

➡️ Bettina Röhl – Die RAF hat euch lieb“: Die Bundesrepublik im Rausch von 68 – Eine Familie im Zentrum der Bewegung*

➡️ Stefan Aust – Der Baader-Meinhof-Komplex*


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Über den Autor

Mike Gutsing

Stellenausschreibugn - AfD Sachsen

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